Ãëàâíàÿ Ñëó÷àéíàÿ ñòðàíèöà


Ïîëåçíîå:

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Tifereth 5 page





 

Die Königin ist tot, es lebe der König... Ich war jetzt ein ungelegener Mitwisser. Er lockte mich in einen Hinterhalt, es war ein Abend, an dem die Dark Lady endlich hätte die meine sein können, und sie tanzte in meinen Armen, verloren unter der Herrschaft von Kräutern, die Visionen erzeugen können, Sie, die ewige Sophia, mit ihrem Runzelgesicht einer alten Gemse... Er trat herein mit einer Handvoll Bewaffneter, ließ mir die Augen mit einem Lappen verbinden, und jäh begriff ich: das Vitriol! Und wie Sie lachte, wie Du lachtest, Pin Ball Lady – oh maiden virtue rudely strumpeted, oh gilded honour shamefully misplac'd! – indes er dich mit seinen gierigen Händen betatschte und du ihn Simon nanntest und ihm die sinistre Narbe küsstest...

In den Tower mit ihm, in den Tower! lachte der Verulam. Und seither liege ich hier, zusammen mit dieser menschlichen Larve, die sich Soapes nennt, und die Wärter kennen mich nur als Surabaya‑Jim. Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin – und leider auch Theologie! durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.

 

Durch eine Fensterscharte habe ich die Königshochzeit mit angesehen, samt den Rittern vom Roten Kreuz, die beim Klang der Trompeten parodierten. Ich hätte der Trompeter sein müssen, Cecilia wusste es, und ein weiteres Mal ward mir der Preis vorenthalten, das Ziel. William blies die Trompete. Ich schrieb im Schatten, für ihn.

– Ich will dir sagen, wie du dich rächen kannst, raunte Soapes mir zu, und an jenem Tage enthüllte er mir, wer er wirklich war: ein bonapartistischer Abbé, seit Jahrhunderten begraben in diesem Verlies.

– Werde ich je hier rauskommen? fragte ich ihn.

– If..., begann er zu antworten. Doch dann verstummte er. Mit dem Blechlöffel an die Mauer klopfend, in einem mysteriösen Alphabet, das er von Trithemius gelernt hatte, wie er mir anvertraute, sandte er Botschaften an jemanden, der in der Nachbarzelle saß. Der Graf von Montsalvat.

 

Jahre sind vergangen. Soapes hat nie aufgehört, an die Mauer zu klopfen. Inzwischen weiß ich, für wen und zu welchem Zweck. Der Empfänger heißt Noffo Dei. Und dieser Dei (kraft welcher mysteriösen Kabbala klingen die Namen Dei und Dee so ähnlich? Wer hat die Templer denunziert?), dieser Dei hat, von Soapes unterwiesen, Bacon denunziert. Was er gesagt hat, weiß ich nicht, aber vor ein paar Tagen wurde der Verulamius in den Kerker geworfen. Unter Anklage der Sodomie, weil, wie behauptet wird (und ich zittere bei dem Gedanken, daß es wahr sein könnte), weil Du, my Dark Lady, die Schwarze Jungfrau der Druiden und der Templer, nichts anderes warst und nichts anderes bist als der ewige Androgyn, hervorgegangen aus den wissenden Händen wessen, ja wessen? Jetzt, ja jetzt weiß ich's: deines Geliebten, des Grafen von Saint‑Germain! Doch wer ist jener Saint‑Germain, wenn nicht Bacon (wie viele Dinge weiß Soapes, dieser obskure Templer mit den vielen Leben...)?

 

Bacon ist aus dem Kerker entlassen worden, er hat durch magische Künste die Gunst des Monarchen zurückgewonnen. Jetzt verbringt er, sagt William, die Nächte am Ufer der Themse, in Pilad's Pub, beim Spiel an jener sonderbaren Maschine, die ihm ein Nolaner erfunden hat, den er dann in Rom auf dem Campo de' Fiori entsetzlich verbrennen ließ, nachdem er ihn zu sich nach London geholt hatte, um ihm sein Geheimnis zu entlocken, eine astrale Maschine, Verschlingerin rasender Kugeln, die er durch infinite Universen und Welten jagt, in einem Gefunkel himmlischer Lichter, indem er als triumphierende Bestie dem Gehäuse obszöne Stöße mit dem Schambein versetzt, um die Bewegungen der Himmelskörper zu fingieren im Haus der Dekane und die letzten Geheimnisse seiner Magna Instauratio zu verstehen und endlich auch das Geheimnis des Neuen Atlantis – eine Maschine, die er Gottlieb's genannt hat, zum Hohn auf die heilige Sprache der Andreae zugeschriebenen Manifeste... Ah! rufe ich aus (s'écria‑t‑il), nun bei klarem Bewusstsein, aber zu spät und vergebens, während das Herz mir sichtbar unter den Bändern des Wamses schlägt: darum also nahm er mir die Trompete weg, das Amulett, den Talisman, die kosmische Fessel, die den Dämonen zu befehlen vermochte! Was wird er nun aushecken in seinem Salomonischen Haus? Es ist spät, ich wiederhole mich, inzwischen hat er zu viel Macht bekommen.


 

Bacon soll gestorben sein, heißt es. Soapes versichert mir, daß es nicht wahr sei. Niemand habe die Leiche gesehen. Er lebe weiter unter falschem Namen am Hof des Landgrafen von Hessen, nun in die höchsten Mysterien eingeweiht und somit unsterblich geworden, bereit, seine finstere Schlacht für den Sieg des Großen Planes weiterzutreiben, in seinem Namen und unter seiner Kontrolle.

Nach diesem vermeintlichen Tod kam mich William besuchen, mit seinem heuchlerischen Lächeln, das mir die Gitterstäbe nicht zu verbergen vermochten. Er fragte mich, wieso ich ihm in Sonett III etwas von einem Färber geschrieben habe, er zitierte den Vers: To what it works in, like the dyer's hand...

– Nie habe ich diese Worte geschrieben, sagte ich. Und es stimmte... Kein Zweifel, Bacon hatte sie eingefügt, bevor er verschwand, um ein geheimes Signal an jene zu senden, die nun den Grafen von Saint‑Germain an ihren Höfen aufnehmen sollen, als einen Experten für Tinkturen und Farben... Ich glaube, in Zukunft wird er versuchen, die Leute glauben zu machen, er habe die Werke Williams geschrieben. Wie hell und klar nun auf einmal alles wird, wenn man es aus dem Dunkel eines Verlieses betrachtet!

 

Where art thou, Muse, that thou forget'st so long? Ich fühle mich müde, krank. William erwartet neues Material von mir für seine albernen Clownerien im Globe.

Soapes schreibt. Ich schaue ihm über die Schulter. Er kritzelt eine unverständliche Botschaft: Rivverrun, past Eve and Adam's... Er verdeckt das Blatt mit den Händen, sieht mich an, sieht mich bleicher werden als ein Gespenst, liest den Tod in meinen Augen. – Ruh dich aus, sagt er leise. Hab keine Angst. Ich werde für dich schreiben.

Und so tut er's nun, als Maske einer Maske. Ich erlösche allmählich, und er entzieht mir auch noch das letzte Licht, das der Dunkelheit.

 

 

74

 

 

Obgleich er guten Willens ist, scheinen sein Geist und seine Prophezeiungen offenkundiges Teufelswerk... Sie sind imstande, viele neugierige Menschen zu täuschen und der Kirche Gottes Unseres Herrn großen Schaden und Ärger zu verursachen.

Gutachten über Guillaume Postel, an Ignatius von Loyola geschickt von den Jesuiten‑Patres Salmeron, Lhoost und Ugoletto am 10. Mai 1545

 

Entspannt erzählte uns Belbo, was er sich ausgedacht hatte, ohne uns seine Seiten vorzulegen und ohne alle privaten Bezüge. Ja, er ließ uns sogar glauben, Abulafia habe ihm die Kombinationen geliefert. Dass Francis Bacon der wahre Verfasser der Rosenkreuzer‑Manifeste gewesen sei, hatte ich schon irgendwo einmal gelesen, aber eine Bemerkung überraschte mich: dass Bacon auch Viscount of Saint Albans war.

Etwas ging mir im Kopf herum, etwas im Zusammenhang mit meiner alten Dissertation. Die folgende Nacht verbrachte ich schlaflos über meinen Karteien.


»Meine Herren«, begrüßte ich am nächsten Morgen einigermaßen feierlich meine Komplizen,»wir können gar keine Zusammenhänge erfinden. Es gibt sie. Als Bernhard von Clairvaux die Idee eines Konzils lancierte, um die Templer zu legitimieren, war unter denen, die mit der Organisation der Sache beauftragt wurden, auch der Prior von Saint Albans, der unter anderem den Namen des ersten englischen Märtyrers trug, des Evangelisators der Britischen Inseln, und der stammte genau aus Verulam, dem Familiensitz Bacons! Sankt Alban, Kelte und zweifellos Druide, war ein Initiierter genau wie Sankt Bernhard.«

»Ist das alles?«fragte Belbo.

»Warten Sie ab. Dieser Prior von Sankt Alban war zugleich auch Abt von Saint‑Martin‑des‑Champs, dem Kloster, in welchem später das Conservatoire des Arts et Metiers installiert werden sollte!«

Belbo fuhr hoch.»Donnerwetter!«

»Und damit nicht genug. Das Conservatoire war ausdrücklich als Hommage an Francis Bacon gedacht Am 25. Brumaire des Jahres III ermächtigte der Konvent sein Comité d'Instruction Publique zum Druck der gesammelten Werke von Bacon. Und am 19. Vendemiaire desselben Jahres verabschiedete derselbe Konvent ein Gesetz zum Bau eines Hauses der Künste und Handwerke, das die Idee jenes Salomonischen Hauses realisieren sollte, von dem Bacon in seiner Nova Atlantis spricht und das er als den Ort beschreibt, an dem alle technischen Erfindungen der Menschheit versammelt sein würden.«

»Na und?«fragte Diotallevi.

»Na, und im Conservatoire hängt doch das Pendel!«sagte Belbo. Und an der Reaktion von Diotallevi sah ich, dass Belbo ihm von seinen Reflexionen über das Foucaultsche Pendel erzählt haben musste.

»Langsam, langsam«, bremste ich.»Das Pendel ist erst im vorigen Jahrhundert erfunden und installiert worden. Lassen wir das lieber erst mal beiseite.«

»Das Pendel beiseite lassen?«fragte Belbo.»Haben Sie nie einen Blick auf die Hieroglyphische Monade von John Dee geworfen, den Talisman, der alle Weisheit des Universums in sich vereinigen sollte? Sieht der nicht aus wie ein Pendel?«

 

Monas Ieroglyphica

 

aus J. V. Andrae, Die Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz, Straßburg, Zentzner, 1616, p. 5

 

»Na schön«, sagte ich,»nehmen wir an, dass sich ein Zusammenhang zwischen den beiden Fakten herstellen lässt Aber wie gelangt man von Sankt Alban zum Pendel?«

Ich wusste es nach wenigen Tagen.

»Also, der Prior von Saint Albans war Abt von Saint‑Martin‑des‑Champs, das infolgedessen zu einem protempletischen Zentrum wurde. Bacon stellte über seinen Stammsitz einen Initiationskontakt zu den Druiden im Gefolge von Sankt Alban her. Und jetzt aufgepasst: Genau zu der Zeit, als Bacon seine Karriere in England beginnt, endet in Frankreich die von Guillaume Postel.«


(Ich bemerkte ein winziges Zucken in Belbos Gesicht und dachte an den Dialog auf der Vernissage von Riccardo: Postel erinnerte ihn an den, der ihm Lorenza entfremdet hatte. Doch es war nur ein kurzer Augenblick.)

»Postel lernt Hebräisch und versucht zu beweisen, dass es die gemeinsame Matrix aller Sprachen sei, er übersetzt den Sohar und den Bahir, er nimmt Kontakt zu den Kabbalisten auf, lanciert ein Projekt für den Weltfrieden ähnlich dem der Rosenkreuzer, sucht den König von Frankreich für ein Bündnis mit dem Sultan zu gewinnen, bereist Griechenland, Syrien und Kleinasien, lernt Arabisch – mit einem Wort, er reproduziert den Bildungsweg des Christian Rosencreutz. Und nicht zufällig unterzeichnet er einige seiner Werke mit dem Namen Rosispergius, ›Morgentau‑Sprenger‹. Und Gassendi schreibt in seinem Examen Philosophiae Fluddanae, dass Rosencreutz nicht von rosa komme, sondern von ros, also Morgentau. In einem seiner Manuskripte spricht er von einem Geheimnis, das es zu hüten gelte, bis die Zeit gekommen sei, und sagt: ›Damit die Perlen nicht vor die Säue geworfen werden.‹ Und wissen Sie, wo dieses Bibelzitat wieder auftaucht? Auf dem Frontispiz der Chymischen Hochzeit. Und Pater Marinus Mersenne sagt, um den Rosenkreuzer Fludd anzuprangern, er sei vom selben Schlage wie der atheus magnus Guillaume Postel. Andererseits scheint es, dass Dee und Postel sich anno 1550 getroffen haben, und vielleicht wussten sie da noch gar nicht und sollten es erst dreißig Jahre später wissen, dass sie die beiden Großmeister waren, die sich dem Großen Plan zufolge anno 1584 treffen sollten... Nun erklärt aber Postel, hört, hört, dass der König von Frankreich in seiner Eigenschaft als direkter Nachfahre des ältesten Sohnes von Noah – also des Stammvaters der keltischen Sippe und somit der Druidenkultur – der einzige legitime Anwärter auf den Titel des Königs der Welt sei. Jawohl, des Königs der Welt von Agarttha, und das sagt Postel drei Jahrhunderte vor Saint‑Yves d'Alveydre! Lassen wir auf sich beruhen, dass er sich in eine alte Vettel namens Johanna verliebte und sie als die göttliche Sophia betrachtete, der Gute hatte wohl in dem Punkt nicht alle richtig beisammen. Beachten wir aber, dass er mächtige Feinde hatte, die ihn als elenden Hund beschimpften, als schändliches Ungeheuer, als Kloake aller denkbaren Häresien, besessen von einer Legion Dämonen. Und trotzdem, ungeachtet des Skandals mit der Johanna, betrachtete ihn die Inquisition nicht als einen Häretiker, sondern nur als amens, sagen wir: ein bisschen plemplem. Mit anderen Worten, man wagt es nicht, den Mann zu vernichten, weil man weiß, dass er der Sprecher einer ziemlich mächtigen Gruppe ist. Speziell für Diotallevi weise ich darauf hin, dass Postel auch den Orient bereist hatte und ein Zeitgenosse von Isaak Luria war, ziehen Sie daraus die Ihnen passend erscheinenden Schlüsse. Tja, und 1564 (im selben Jahr, als Dee seine Monas Ieroglyphica schreibt) widerruft Postel seine Häresien und zieht sich zurück in – na, raten Sie mal, wohin? –, in das Kloster Saint‑Martin‑des‑Champs! Und worauf wartet er dort? Offenkundig auf das Jahr 1584.«

»Offenkundig«, bestätigte Diotallevi.

»Eben. Und ist Ihnen klar, was das heißt? Postel war der Großmeister der französischen Gruppe, der auf das Treffen mit der englischen Gruppe wartete. Aber er starb 1581, drei Jahre vor dem Treffen. Woraus zweierlei folgt: erstens, zu dem Zwischenfall von 1584 ist es gekommen, weil im entscheidenden Moment ein scharfsinniger Kopf wie Postel gefehlt hat, der imstande gewesen wäre, die Sache mit der Kalenderkonfusion zu kapieren; und zweitens, Saint‑Martin war ein Ort, wo die Templer seit jeher zu Hause waren und wohin sich der Mann zurückzog, der mit der Durchführung des dritten Treffens beauftragt war. Saint‑Martin‑des‑Champs war das Refugium!«

»Alles fügt sich zusammen wie in einem Mosaik.«

»Nun folgen Sie mir noch ein Stück weiter. Zur Zeit des versäumten Treffens ist Bacon erst zwanzig Jahre alt. Aber 1621 wird er Viscount von Saint Albans. Was findet er in dem gerbten Besitz? Geheimnis. Tatsache ist, dass er genau in dem Jahr der Korruption beschuldigt wird und für einige Zeit ins Gefängnis muß. Bacon hat etwas gefunden, das jemandem angst macht. Wem? Nun, sicher hat Bacon zu jener Zeit begriffen, dass Saint‑Martin kontrolliert werden muß, und fasst die Idee, dort sein Salomonisches Haus zu errichten, das Laboratorium, das ihm erlauben soll, auf experimentellem Weg das Geheimnis zu lüften.«

»Aber was«, fragte Diotallevi,»wäre dann das Bindeglied zwischen den Erben Bacons und den revolutionären Gruppen am Ende des achtzehnten Jahrhunderts?«

»Vielleicht die Freimaurerei?«meinte Belbo.

»Glänzende Idee. Im Grunde hatte Agliè sie uns schon an dem Abend im Schloss suggeriert.«

»Man müsste die Ereignisse rekonstruieren. Was genau ist damals in jenen Kreisen geschehen?«

 

75

 

 

Dem ewigen Schlaf... würden somit nur jene entrinnen, die es schon im Leben verstanden haben, ihr Bewußtsein auf höhere Formen auszurichten. Die Initiierten, die Adepten, stehen an der Grenze eines solchen Weges. Nachdem sie zur Erinnerung gelangt sind, zur Anamnesis nach den Begriffen Plutarchs, werden sie frei, gehen ohne Fesseln, zelebrieren gekrönt die»Mysterien«und sehen auf der Erde die Menge derer, die nicht initiiert und nicht»rein«sind, einander zertreten und in den Schlamm und die Finsternis stoßen.

Julius Evola, La tradizione ermetica, Rom, Edizioni Mediterranee, 1971, p. lll

 

In schöner Selbstsicherheit bewarb ich mich für eine rasche und präzise Recherche. Hätte ich sie nur nicht versprochen! Ich versank in einem Wust von Büchern, einem Morast, der historische Studien neben hermetischen Fantastereien enthielt, ohne daß es immer leicht war, die zuverlässigen Nachrichten von den gefaselten zu unterscheiden. Eine Woche lang ackerte ich wie ein Automat, und am Ende beschränkte ich mich darauf, eine krude, fast unverständliche Liste von Sekten, Logen und Geheimbünden anzulegen. Nicht ohne dabei immer wieder zusammenzuzucken, wenn ich auf bekannte Namen stieß, die ich nie in dieser Gesellschaft erwartet hätte, und auf chronologische Koinzidenzen, die mir bemerkenswert erschienen. Ich zeigte das Dokument meinen beiden Komplizen.

1645 London: Aschmole gründet, rosenkreuzerisch beeinflusst, das Invisible College. 1662 Aus dem Invisible College geht die Royal Society hervor und aus dieser, wie jeder weiß, die Freimaurerei. 1666 Paris: Académie des Sciences. 1707 Geburt von Claude‑Louis de Saint‑Germain, wenn er wirklich geboren wurde. 1717 Gründung der Londoner Großloge. 1721 Anderson verfasst die»Konstitutionen«der englischen Freimaurerei. Peter der Große, in London initiiert, gründet eine Loge in Russland. 1730 Montesquieu, zu Besuch in London, wird initiiert. 1737 Ramsay behauptet in seinem Discours, daß die Freimaurer von den Templern abstammten. Dies ist der Ursprung des»schottischen«, d. h. neutemplerischen Ritus, der fortan im Kampf mit der Londoner Großloge liegen wird. 1738 Friedrich II., damals noch Kronprinz von Preußen, lässt sich initiieren. Als Friedrich der Große wird er zum Beschützer der Enzyklopädisten. 1740 In Frankreich entstehen diverse»schottische«Logen: die Écossais Fidèles in Toulouse, der Souverain Conseil Sublime, die Mère Loge Écossaise du Grand Globe Français,, das Collège des Sublimes Princes du Royal Secret in Bordeaux, die Cour des Souverains Commandeurs du Temple in Carcassonne, die Philadelphes in Narbonne, das Chapitre des Rose‑Croix in Montpellier, die Sublimes Élus de la Vérité... 1743 Erster öffentlicher Auftritt des Grafen von Saint‑Germain. In Lyon entsteht der Grad des Ritters Kadosch, des Rächers der Templer. 1753 Willermoz gründet die Loge de la Parfaite Amitié. 1754 Martines de Pasqually gründet den Temple des Élus Cohens (nach anderen Quellen erst 1760). 1756 Baron von Hund gründet den templerischen Orden der Strikten Observanz. Manche sagen, auf Anregung Friedrichs des Großen. Zum ersten Mal ist die Rede von den Unbekannten Oberen. Jemand insinuiert, die Unbekannten Oberen seien Friedrich und Voltaire. 1758 Saint‑Germain erscheint in Paris und bietet dem König seine Dienste als Chemiker und Tinkturen‑Experte an. Er verkehrt im Salon der Pompadour. 1759 Bildung eines Souverain Conseil des Empereurs d’Orient et d’Occident, der drei Jahre später die Constitutions et Règlement de Bordeaux verfaßt, woraus der Alte und Angenommene Schottische Ritus hervorgegangen sein soll (der aber offiziell erst 1801 auftritt). Kennzeichnend für den Schottischen Ritus wird die Multiplikation der Hochgrade bis zu dreiunddreißig. 1760 Saint‑Germain in undurchsichtiger diplomatischer Mission in Holland. Muss fliehen, wird in London verhaftet und wieder freigelassen. Dom Joseph Pernety gründet die Illuminés d'Avignon. Martines de Pasqually gründet die Chevaliers Maçons Élus de l’Univers. 1762 Saint‑Germain in Russland. 1763 Casanova begegnet Saint‑Germain in Belgien: der Graf lässt sich de Surmont nennen und verwandelt eine Münze in Gold. Willermoz gründet das Souverain Chapitre des Chevaliers de l'Aigle Noire Rose‑Croix. 1768 Willermoz schließt sich den Élus Cohens von Pasqually an. In Jerusalem erscheinen apokryph Les plus secrets Mystères des hauts grades de la magonnerie dévoilée, ou le vrai Rose‑Croix; darin heißt es, die Loge der Rosenkreuzer befinde sich auf dem Berg Heredon, sechzig Meilen von Edinburgh entfernt Pasqually begegnet Louis‑Claude de Saint Martin, später bekannt als Philosophe Inconnu. Dom Pernety wird Bibliothekar des Königs von Preußen. 1771 Der Herzog von Chartres, später bekannt als Philippe Egalité, wird Großmeister des Grand Orient, später Grand Orient de France, und bemüht sich um die Vereinigung aller Logen. Widerstand seitens der Logen des Schottischen Ritus. 1772 Pasqually reist ab nach Santo Domingo. Willermoz und Saint Martin gründen ein Tribunal Souverain, aus dem später die Grande Loge Écossaise wird. 1774 Saint Martin zieht sich zurück, um Philosophe Inconnu zu werden. Ein Delegierter der Strikten Observanz verhandelt mit Willermoz. Ergebnis ist ein Schottisches Direktorium der Provinz von Auvergne. Daraus entsteht später der Rektifizierte Schottische Ritus. 1776 Saint‑Germain, unter dem Namen Graf Welldone, erscheint in Potsdam und legt Friedrich dem Großen chemische Projekte vor. Bildung einer Société des Philalèthes zwecks Vereinigung aller Hermetiker. Bildung der Loge Neuf Soeurs in Paris: Mitglieder werden Guillotin und Cabanis, Voltaire und Franklin. Weishaupt gründet den Orden der Illuminaten in Bayern. Nach einigen Quellen war sein Initiator ein dänischer Kaufmann namens Kölmer, der aus Ägypten zurückkam und der mysteriöse Altotas gewesen sein soll, der Lehrer Cagliostros. 1778 Saint‑Germain trifft sich in Berlin mit Dom Pernety. Willermoz gründet den Orden der Chevaliers Bienfaisants de la Cité Sainte. Die Strikte Observanz einigt sich mit dem Grand Orient auf die Anerkennung des Rektifizierten Schottischen Ritus. 1782 Großer Konvent aller Schottischen Maurerlogen in Wilhelmsbad, Ende der Strikten Observanz. 1783 Marquis Thomé gründet den Ritus von Swedenborg. 1784 Saint‑Germain stirbt angeblich auf Schloss Gottorp in Schleswig beim Landgrafen Carl von Hessen‑Kassel, während er für diesen eine Farbenfabrik errichtet. 1785 Cagliostro gründet den Ägyptischen Ritus, aus dem dann der Alte und Primitive Ritus von Memphis‑Misraim wird, der die Zahl der Hochgrade bis auf neunzig erhöht. Aufdeckung der (angeblich von Cagliostro manipulierten) Halsbandaffäre der Marie‑Antoinette. Dumas beschreibt sie als ein freimaurerisches Komplott zur Diskreditierung der Monarchie. Verbot und Verfolgung des Illuminaten‑Ordens in Bayern wegen revolutionären Verschwörung. 1786 Mirabeau wird von den Illuminaten in Berlin initiiert. In London erscheint ein rosenkreuzerisches Manifest, das Cagliostro verfasst haben soll. Mirabeau schreibt einen Brief an Cagliostro und an Lavater. 1787 In Frankreich gibt es mittlerweile rund siebenhundert Logen. Es erscheint der Nachtrag von Weishaupt, der den Aufbau einer Geheimorganisation beschreibt, in der jedes Mitglied nur seinen unmittelbaren Vorgesetzten kennt. 1789 Beginn der Französischen Revolution. Krise der Logen in Frankreich. 1794 Am 8. Vendémiaire präsentiert der Abgeordnete Grégoire dem Konvent das Projekt eines Conservatoire des Arts et Métiers. Das Museum wird 1799 vom Rat der Fünfhundert in dem ehemaligen Kloster Saint‑Martin‑des‑Champs eingerichtet. Der Herzog von Braunschweig appelliert an die Logen, sich freiwillig aufzulösen: eine giftige subversive Sekte habe sie allesamt infiziert und verdorben. 1798 Verhaftung Cagliostros in Rom. 1801 In Charleston, South Carolina, öffentliche Bekanntgabe der Gründung eines Ancient and Accepted Scottish Rite mit 33 Hochgraden. 1824 Note des Wiener Hofes an die französische Regierung, betreffend die Warnung vor italienischen Geheimbünden wie den Carbonari. 1845 Der Kabbalist F. C. Geringer behauptet, er habe Saint‑Germain in Paris getroffen. 1846 Der Wiener Schriftsteller Franz Graffer publiziert den Bericht einer Begegnung seines Bruders mit Saint‑Germain zwischen 1788 und 1790; Saint‑Germain habe den Besucher empfangen, während er in einem Buch von Paracelsus blätterte. 1865 Gründung der Societas Rosicruciana in Anglia (nach anderen Quellen 1860 oder 1867). Mitglied wird Edgar Bulwer‑Lytton, Autor des rosenkreuzerischen Romans Zanoni. 1868 Bakunin gründet die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie, angeblich inspiriert von den bayerischen Illuminaten. 1875 Helena Petrovna Blavatsky gründet in London die Theosophische Gesellschaft. Zwei Jahre später erscheint ihre Isis Unveiled. Baron Spedalieri bekennt sich als Mitglied einer Großloge der Einsamen Brüder vom Berge, als Erleuchteter Bruder des Alten und Restaurierten Ordens der Manichäer sowie als Hoher Erleuchteter der Martinisten. 1877 Madame Blavatsky spricht von der theosophischen Rolle des Grafen von Saint‑Germain: Zu seinen Inkarnationen gehörten angeblich Roger und Francis Bacon, Christian Rosencreutz, Proklos und Sankt Alban. Der Grand Orient de France schafft die Anrufung des Allmächtigen Baumeisters aller Welten ab und proklamiert die absolute Gewissensfreiheit. Er bricht alle Kontakte mit der Großloge von England ab und wird dezidiert laizistisch und radikal‑liberal. 1879 Gründung der amerikanischen Societas Rosicruciana. 1880 Beginn der Aktivitäten von Saint‑Yves d'Alveydre. Leopold Engel reorganisiert die bayerischen Illuminaten. 1884 Papst Leo XIII. verurteilt die Freimauererei in seiner Enzyklika Humanum Genus. Die Katholiken verlassen sie, die Rationalisten strömen in Massen hinein. 1888 Stanislas de Guaita gründet in Frankreich den Ordre Kabbalistique de la Rose‑Croix. In England Gründung des Hermetic Order of the Golden Dawn mit elf Graden, vom Neophyten bis zum Ipsissimus.»Imperator«ist McGregor Mathers. Dessen Schwester heiratet Bergson. 1890 Joséphin Péladan trennt sich von Guaita, gründet den Ordre de la Rose+Croix Catholique du Temple et du Graal und proklamiert sich zum Sâr Mérodak. Der Streit zwischen den Rosenkreuzem von Guaita und denen von Peladan wird später»Krieg der zwei Rosen«genannt. 1898 Aleister Crowley wird in den Golden Dawn aufgenommen. Anschließend gründet er auf eigene Rechnung den Orden von Thelema. 1905 Papus prophezeit dem Zaren in St. Petersburg die Oktoberrevolution. 1907 Aus dem Golden Dawn geht die Stella Matutina hervor, der Yeats sich anschließt. 1909 Spencer Lewis»erweckt«in Amerika den Anticus Mysticus Ordo Rosae Crucis; 1916 demonstriert er in einem Hotel mit Erfolg die Umwandlung eines Stückes Zink in Gold. Max Heindel gründet die Rosicrucian Fellowship. Mit ungesicherten Gründungsdaten folgen das Lectorium Rosicrucianum, die Frères Aînés de la Rose‑Croix, die Fraternitas Hermetica und der Templum Rosae‑Crucis. 1912 Annie Besant, Schülerin der Blavatsky, gründet in London den Orden vom Tempel des Rosenkreuzes. 1918 In Deutschland entsteht die Thule‑Gesellschaft. 1936 In Frankreich Gründung des Prieuré des Gaules. Enrico Contardi di Rhodio spricht in den Cahiers de la fraternité polaire von einem Besuch, den ihm der Graf von Saint‑Germain gemacht habe.»Was bedeutet das alles?«fragte Diotallevi.

»Fragen Sie das nicht mich. Sie wollten Daten und Fakten. Hier sind sie. Mehr weiß ich nicht.«

»Wir werden Agliè fragen müssen. Ich möchte wetten, daß nicht einmal er alle diese Organisationen kennt.«

»Na hören Sie, das ist doch sein täglich Brot. Aber wir könnten ihn ja mal auf die Probe stellen. Fügen wir doch eine nicht existierende Sekte hinzu. Eine kürzlich gegründete.«

Mir fiel die seltsame Frage von De Angelis ein, die er mir am Ende unseres letzten Gesprächs gestellt hatte: Ob ich schon einmal von einer Gruppe namens Tres gehört hätte. Und so sagte ich:»Tres.«

»Was ist das?«fragte Belbo.

»Wenn es ein Akrostichon ist, muß sich darunter ein Text verbergen«, meinte Diotallevi.»Sonst hätten meine Rabbiner nicht das Notarikon praktizieren können. Schauen wir mal... Templi Resurgentes Equites Synarchici. Wie klingt das?«

Der Name gefiel uns, und so setzten wir ihn ans Ende der Liste.







Date: 2015-12-13; view: 464; Íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ



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