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Tifereth 6 page





»Nach all diesen Geheimbünden war es gar nicht so leicht, noch einen weiteren zu erfinden«, sagte Diotallevi in einem Anfall von Eitelkeit.

 

76

 

 

Wollte man den dominanten Charakter der französischen Freimaurerei des 18. Jahrhunderts mit einem Wort definieren, so würde nur ein einziges passen: Dilettantismus.

René Le Forestier, La Franc‑Maçonnerie Texplière et Occultiste aux XVIIIe et XIXe siècle, Paris, Aubier, 1970, 2

 

Am nächsten Abend luden wir Agliè zu Pilade ein. Obwohl die neuen Kunden der Bar zu Jackett und Schlips zurückgekehrt waren, die Anwesenheit unseres Gastes, mit seinem dunkelblauen Nadelstreifenanzug und seinem schneeweißen Hemd, die Krawatte mit einer goldenen Nadel festgesteckt, erregte doch einiges Aufsehen. Zum Glück war es bei Pilade um sechs Uhr abends noch ziemlich leer.

Agliè verwirrte Pilade mit der Bestellung eines französischen Marken‑Cognacs. Natürlich gab es ihn, aber er thronte hoch oben auf dem Bord hinter dem Zinktresen, ungeöffnet vielleicht seit Jahren.

Während er sprach, betrachtete Agliè das Getränk in seinem Glas gegen das Licht um es dann mit den Händen zu wärmen, wobei er aus seinen Ärmeln goldene Manschettenknöpfe in vage ägyptischem Stil aufblitzen ließ.

Wir zeigten ihm unsere Liste und sagten, wir hätten sie aus den Manuskripten der Diaboliker zusammengestellt.

»Dass die Templer mit den traditionellen Dombauhütten zusammenhingen«, begann er,»das heißt mit den Logen der Steinmetzen, die sich auf den Bau des Salomonischen Tempels zurückführten, ist sicher. So sicher, wie dass sich diese Logenbrüder auf Hiram beriefen, den Architekten des Tempels, der einem mysteriösen Mord zum Opfer gefallen war, weshalb sie ihn zu rächen gelobten. Nach der Verfolgung durch Philipp den Schönen sind gewiss viele Tempelritter in jene Bauhandwerkerbünde geströmt, um den Mythos der Rache für Hiram mit dem der Rache für Jacques de Molay zu verschmelzen. Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts gab es in London noch echte Bauhütten, sogenannte operative oder Werklogen, doch allmählich kamen, angelockt von ihren traditionellen Riten, immer mehr gelangweilte, wenngleich hoch geachtete Aristokraten hinzu, und so verwandelte sich die operative oder Werkmaurerei, die eine Angelegenheit echter Maurer gewesen war, in die spekulative Maurerei, die eine Geschichte symbolischer Maurer wurde. Angeregt vom ersten Großmeister der Englischen Großloge, John Theophilus Desaguliers, einem Freund Newtons, verfasste der protestantische Pastor Anderson die Constitutions für eine Loge von Maurerbrüdern im Geist des Deismus und begann, von den Maurerbrüderschaften als von viertausend Jahre alten Zünften zu sprechen, die auf die Erbauer des Salomonischen Tempels zurückgingen. Dies sind die Gründe für den freimaurerischen Mummenschanz mit Schürze, Winkelmaß, Zirkel und Hammer. Doch vielleicht gerade deshalb wurde die Freimaurerei nun Mode, attraktiv für die Adligen wegen der Stammbäume, die sie durchblicken ließ, aber mehr noch für die Bürger, denen sie nicht nur erlaubte, von gleich zu gleich mit den Adligen zu verkehren, sondern auch den Degen zu tragen. Elend der entstehenden modernen Welt: die Adligen brauchen ein Milieu, in dem sie sich mit den neuen Kapitalproduzenten treffen können, und diese – wen wundert's? – suchen dringend nach einer Legitimation.«

»Aber die Templer kamen doch, scheint's, erst später ins Spiel.«

»Der erste, der einen direkten Zusammenhang mit den Templern herstellte, war Ramsay, von dem ich jedoch lieber nicht sprechen möchte. Ich fürchte, er war von den Jesuiten inspiriert. Aus seiner Predigt ging dann die schottische Abart der Freimaurerei hervor.«

»Schottisch in welchem Sinne?«

»Der schottische Ritus ist eine deutsch‑französische Erfindung. Die Londoner Großloge hatte drei Initiationsgrade: Lehrling, Geselle und Meister. Die schottische Freimaurerei vervielfachte diese Grade, denn viele Grade bedeuteten viele Stufen der Initiation und des Geheimnisses... Die Franzosen mit ihrer angebotenen Eitelkeit haben es dann auf die Spitze getrieben... «

»Aber was war denn da für ein Geheimnis?«»Keins natürlich. Hätte es ein Geheimnis gegeben oder hätten sie es besessen, so hätte seine Komplexität die Komplexität der Initiationsgrade schon gerechtfertigt. Doch Ramsay multiplizierte die Grade, um glauben zu machen, dass er ein Geheimnis besitze. Und wir können uns vorstellen, wie die braven Kaufleute bebten bei dem Gedanken, sie könnten endlich die Fürsten der Rache werden... «

Agliè geizte nicht mit Freimaurerklatsch. Und beim Reden ging er, wie es seine Art war, allmählich zur ersten Person über.»Zu jener Zeit schrieb man in Frankreich bereits couplets über die neue Mode der Frimaçons, die Logen wucherten allenthalben, in ihnen zirkulierten Bischöfe, Mönche, Grafen und Krämer, und die Mitglieder des Königshauses wurden Großmeister. In den neutemplerischen Logen der Strikten Observanz dieses dubiosen Herrn von Hund waren Leute wie Goethe, Lessing, Mozart, Voltaire, es entstanden Logen im Militär, in den Regimentern bildeten sich Verschwörungen, um Hiram zu rächen, und man diskutierte über die bevorstehende Revolution. Für die andern war die Freimaurerei einfach eine société de plaisir, ein Club, ein Statussymbol. Da fand sich alles zusammen, Cagliostro, Mesmer, Casanova, Baron d'Holbach, d'Alembert... Aufklärer und Alchimisten, Libertins und Hermetiker. Und man sah's ja beim Ausbruch der Revolution, als die Mitglieder ein und derselben Loge sich plötzlich geteilt fanden und es schien, als trete die große Brüderschaft ein für allemal in die Krise... «

»Gab es da nicht einen Gegensatz zwischen Großem Orient und Schottischer Loge?«

»In Worten, ja. Ein Beispiel: In die Philosophenloge der Neuf Soeurs war auch Benjamin Franklin eingetreten, dem es natürlich um ihre laizistische Umwandlung ging – ihn interessierte nur die Unterstützung der amerikanischen Revolution –, aber zur selben Zeit war einer der Großmeister jener Graf von Milly, der nach einem Elixier für langes Leben suchte. Da er ein Idiot war, vergiftete er sich bei seinen Experimenten und starb. Oder denken Sie an Cagliostro: einerseits erfand er ägyptische Riten, andererseits war er in die Affäre mit dem Halsband der Königin involviert, also in einen Skandal, den die neuen bürgerlichen Schichten betrieben hatten, um das Ancien Regime zu diskreditieren. Jawohl, auch Cagliostro hatte die Finger mit drin, verstehen Sie? Versuchen Sie sich nur mal vorzustellen, mit was für Leuten man damals zusammenleben musste...«

»Muss hart gewesen sein«, sagte Belbo verständnisvoll.

»Aber was für Leute«, fragte ich,»waren diese Barone von Hund, die nach den Unbekannten Oberen suchten... «

»An den Rändern der bürgerlichen Farce waren Gruppen mit ganz anderen Zielen entstanden, die sich, um Anhänger zu gewinnen, notfalls auch mit den Freimaurerlogen zusammentaten, aber auf Höheres aus waren. An diesem Punkt kam es zur Diskussion über die Unbekannten Oberen. Leider jedoch war der Baron von Hund kein seriöser Mensch. Zuerst ließ er seine Adepten glauben, die Unbekannten Oberen seien die Stuarts. Dann erklärte er, Ziel seines Ordens sei die Wiedergewinnung der ursprünglichen Templergüter, und sammelte Gelder, wo er sie kriegen konnte. Da er nicht genug zusammenbekam, fiel er einem gewissen Starck in die Hände, der behauptete, er habe das Geheimnis der Goldfabrikation von den wahren Unbekannten Oberen erfahren, die in Petersburg säßen. Daraufhin scharten sich um von Hund und Starck allerlei Theosophen, Alchimisten, Gold‑ und Rosenkreuzer der letzten Stunde, und alle gemeinsam wählten als ihren Großmeister einen höchst integren Aristokraten, den Herzog Ferdinand von Braunschweig. Der freilich sofort begriff, in was für eine schlechte Gesellschaft er da geraten war. Ein anderes Mitglied der Strikten Observanz, der Landgraf Carl von Hessen‑Kassel, rief den Grafen von Saint‑Germain an seinen Hof, im Glauben, dieser Edelmann könne ihm Gold machen – und was wollen Sie, damals musste man sich den Launen der Herrschenden fügen... Doch jener Fürst hielt sich obendrein noch für Sankt Petrus. Ich versichere Ihnen, einmal musste der gute Lavater, als er bei dem Landgrafen zu Gast war, der Herzogin von Devonshire eine Szene machen, weil sie sich für Maria Magdalena hielt... «

»Aber all diese Willermoz und Martines de Pasqually, die eine Sekte nach der anderen gründeten... «

»Pasqually war ein Abenteurer. Er vollführte Geisterbeschwörungen in einer geheimen Kammer, die Engel erschienen ihm in Gestalt von Leuchtspuren und hieroglyphischen Zeichen. Willermoz hatte ihn ernst genommen, da er ein Enthusiast war, ehrlich, aber naiv. Er war fasziniert von der Alchimie, er dachte an das Große Werk, dem die Auserwählten sich widmen müssten, um den Verbindungspunkt der sechs edlen Metalle zu finden durch Erforschung der Maße in den sechs Lettern des ersten Namens Gottes, den Salomo seinen Erwählten kundgetan hatte.«

»Und weiter?«

»Willermoz gründete viele Obedienzen und trat in viele Logen gleichzeitig ein, wie es damals üblich war, stets auf der Suche nach einer definitiven Enthüllung und stets in der Furcht, sie könnte sich immer woanders ereignen, wie es in Wahrheit ja auch geschah – und dies ist vielleicht die einzige Wahrheit... So schloss er sich den Elus Cohens von Pasqually an. Doch 1872 verschwand Pasqually, fuhr übers Meer nach Santo Domingo und ließ alles im Stich. Wieso verdrückte er sich? Ich habe den Verdacht, dass er in den Besitz eines Geheimnisses gelangt war, das er mit niemandem teilen wollte. Jedenfalls verschwand er dann in Übersee so obskur, wie er's verdient hatte, Friede seiner Seele... «

»Und Willermoz?«

»In jenen Jahren waren alle erschüttert vom Tod Swedenborgs, eines Mannes, der den kranken Okzident vieles hätte lehren können, wenn der Okzident ihm Gehör geschenkt hätte, doch inzwischen verrannte sich das Jahrhundert immer mehr in den Wahn der Revolution, um die Ambitionen des Dritten Standes zu befriedigen... Nun, und genau in jenen Jahren hörte Willermoz von der Strikten Observanz des Möchtegerntemplers von Hund und war fasziniert. Es war ihm gesagt worden, dass ein Templer, der sich öffentlich als solcher erklärt, indem er eine öffentliche Templervereinigung gründet, kein Templer ist, aber das achtzehnte Jahrhundert war eine Epoche großer Gläubigkeit. Kurz, Willermoz probierte zusammen mit von Hund die verschiedenen Bündnisse durch, die hier auf Ihrer Liste stehen, bis der saubere Herr von Hund demaskiert wurde – ich meine, bis sich herausstellte, dass er einer von jenen Leuten war, die mit der Kasse durchbrennen – und ihn der Herzog von Braunschweig aus der Vereinigung ausschloss.«

Agliè warf einen weiteren Blick auf unsere Liste:»Ah ja, der gute Weishaupt, den hatte ich ganz vergessen. Die bayerischen llluminaten zogen anfangs mit ihrem schönen Namen viele edelgesinnte Geister an. Aber dieser Weishaupt war ein Anarchist, heute würden wir sagen, ein Kommunist, und wenn Sie wüssten, worüber man in jenen Kreisen damals schwadronierte – Staatsstreiche, Absetzung von Souveränen, Blutbäder... Wohlgemerkt, ich habe Weishaupt sehr bewundert, aber nicht wegen seiner Ideen, sondern wegen seiner sehr klaren Vorstellung von der Funktionsweise einer Geheimgesellschaft. Aber man kann glänzende organisatorische Ideen und sehr konfuse Ziele haben. Mit einem Wort, der Herzog von Braunschweig sah sich plötzlich gezwungen, die Konfusion zu verwalten, die der Baron von Hund hinterlassen hatte, und begriff, dass es in der deutschen Freimaurerei nun mindestens drei einander bekämpfende Strömungen gab: die esoterisch‑okkultistische, inklusive einiger Rosenkreuzer, die rationalistisch‑aufklärerische und die anarchisch‑revolutionäre der llluminaten. So schlug er den verschiedenen Logen vor, sich in Wilhelmsbad bei Hanau zu einem ›Konvent‹ zu treffen, wie man das damals nannte, wir könnten auch sagen: zu einer Versammlung der freimaurerischen Generalstände. Folgende Fragen sollten beantwortet werden: Entspringt der Orden wirklich einer uralten Initiationsgemeinschaft und wenn ja, welcher? Gibt es wirklich Unbekannte Obere, Wächter der uralten Überlieferung, und wenn ja, wer sind sie? Was ist das wahre Ziel des Ordens? Ist sein Endziel die Wiederherstellung des Ordens der Templerritter? Und so weiter, bis hin zu der Frage, ob sich der Orden mit Geheimwissenschaften beschäftigen sollte. Willermoz machte begeistert mit, endlich sollte er Antworten auf die Fragen bekommen, die er sich sein Leben lang inbrünstig gestellt hatte... Und dann kam der Fall de Maistre.«

»Welcher de Maistre?«fragte ich.»Joseph oder Xavier?«

»Joseph.«

»Der Reaktionär?«

»Nun, wenn er Reaktionär war, war er's nicht gründlich genug. Er war neugierig. Bedenken Sie, dass dieser treue Sohn der katholischen Kirche genau in dem Moment, als die Päpste anfingen, Bullen gegen die Freimaurer zu erlassen, in eine Loge eintrat, unter dem Namen Josephus a Floribus. Ja, er näherte sich den Freimaurern bereits 1773, als ein päpstliches Schreiben die Jesuiten verurteilte. Natürlich näherte sich ein Mann wie de Maistre den Logen vom Schottischen Ritus, das ist klar, er war kein bürgerlicher Illuminist im Sinne der Aufklärung, sondern ein Illuminé – und bitte beachten Sie den Unterschied, denn die Italiener nennen die Jacobiner Illuministen, während man in anderen Ländern mit demselben Ausdruck die Anhänger der Tradition bezeichnet, es ist schon wirklich ein kurioses Durcheinander... «

Agliè nippte an seinem Cognac, zog ein Etui aus fast weißem Metall hervor, entnahm ihm Cigarillos von ungewöhnlicher Form (»Die beziehe ich direkt aus London«, sagte er,»von derselben Firma wie die Zigarren, die Sie neulich bei mir zu Hause probiert haben. Bitte, bedienen Sie sich, die sind ganz vorzüglich...«) und blickte versonnen in die Ferne, während er weitersprach.

»Tja, de Maistre... Ein Mann von exquisiten Manieren, ihm zuzuhören war ein Genuss. Und er hatte sich große Autorität in den Kreisen der Eingeweihten erworben. Jedoch in Wilhelmsbad enttäuschte er die Erwartungen aller. Er schickte einen Brief an den Herzog, worin er die templerische Herkunft der Freimaurerei entschieden verneinte, desgleichen die Existenz der Unbekannten Oberen und die Nützlichkeit der esoterischen Wissenschaften. Er tat das aus Treue zur katholischen Kirche, aber mit Argumenten der bürgerlichen Aufklärung. Als der Herzog den Brief im Kreise Vertrauter vorlas, wollte es keiner glauben. Weiter erklärte de Maistre, der Zweck des Ordens sei lediglich eine spirituelle Läuterung und die traditionellen Zeremonien und Riten dienten einzig dazu, den mystischen Geist wachzuhalten. Er lobte die neuen Symbole der Freimaurerei, behauptete aber, ein Bild, das mehrere Dinge zugleich darstelle, stelle gar nichts mehr dar. Was nun freilich entschuldigen Sie – ganz eindeutig im Widerspruch zur gesamten hermetischen Tradition steht, denn ein Symbol ist um so machtvoller und bedeutsamer, je vieldeutiger und flüchtiger es ist, was würde sonst aus dem Geiste des Hermes, des Gottes mit den tausend Gesichtern? Was die Templer betraf, so sagte de Maistre bündig, ihr Orden sei im Geiste der Habsucht gegründet und von der Habsucht zerstört worden, das sei alles. Der Savoyarde konnte nicht vergessen, dass der Orden mit Billigung des Papstes zerschlagen worden war. Nie darf man sich auf die katholischen Legitimisten verlassen, so glühend ihre hermetische Neigung auch sein mag. Auch seine Antwort auf die Frage nach den Unbekannten Oberen war lächerlich: Es gebe sie nicht, und der Beweis dafür sei, dass wir sie nicht kennten. Worauf ihm erwidert wurde, gewiss kennten wir sie nicht, sonst wären sie ja keine Unbekannten, und sagen Sie selbst, ob Ihnen seine Art zu argumentieren besonders logisch erscheint. Seltsam, dass ein Gläubiger seines Schlages so wenig Sinn für das Geheimnis hatte. Nach all diesen Ausführungen formulierte de Maistre seinen Schlussappell: Kehren wir zum Evangelium zurück, und lassen wir die Narreteien von Memphis! Womit er nur die altbekannte Linie der Kirche vertrat. Begreifen Sie nun, in welchem Klima sich das Wilhelmsbader Treffen vollzog? Nach dem Abfall einer Autorität wie de Maistre sah sich Willermoz in der Minderheit und konnte allenfalls noch einen Kompromiss erzielen. Der templerische Ritus wurde zwar beibehalten, aber jede Aussage über die Herkunft wurde vertagt, im ganzen also ein Fehlschlag. Auf jenem Konvent verlor das Schottentum seine Chance. Wären die Dinge anders gelaufen, hätte sich die Geschichte des Jahrhunderts vielleicht ganz anders entwickelt.«

»Und danach?«fragte ich.»Hat man nichts wieder zusammenflicken können?«

»Was gab es denn da noch zusammenzuflicken, um Ihre Terminologie zu benutzen... Drei Jahre später lag ein gewisser Lanz, ein Pfarrer, der sich dem Illuminatenorden angeschlossen hatte, vom Blitz erschlagen bei Regensburg in einem Wald. Man fand bei ihm Instruktionen des Ordens, die bayerische Regierung griff ein, man entdeckte, dass Weishaupt ein Komplott gegen die Regierung schmiedete, und im Jahr darauf wurde der Orden verboten. Und nicht nur das, man publizierte auch Schriften von Weishaupt, Schriften mit den angeblichen Projekten der Illuminaten, die das ganze deutsche und französische Neutemplertum für ein Jahrhundert diskreditierten... Beachten Sie, dass Weishaupts Illuminaten höchstwahrscheinlich auf Seiten der jakobinischen Freimaurer standen und sich in die neutemplerische Strömung eingeschleust hatten, um sie zu zerstören. Es war gewiss kein Zufall, dass jener böse Geist den Grafen Mirabeau, den Tribun der Revolution, auf seine Seite gezogen hatte. Darf ich Ihnen etwas im Vertrauen sagen?«

»Bitte.«

»Männer wie ich, die daran interessiert sind, die Fäden einer verlorenen Überlieferung wieder zusammenzuknüpfen, stehen verwirrt vor einem Ereignis wie dem Konvent zu Wilhelmsbad. Jemand muß da alles erraten, aber geschwiegen haben, jemand hat da Bescheid gewusst und gelogen. Und danach war's zu spät, erst das revolutionäre Durcheinander, dann die klaffende Meute der Okkultisten... Schauen Sie sich Ihre Liste an, eine Kirmes der Gutgläubigkeit und der Betrügerei, Intrigen, gegenseitige Exkommunikationen, Geheimnisse, die in aller Munde sind. Das Theater des Okkultismus.«

»Sie meinen, die Okkultisten sind nicht sehr vertrauenswürdig?«fragte Belbo.

»Sie müssen den Okkultismus von der Esoterik unterscheiden. Die Esoterik ist die Suche nach einem Wissen, das sich nur durch Symbole tradiert, die für Nichteingeweihte versiegelt sind. Der Okkultismus hingegen, der sich im neunzehnten Jahrhundert ausbreitet, ist nur die Spitze des Eisbergs, das wenige, was vom esoterischen Geheimnis auftaucht. Die Templer waren Initiierte, und der Beweis dafür ist, dass sie, als sie gefoltert wurden, lieber starben, als ihr Geheimnis preiszugeben. Die Kraft, mit welcher sie es verbargen, macht uns ihrer Initiation gewiss und erfüllt uns mit Sehnsucht nach dem, was sie wussten. Der Okkultist hingegen ist ein Exhibitionist, und wie Péladan sagte, ein aufgedecktes Initiationsgeheimnis ist zu nichts mehr nütze. Leider war Péladan kein Initiierter, sondern bloß ein Okkultist. Das neunzehnte Jahrhundert ist das Jahrhundert der Angeberei. Alle bemühen sich unentwegt, irgendwelche Geheimnisse aufzudecken – die Geheimnisse der Magie, der Theurgie, der Kabbala, der Tarotkarten. Und womöglich glauben sie auch noch daran... «

Agliè überflog den Rest unserer Liste, nicht ohne da und dort mitleidig zu lächeln.»Die arme Helena Petrowna. Eine brave Frau im Grunde, aber sie hat nichts gesagt, was nicht schon auf allen Mauern geschrieben stand... De Guaita, ein süchtiger Bibliomane. Papus, na wohl bekomm's... «

Dann stutzte er plötzlich.

»Tres... Woher haben Sie das? Aus welchem Manuskript?«

Bravo, dachte ich, er hat den Zusatz bemerkt. Wir blieben vage:»Ach wissen Sie«, sagte ich,»die Liste ist beim Durchblättern verschiedener Texte zusammengestellt worden, und das meiste haben wir wieder gestrichen, weil's wirklich Unsinn war. Wissen Sie noch, woher dieses Tres kam, Belbo?«

»Glaube nicht. Du, Diotallevi?«

»Och, das war schon vor Tagen... Ist das wichtig?«

»Nein, nein, ganz und gar nicht«, versicherte uns Agliè.»Ich frage nur, weil ich es noch nie gehört habe. Wissen Sie wirklich nicht mehr, wer das zitiert hat?«

Es tat uns sehr leid, wir konnten uns nicht erinnern.

Agliè zog seine Uhr aus der Weste.»Mein Gott, ich habe ja noch eine andere Verabredung. Entschuldigen Sie mich.«

Er eilte davon, und wir blieben noch, um die Lage zu diskutieren.

»Jetzt ist alles klar. Die Engländer haben die Idee mit der Freimaurerei lanciert, um alle Initiierten in ganz Europa um Bacons Projekt zu versammeln.«

»Aber das Projekt ist nur halb gelungen: die Idee der Baconianer war so faszinierend, das sie unerwartete Resultate erbrachte. Die sogenannte schottische Strömung missverstand den neuen Geheimbund als eine Möglichkeit zur Rekonstruktion der unterbrochenen Abfolge und nahm Kontakt zu den deutschen Templern auf.«

»Agliè findet die Sache unverständlich. Das ist klar. Nur wir können jetzt sagen, was passiert ist – was wir wollen, dass passiert sei. Also: die verschiedenen nationalen Gruppen geraten miteinander in Streit, ich würde nicht ausschließen, dass dieser Martines de Pasqually ein Agent der portugiesischen Gruppe ist, die Engländer desavouieren die Schotten, sprich die Franzosen, die Franzosen sind in zwei Lager geteilt, in das pro‑englische und das pro‑deutsche. Die Freimaurerei ist nur der äußere Deckmantel, der Vorwand, unter dem all diese Agenten verschiedener Gruppen – Gott weiß, wo die Paulizianer und die Jerusalemer geblieben sein mögen – sich treffen und sich bekämpfen, um sich gegenseitig ein Stückchen des Geheimnisses zu entreißen.«

»Die Freimaurerei als so was wie Ricks Café Américain in Casablanca«, sagte Belbo.»Das Gegenteil dessen, was man gemeinhin glaubt. Die Freimaurerei ist kein Geheimbund.«

»Nein, wirklich nicht, nur ein Freihafen, wie Macao. Eine Fassade. Das Geheimnis ist woanders.«

»Arme Maurer.«

»Der Fortschritt verlangt seine Opfer. Aber geben Sie zu, dass wir dabei sind, eine immanente Rationalität der Geschichte wiederzufinden.«

»Die Rationalität der Geschichte ist das Resultat einer guten Neuschrift der Torah«, sagte Diotallevi.»Und genau die betreiben wir hier, und gelobt sei der Name des Allerhöchsten immerdar.«

»Na gut«, schloss Belbo.»Jetzt haben die Baconianer also Saint‑Martin‑des‑Champs, und der deutschfranzösische Neutemplerismus zerfällt in eine Myriade von Sekten... Aber wir haben immer noch nicht entschieden, um welches Geheimnis es eigentlich geht«

»In der Tat, das habt ihr noch nicht«, sagte Diotallevi.

»Ihr? Hier sind wir alle drei gefragt. Wenn wir das nicht ordentlich klären, stehen wir dumm da.«

»Vor wem?«

»Vor der Geschichte, vor dem Tribunal der Wahrheit.«

» Quid est veritas? «fragte Belbo.

»Wir«, sagte ich.

 

77

 

 

Dieses Kraut wird von den Philosophen Teufelsaustreiber genannt. Es ist experimentell erwiesen, daß nur dieser Samen die Teufel und ihre Halluzinationen vertreibt.. Man hat einem jungen Mädchen davon gegeben, das bei Nacht von einem Teufel gequält wurde, und da hat ihn das Kraut in die Flucht geschlagen.

Johannes a Rupescissa, Tratatus de quinta essentia, II

 

In den folgenden Tagen vernachlässigte ich den Großen Plan. Lias Schwangerschaft näherte sich dem Ende, ich blieb nun bei ihr, sooft ich konnte. Sie beruhigte mich, ich solle mir keine Sorgen machen, es sei noch nicht soweit. Sie nahm an einem Kurs für schmerzlose Geburt teil, und ich versuchte, ihre Übungen mitzumachen. Sie hatte es abgelehnt, sich von der Wissenschaft voraussagen zu lassen, welches Geschlecht das Kind haben würde. Sie wollte die Überraschung. Ich hatte ihren exzentrischen Wunsch akzeptiert. Ich tastete ihr den Bauch ab und fragte mich nicht, was da herauskommen würde, wir nannten es einfach das Kleine, das Ding.

Ich fragte sie nur, wie ich ihr bei der Geburt würde helfen können.»Es ist doch auch meins, das Kleine«, sagte ich.»Ich will nicht den werdenden Vater spielen, wie man ihn aus dem Kino kennt, der nervös auf dem Korridor hin und her rennt und sich eine Zigarette an der andern ansteckt.«

»Pim, viel mehr wirst du nicht tun können. Es kommt ein Moment, der ganz allein meine Sache ist Und außerdem rauchst du nicht und wirst dir's ja wohl nicht bei dieser Gelegenheit angewöhnen wollen.«

»Also was mache ich dann?«

»Du beteiligst dich vorher und nachher. Nachher, wenn es ein Junge ist, erziehst du ihn, bildest ihn, verschaffst ihm einen schönen Ödipus, wie sich's gehört, stellst dich dem rituellen Vatermord, wenn der Moment gekommen ist, lächelnd und ohne Geschichten zu machen, und dann zeigst du ihm eines Tages dein miserables Büro, die Karteikästen, die Druckfahnen der wunderbaren Geschichte der Metalle und sagst, mein Sohn, dies alles wird eines Tages dir gehören.«

»Und wenn es ein Mädchen ist?«

»Dann sagst du, meine Tochter, dies alles wird eines Tages deinem Nichtsnutz von Gatten gehören.«

»Und vorher?«

»Wenn die Wehen kommen, vergeht dazwischen immer eine gewisse Zeit, die man zählen muß, denn je kürzer die Zeit zwischen den Wehen wird, desto näher kommt der Moment. Wir werden zusammen zählen, und du wirst mir den Takt geben, wie beim Rudern auf den Galeeren. Es wird so sein, als ob auch du unser Kleines Ding langsam aus seiner warmen dunklen Höhle herausholst. Das Arme... Fühlst du's, jetzt geht's ihm so gut da im Dunkeln, es süffelt genüsslich Säfte wie eine Zecke, alles gratis, und dann plötzlich, peng, kommt es rausgeschossen ans Sonnenlicht, blinzelt und sagt, Teufel, wo bin ich da hingeraten?«

»Das arme Ding. Und dabei kennt es noch gar nicht den Signor Garamond. Komm, probieren wir mal zu zählen.«

Wir zählten im Dunkeln und hielten uns an den Händen. Ich fantasierte. Das Kleine Ding da in Lias Bauch, das war etwas Wahres, Echtes, das durch seine Geburt allem Unsinn der Diaboliker Sinn geben würde. Arme Diaboliker, die ihre Nächte damit verbrachten, sich chymische Hochzeiten auszudenken und sich zu fragen, ob am Ende wirklich acht‑zehnkarätiges Gold herauskommen würde und ob der Stein der Weisen der lapis exillis wäre, ein kläglicher Gral aus Steingut – während mein Gral hier in Lias Bauch war.

»Ja«, sagte Lia und strich sich über die straffe Wölbung des Bauches,»in diesem Gefäß hier vergärt deine gute Prima Materia. Was dachten denn diese Leute, die du in dem Schloss gesehen hast damals, was in dem Gefäß passiert?«

»Och, die dachten, da grummelt die Melancholie, da brodelt die Schwefelerde, das schwarze Blei, das Saturnische Öl, da blubbert ein Styx aus Aufweichungen, Sättigungen, Durchtränkungen, Verflüssigungen, Vermischungen, Versenkungen, fauliger Erde, stinkigen Leichen... «

»Igitt, was waren das denn für Leute? Waren die impotent? Wussten die nicht, daß in dem Gefäß unser Kleines heranwächst, ein rundum blankes, schönes, rosiges Ding?«

»Sicher wussten sie das, aber für die ist auch dein Bauch eine Metapher voller Geheimnisse... «

»Da sind aber keine Geheimnisse, Pim. Wir wissen sehr gut, wie sich das Kleine da bildet, mit seinen Nervchen und Müskelchen und Öhrchen und Milzchen und Bauchspeicheldrüselchen... «

»Heiliger Himmel, wie viele Milzen soll es denn haben? Ist es etwa Rosemary's Baby?«

Date: 2015-12-13; view: 322; Íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ; Ïîìîùü â íàïèñàíèè ðàáîòû --> ÑÞÄÀ...



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