Ïîëåçíîå:
Êàê ñäåëàòü ðàçãîâîð ïîëåçíûì è ïðèÿòíûì
Êàê ñäåëàòü îáúåìíóþ çâåçäó ñâîèìè ðóêàìè
Êàê ñäåëàòü òî, ÷òî äåëàòü íå õî÷åòñÿ?
Êàê ñäåëàòü ïîãðåìóøêó
Êàê ñäåëàòü òàê ÷òîáû æåíùèíû ñàìè çíàêîìèëèñü ñ âàìè
Êàê ñäåëàòü èäåþ êîììåð÷åñêîé
Êàê ñäåëàòü õîðîøóþ ðàñòÿæêó íîã?
Êàê ñäåëàòü íàø ðàçóì çäîðîâûì?
Êàê ñäåëàòü, ÷òîáû ëþäè îáìàíûâàëè ìåíüøå
Âîïðîñ 4. Êàê ñäåëàòü òàê, ÷òîáû âàñ óâàæàëè è öåíèëè?
Êàê ñäåëàòü ëó÷øå ñåáå è äðóãèì ëþäÿì
Êàê ñäåëàòü ñâèäàíèå èíòåðåñíûì?
Êàòåãîðèè:
ÀðõèòåêòóðàÀñòðîíîìèÿÁèîëîãèÿÃåîãðàôèÿÃåîëîãèÿÈíôîðìàòèêàÈñêóññòâîÈñòîðèÿÊóëèíàðèÿÊóëüòóðàÌàðêåòèíãÌàòåìàòèêàÌåäèöèíàÌåíåäæìåíòÎõðàíà òðóäàÏðàâîÏðîèçâîäñòâîÏñèõîëîãèÿÐåëèãèÿÑîöèîëîãèÿÑïîðòÒåõíèêàÔèçèêàÔèëîñîôèÿÕèìèÿÝêîëîãèÿÝêîíîìèêàÝëåêòðîíèêà
|
Tifereth 3 page
»Denkt nur mal«, sagte Diotallevi,»wenn jenes Treffen nicht geklappt hat, dann ist Europa heute der Schauplatz eines geheimen Balletts zwischen Gruppen, die einander suchen und nicht finden können, und jede weiß, daß ein Nichts genügen würde, um Herr der Welt zu werden. Wie hieß doch gleich dieser Einbalsamierer, von dem Sie gesprochen haben, Casaubon? Wer weiß, vielleicht gibt es das Komplott ja wirklich, und die ganze Geschichte ist nichts anderes als das Resultat dieser Schlacht um die Rekonstruktion einer verlorenen Botschaft. Wir sehen sie nicht, aber sie sind, als Unsichtbare, rings um uns zugange.« Belbo und mir kam offenkundig dieselbe Idee, und wir begannen gleichzeitig zu reden: Uns fehle doch gar nicht mehr viel, um die richtige Verbindung herzustellen. Immerhin hätten wir erfahren, daß mindestens zwei Elemente der Botschaft von Provins, nämlich der Hinweis auf die sechsunddreißig Unsichtbaren, geteilt in sechs Gruppen, und die Frist der hundertzwanzig Jahre, auch in der Debatte über die Rosenkreuzer auftauchten! »Und die waren schließlich Deutsche«, schloss ich.»Ich werde sofort die Rosenkreuzer‑Manifeste nachlesen.« »Aber Sie sagten doch, die wären falsch«, sagte Belbo. »Na und? Auch wir machen hier eine Fälschung.« »Stimmt«, sagte er.»Das hatte ich ganz vergessen.«
69
Elles deviennent le Diable: débiles, timorées, vaillantes à des heures exceptionelles, sanglantes sans cesse, lacrymantes, caressantes, avec des bras qui ignorent les lois... Fi! Fi! Elles ne valent rien, elles sont faites d’un côté, d’un os courbe, d’une dissimulation rentrée... Elles baisent le serpent... (Sie werden der Teufel: kraftlos, ängstlich, tapfer zu außergewöhnlichen Stunden, ohne Unterlass blutend, heulend, liebkosend mit Armen, die kein Gesetz kennen... Pfui! Pfui! Sie taugen nichts, sie sind aus einer Rippe gemacht, aus einem gekrümmten Knochen, aus einer eingeübten Verstellung... Sie küssen die Schlange...)
Jules Bois, Le satanisme et la magie, Paris, Chailley, 1895, p. 12
Er vergaß es mehr und mehr, heute weiß ich es. Und aus jener Zeit stammt gewiss dieser kurze, benebelte Text. Filename: Ennoia
Du warst überraschend zu mir nach Hause gekommen. Und du hattest dieses Gras, ich wollte nichts davon, denn ich erlaube keiner pflanzlichen Substanz, sich in die Funktionsweise meines Gehirns einzuschalten (aber ich lüge: ich rauche Tabak und ich trinke Destillate aus Korn). Jedenfalls, die paar Male zu Anfang der sechziger Jahre, wenn mich jemand nötigte, an einer Joint‑Runde teilzunehmen, mit diesem aufgeweichten, speichelgetränkten Papier, und der letzte Zug mit der Nadel, dann musste ich immer lachen. Aber gestern warst du's, die mir einen anbot, und ich dachte, das wäre vielleicht deine Art, dich anzubieten, und so rauchte ich gläubig. Wir tanzten eng, wie man es seit Jahren nicht mehr tut, und das – welche Schande – während die Vierte von Mahler lief. Mir war, als hielte ich ein antikes Geschöpf in den Armen, ein leichtes und schwebendes Wesen mit dem sanften Runzelgesicht einer alten Gemse, eine Schlange, die aus der Tiefe meiner Lenden aufstieg, und ich betete dich an wie eine uralte, universale Muhme. Vermutlich tanzte ich weiter eng an deinen Körper geschmiegt, aber ich spürte, wie du dich zum Fluge erhobst, dich in Gold verwandeltest, geschlossene Türen öffnetest und Dinge in der Luft schweben ließest. Ich war dabei, in deinen dunklen Bauch einzudringen, Megale Apophasis. Gefangene der Engel. Bist du's vielleicht gar nicht, die ich suchte? Vielleicht bin ich hier, um immer auf dich zu warten. Habe ich dich immer wieder verloren, weil ich dich nicht erkannte? Habe ich dich immer wieder verloren, weil ich dich erkannte und mich nicht getraute? Habe ich dich immer wieder verloren, weil ich, während ich dich erkannte, schon wusste, daß ich dich wieder verlieren sollte? Wo bist du gestern Abend geblieben? Heute morgen wachte ich auf und hatte Kopfschmerzen.
70
Obwol wir (die jüngeren) bisher gar nicht wußten, wann unser geliebter Vater R.C. gestorben..., wußten wir uns doch wol noch einer Heimlichkeit zu erinnern, so A., des D. Successor (der letzte auß dem andern Reyen, der mit vielen auß uns gelebt) durch verborgene Reden von den 120 Jahren uns dem dritten Reyen vertrawet. Fama Fraternitatis, in Allgemeine und General Reformation, Kassel, Wessel, 1614
Ich stürzte mich auf die Lektüre der beiden Rosenkreuzer‑Manifeste, der Fama und der Confessio, und warf auch einen Blick in die Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz von Johann Valentin Andreae, weil Andreae als Verfasser der Manifeste gilt. Die beiden Manifeste waren in Deutschland zwischen 1614 und 1616 erschienen. Also drei Jahrzehnte nach dem Treffen von 1584 zwischen den Engländern und den Franzosen, aber gut ein Jahrhundert vor dem geplanten Treffen der Franzosen mit den Deutschen. Ich las die Manifeste mit dem Vorsatz, nicht zu glauben, was sie besagten, sondern sie gegen den Strich zu lesen, als besagten sie etwas anderes. Ich wusste, daß man, um sie etwas anderes besagen zu lassen, Absätze überspringen und manche Aussagen höher als andere bewerten musste. Aber genau das war es, was uns die Diaboliker und ihre Meister lehrten. Wer sich im subtilen Tempo der Enthüllungen bewegen will, darf nicht den sturen, pedantischen Ketten der Logik und ihrem monotonen Eins‑nach‑dem‑andern folgen. Andererseits, wenn man die Manifeste wörtlich nahm, waren sie eine Anhäufung von Absurditäten, Rätseln und Widersprüchen. Also konnten sie nicht besagen, was sie zu sagen schienen, und folglich waren sie weder ein Appell zu einer tief greifenden spirituellen Reform noch die Geschichte des armen Christian Rosencreutz. Sie waren verschlüsselte Botschaften, die man nur lesen konnte, wenn man ein Raster über sie legte, und ein Raster lässt bestimmte Felder frei und bedeckt andere. Wie die chiffrierte Botschaft aus Provins, in der nur die Anfangsbuchstaben zählten. Ich hatte kein Raster, aber ich brauchte nur eins vorauszusetzen, und um es vorauszusetzen, musste ich mit Argwohn lesen. Daß die Manifeste von dem Plan aus Provins sprachen, stand außer Zweifel. In der Grabkammer des C. R (Allegorie auf die Grange‑aux‑Dimes, die Nacht des 23. Juni 1344!) hatte man einen Schatz verborgen, auf daß die Nachgeborenen ihn entdeckten, einen Schatz,»für 120 Jahre den Augen der Welt entzogen«. Daß dieser Schatz nicht pekuniärer Art war, lag ebenso klar auf der Hand. Nicht nur polemisierte man heftig gegen die primitive Goldgier der Alchimisten, man sagte auch offen, daß es bei dem, was verheißen war, um einen großen historischen Wandel gehe. Und für den Fall, daß jemand immer noch nicht verstanden hatte, wiederholte das zweite Manifest, man dürfe ein Angebot nicht übersehen, das die miranda sextae aetatis betreffe (die Wunder des sechsten und letzten Treffens!), und betonte mehrmals:»Wenn es Gott nun gefallen hätte, das sechste Candelabrum uns allein anzuzünden?... Wäre es nicht ein köstlich Ding, wenn du alles in einem einzigen Buche lesen und beim Lesen alles verstehen und behalten könntest, was jemals geschehen ist.. Wie lieblich wäre es, wenn du so singen könntest, daß du durch den Gesang (der laut gelesenen Botschaft!) anstatt der Steinfelsen (lapis exillis!) eitel Perlen und Edelgestein an dich brächtest... «Und wiederum war von Arkana und Heimlichkeiten die Rede, von einer Regierung, die in Europa installiert werden würde, und von einem»großen Werk«, das es zu verrichten gelte... In der Fama hieß es, daß C. R. nach Spanien gegangen sei (oder nach Portugal?), um den Gelehrten dort unten zu zeigen,»woraus die wahren indicia der folgenden Jahrhunderte zu entnehmen«seien, doch vergebens. Wieso vergebens? Wieso machte eine deutsche Templergruppe zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts ein bisher eifersüchtig gehütetes Geheimnis publik, als gälte es, an die Öffentlichkeit zu treten, um auf eine Blockierung des Übermittlungsprozesses zu reagieren? Niemand konnte leugnen, daß die Manifeste versuchten, die Etappen des Planes zu rekonstruieren, so wie Diotallevi ihn resümiert hatte. Der erste Bruder, auf dessen Tod angespielt wurde, oder auf die Tatsache, daß er an eine Grenze gelangt war, die er»nicht überschreiten«konnte, war Bruder I.O., der in England starb. Also war jemand erfolgreich zum ersten Treffen gekommen. Und es wurde ein zweiter und dritter»Reigen«von Brüdern erwähnt, also eine zweite und dritte Generation oder Nachfolgelinie. Und bis dahin hätte so weit alles nach Plan gelaufen sein müssen: Die zweite Linie, die englische, trifft die dritte, die französische, im Jahre 1584, und Leute, die zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts schreiben, können nur über das sprechen, was den drei ersten Gruppen widerfahren ist. In der Chymischen Hochzeit, die Andreae in seinen Jugendjahren geschrieben hat, also vor den Manifesten (auch wenn sie erst 1616 erscheint), werden drei majestätische Tempel erwähnt: zweifellos die drei Orte, die schon bekannt sein mussten. Mir schien jedoch, daß die beiden Manifeste zwar in denselben Begriffen davon sprachen, aber so, als hätte sich in der Zwischenzeit etwas Beunruhigendes ereignet. Wieso zum Beispiel betonten sie dauernd mit solchem Nachdruck, daß die Zeit gekommen und der Moment erreicht sei, obwohl der Feind all seine Listen eingesetzt habe, um zu verhindern, daß die Gelegenheit wahrgenommen werde? Welche Gelegenheit? Es hieß, das Endziel von C. R. sei Jerusalem gewesen, aber er habe es nicht erreichen können. Wieso nicht? Die Araber wurden gelobt, weil sie Erkenntnisse und Erfahrungen untereinander austauschten, während die Gelehrten in Deutschland einander nicht zu helfen wüssten. Und es wurde auf eine größere Gruppe angespielt, die»die Weide allein abfressen«wolle. Hier war nicht mehr nur die Rede von jemandem, der den Plan zu verzerren suchte, um eigene Interessen zu verfolgen, hier ging es um eine effektive Verzerrung. In der Fama hieß es, zu Anfang habe jemand eine magische Schrift ersonnen (natürlich, die Botschaft von Provins), doch Gottes Uhr schlage alle Minuten, während die unsere»kaum die ganzen Stunden anzeigt«. Wer hatte da die Schläge der göttlichen Uhr verpasst, wer war da nicht imstande gewesen, im rechten Moment an einen bestimmten Punkt zu gelangen? Angespielt wurde auf eine erste Gruppe von Brüdern, die eine geheime Philosophie hätten aufdecken können, aber beschlossen hatten, sich in die Welt zu zerstreuen. Die Manifeste ließen ein Unbehagen erkennen, eine Ungewissheit, ein Gefühl der Verlorenheit. Die Brüder der ersten Generation hätten dafür gesorgt, daß jeder von ihnen»mit einem tauglichen Successor ersetzt«wurde, aber»sie hatten beschlossen, daß soviel immer möglich ihre Begräbnisse verborgen blieben«, weshalb man heute nicht wisse,»wo ihrer etliche geblieben«. Worauf spielte das an? Was wusste man nicht? Von welchem»Begräbnis«fehlte die Ortsangabe? Offenkundig waren die Manifeste geschrieben worden, weil irgendeine Information verloren gegangen war und man nun diejenigen suchte, die sie zufällig kannten. Der Schluss der Fama war unmissverständlich –»Deshalb ersuchen wir abermals alle Gelehrten in Europa..., daß sie mit wohlbedachtem Gemüt dies unser Erbitten erwägen..., die gegenwärtige Zeit mit allem Fleiß besehen und dann ihre Bedenken... uns schriftlich im Druck eröffnen. Denn obwohl weder wir noch unsere Versammlung bisher unsere Namen genannt..., soll keinem, der seinen Namen wird angeben, daraus ein Nachteil erwachsen, wenn er sich mit unsereinem entweder mündlich oder, falls ihm dies je bedenklich erscheint, schriftlich austauscht.« Genau das war es, was der Oberst im Sinn gehabt hatte, als er seine Geschichte veröffentlichen wollte. Jemanden zwingen, aus dem Schweigen herauszutreten. Es hatte einen Sprung gegeben, eine Unterbrechung, einen Riss im Maschengewebe. In der Grabkammer des C. R. stand nicht nur geschrieben: Post 120 annos patebo, was an den Rhythmus der Treffen erinnern sollte, es stand dort auch geschrieben: Nequaquam vacuum. Was nicht hieß:»Es gibt kein Vakuum«, sondern:»Es darf kein Vakuum geben.«Und nun hatte sich doch ein Vakuum gebildet, das gefüllt werden musste! Warum aber, fragte ich mich ein weiteres Mal, warum wurden all diese Sachen in Deutschland gesagt, wo doch die vierte Generationslinie einfach geduldig abwarten sollte, bis sie an die Reihe kam? Die Deutschen konnten sich doch – im Jahre 1614 – nicht über ein verpasstes Treffen in Marienburg beklagen, das erst für 1704 vorgesehen war! Nur eine Schlussfolgerung war möglich: Die Deutschen beschwerten sich darüber, daß das vorangegangene Treffen nicht stattgefunden hatte! Das war der Schlüssel! Die Deutschen der vierten Linie beklagten sich darüber, daß die Engländer der zweiten Linie die Franzosen der dritten verpasst hatten! Natürlich, so musste es gewesen sein! Der Text enthielt Anspielungen von einer geradezu kindischen Deutlichkeit: Das Grab des C. R. wird geöffnet, und man findet darin die Unterschriften der Brüder des ersten und zweiten Zirkels, nicht aber die des dritten! Portugiesen und Engländer sind da, aber wo sind die Franzosen? Kurzum, die beiden Manifeste der Rosenkreuzer sprachen, wenn man sie richtig zu lesen verstand, von der Tatsache, daß die Engländer die Franzosen verpasst hatten. Und nach dem, was wir inzwischen festgestellt hatten, wussten die Engländer als einzige, wo die Franzosen zu finden waren, und die Franzosen als einzige, wo die Deutschen zu finden waren. Doch selbst wenn die Franzosen dann 1704 die Deutschen gefunden hätten, wären sie nur mit einem Drittel dessen gekommen, was sie ihnen übergeben sollten. Die Rosenkreuzer traten ans Licht der Öffentlichkeit und riskierten, was sie riskierten, da es die einzige Chance war, den Großen Plan zu retten.
71
... wissen wir also nicht gewiß, ob die des andern Reyen von gleicher weißheit mit den ersten gewesen und zu allem zugelassen worden. Fama Fraternitatis, in Allgemeine und General Reformation, Kassel, Wessel, 1614
Stolz verkündete ich meine Entdeckungen Belbo und Diotallevi. Sie stimmten zu, daß der geheime Sinn der Manifeste offen zu Tage lag, selbst für einen Okkultisten. »Jetzt ist alles klar«, sagte Diotallevi.»Wir hatten uns in den Kopf gesetzt, daß der Plan beim Übergang von den Deutschen zu den Paulizianern stecken geblieben wäre, und dabei hatte schon 1584 der Übergang von England nach Frankreich nicht geklappt« »Aber warum nicht?«fragte Belbo.»Haben wir einen guten Grund, warum es den Engländern 1584 nicht gelungen sein soll, das Treffen mit den Franzosen zu realisieren? Die Engländer wussten doch, wo das Refugium war, sie waren sogar die einzigen, die es wussten.« Er wollte die Wahrheit. Und schaltete Abulafia ein. Und fragte ihn probehalber nach einer Kombination zweier blind herausgegriffener Daten. Und das Output war: Minnie ist die Verlobte von Mickymaus. 30 Tage hat November, mit April, Juni und September »Wie ist das zu interpretieren?«fragte Belbo.»Minnie vereinbart ein Rendezvous mit Mickymaus, aber versehentlich gibt sie den einunddreißigsten September an, und Micky... « »Halt! Moment mal!«rief ich.»Minnie könnte sich nur geirrt haben, wenn sie das Rendezvous auf den 5. Oktober 1582 gelegt hätte!« »Wieso?« »Die Gregorianische Kalenderreform! Ist doch ganz klar. 1582 tritt die Gregorianische Reform in Kraft, die den julianischen Kalender korrigiert, und um das Gleichgewicht wiederherzustellen, werden zehn Tage im Oktober unterdrückt, vom 5. bis zum 14.!« »Aber das Treffen in Frankreich ist für 1584 festgesetzt, für die Johannisnacht, also den 23. Juni«, sagte Belbo. »In der Tat. Aber wenn ich mich richtig erinnere, ist die Reform nicht gleich überall in Kraft getreten.«Ich holte mir den Ewigen Kalender vom Regal.»Ja, hier steht es: Die Reform wurde 1582 verkündet, und es wurden die Tage vom 5. bis zum 14. Oktober unterdrückt, aber das funktionierte nur für den Papst. Frankreich übernahm die Reform erst 1583 und unterdrückte die Tage vom 10. bis 19. Dezember. In Deutschland kam es zu einer Spaltung, die katholischen Länder übernahmen die Reform 1584, wie in Böhmen, die protestantischen zum Teil erst 1775, also fast zweihundert Jahre später, ganz zu schweigen von Bulgarien, das sie – ein Datum, das wir uns merken müssen – erst 1917 übernahm. Und wie steht's mit England? Hier, England übernahm die Gregorianische Reform 1752! Natürlich, in ihrem Hass auf die Papisten widersetzten sich auch die Anglikaner fast zweihundert Jahre lang. Und jetzt kapieren Sie, was passiert ist. Frankreich unterdrückt zehn Tage im Dezember 1583, und bis Juni 1584 haben sich alle daran gewöhnt. Aber als in Frankreich der 23. Juni war, da war es in England noch der 13. Juni, und überlegen Sie mal, ob ein braver Engländer, auch wenn er Templer war, zumal in jenen Zeiten, als die Informationen noch langsam zirkulierten, ob der sich die Sache wohl klargemacht hat. Noch heute fahren sie links und ignorieren das metrische Dezimalsystem... So erscheinen die Engländer beim Refugium an ihrem 23. Juni, der für die Franzosen inzwischen der 3. Juli ist. Nun darf man wohl annehmen, daß diese Treffen nicht gerade mit Fanfarenstößen begleitet wurden, es waren verstohlene Treffen an der richtigen Ecke zur richtigen Zeit. Die Franzosen sind am 23. Juni pünktlich zur Stelle, sie warten einen Tag, zwei, drei, sieben Tage, und schließlich gehen sie wieder, in der Annahme, daß wohl etwas passiert sein muß. Womöglich resignieren sie genau am Abend des 2. Juli. Die Engländer kommen am 3. Juli und finden niemanden vor. Womöglich warten auch sie acht Tage und finden weiterhin niemanden vor. So haben die beiden Großmeister sich verloren.« »Wunderbar!«sagte Belbo.»So ist es gelaufen. Aber warum rühren sich dann jetzt die deutschen Rosenkreuzer und nicht die englischen?« Ich bat um einen weiteren Tag Zeit, stöberte in meiner Kartei und kam am nächsten Morgen stolzgeschwellt ins Büro. Ich hatte eine Spur gefunden, scheinbar nur eine winzige, aber so arbeitet Sam Spade, nichts ist irrelevant für seinen Falkenblick. Gegen 1584 wurde der Magier und Kabbalist John Dee, Astrologe der Königin von England, mit dem Studium der Reform des julianischen Kalenders beauftragt! »Die Engländer haben die Portugiesen 1464 getroffen. Nach diesem Datum scheint es, als würden die Britischen Inseln von einem kabbalistischen Fieber erfasst. Man arbeitet über dem, was man erfahren hat, um sich auf das nächste Treffen vorzubereiten. John Dee ist der Anführer dieser magischen und hermetischen Renaissance. Er richtet sich eine Privatbibliothek mit viertausend Bänden ein, die von den Templern aus Provins zusammengestellt sein könnte. Sein Opus Monas Ieroglyphica scheint direkt von der Tabula smaragdina inspiriert, der Bibel der Alchimisten. Und was tut John Dee ab 1584? Er liest die Steganographia von Trithemius! Und zwar im Manuskript, denn gedruckt erscheint das Werk erst zu Beginn des nächsten Jahrhunderts. Als Großmeister der englischen Gruppe, der die Schlappe des geplatzten Treffens erlitten hat, will Dee herausfinden, was passiert ist, wo der Fehler gelegen hat Und da er auch ein großer Astronom ist, fasst er sich an die Stirn und sagt, was war ich doch für ein Idiot! Und setzt sich hin, um die Gregorianische Reform zu studieren, nicht ohne sich von Elisabeth dafür bezahlen zu lassen, um herauszufinden, wie sich der Fehler wiedergutmachen lässt. Aber ihm wird klar, daß es zu spät ist. Er weiß nicht, mit wem er in Frankreich Kontakt aufnehmen soll, aber er hat Kontakte zum mitteleuropäischen Raum. Das Prag Rudolfs II. ist ein alchimistisches Laboratorium, und tatsächlich begibt sich John Dee genau in diesen Jahren nach Prag und trifft sich dort mit Khunrath, dem Autor jenes Amphitheatrum sapientiae aeternae, dessen allegorische Tafeln später sowohl Andreae wie die Rosenkreuzer‑Manifeste inspirieren sollten. Welche Beziehungen stellt John Dee her? Ich weiß nicht. Zerstört von Gewissensbissen wegen seines irreparablen Fehlers stirbt er 1608. Aber keine Angst, denn in London regt sich schon eine andere Gestalt, jemand, der nach allgemeiner Ansicht der Leute ein Rosenkreuzer war und von den Rosenkreuzern in seinem Neuen Atlantis gesprochen hat. Ich meine Francis Bacon.« »Hat Bacon wirklich von ihnen gesprochen?«fragte Belbo. »Nicht direkt, aber nach seinem Tod hat ein gewisser John Heydon das Neue Atlantis umgeschrieben unter dem Titel The Holy Land, und da hat er die Rosenkreuzer reingetan. Aber für unsere Zwecke genügt es auch so. Bacon nennt sie aus evidenten Gründen der Diskretion nicht offen beim Namen, aber es ist, als ob er's täte.« »Und wer's nicht glaubt, den hole die Pest.« »Genau. Und es ist Bacon, auf dessen Betreiben man nun die Beziehungen zwischen dem englischen und dem deutschen Milieu noch enger zu knüpfen sucht. 1613 erfolgt die Hochzeit zwischen Elisabeth, der Tochter Jakobs I., der nun auf dem Thron sitzt, mit Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz. Nach dem Tod Rudolfs II. ist Prag nicht mehr der passende Ort, jetzt wird es Heidelberg. Die Fürstenhochzeit gestaltet sich zu einem Triumphzug templerischer Allegorien. Bei den Londoner Festlichkeiten führt Bacon persönlich Regie, und dargeboten wird eine Allegorie auf die mystische Ritterschaft, mit einem Auftritt von Rittern hoch oben auf einem Hügel. Es dürfte klar sein, daß Bacon, als Nachfolger Dees, jetzt Großmeister der englischen Templer ist... « »... und da er zweifellos auch der wahre Autor der Dramen von Shakespeare ist, müssten wir auch den ganzen Shakespeare neu lesen, der bestimmt von nichts anderem gesprochen hat als von dem Großen Plan«, sagte Belbo.»Johannisnacht = Mittsommernachtstraum...« »Der 23. Juni ist der Tag des Sommeranfangs.« »Dichterische Freiheit. Ich frage mich, wie es möglich ist, daß niemand bisher auf diese Symptome geachtet hat, auf diese so offenkundigen Evidenzen. Alles scheint mir von einer geradezu unerträglichen Klarheit.« »Wir sind durch das nationalistische Denken irregeleitet worden«, sagte Diotallevi.»Ich hab's ja schon immer gesagt« »Lass Casaubon weiterreden, mir scheint, er hat eine exzellente Arbeit geleistet.« »Da gibt's nicht mehr viel zu sagen. Nach den Festlichkeiten in London kamen die Festlichkeiten in Heidelberg, wo Salomon de Caus für den Kurfürsten jene hängende Gärten angelegt hatte, von denen wir eine blasse Imitation in Piemont gesehen haben, Sie erinnern sich. Und im Verlauf dieser Festlichkeiten erscheint ein allegorischer Wagen, der den Bräutigam als Jason feiert, und auf den beiden Masten des Schiffes, das auf dem Wagen dargestellt ist, erscheinen die Symbole des Goldenen Vlieses und des Hosenbandordens, ich hoffe, Sie haben nicht vergessen, daß dieselben Symbole auch an den Säulen in Tomar erscheinen... Alles fügt sich zusammen. Im folgenden Jahr erscheint die Fama, dann die Confessio – die Manifeste der Rosenkreuzer sind das Signal, das die englischen Templer, nachdem sie sich der Hilfe einiger Freunde in Deutschland versichert haben, durch ganz Europa schicken, um die Fäden des unterbrochenen Planes wieder zusammenzuknüpfen.« »Aber worauf genau wollen sie hinaus?«
72
Nos inuisibles pretendus sont (à ce que l’on dit) au nombre de 36, separez en six bandes. (Unsere angeblich Unsichtbaren sind (nach dem, was man sagt) 36 an der Zahl, geteilt in sechs Gruppen.)
Effroyables pactions faictes entre le diable & les pretendus Inuisibles, Paris 1623, p. 6
»Vielleicht versuchen sie eine doppelte Operation: einerseits ein Signal an die Franzosen zu senden und andererseits die verstreuten Teile der deutschen Gruppe wieder zusammenzufügen, die vermutlich durch die lutherische Reformation zerschlagen worden war. Vom Erscheinen der Manifeste bis etwa 1621 erhielten deren Verfasser eine Flut von Antworten... « Ich nannte einige der zahllosen Schriften, die zum Thema erschienen waren, jene, an denen ich mich damals mit Amparo in Salvador da Bahia delektiert hatte.»Vermutlich gab es unter all diesen Leuten einige, die etwas wussten, aber sie gingen unter in einem Gewimmel von exaltierten Spinnern, von Enthusiasten, die die Manifeste wörtlich nahmen, von Provokateuren, die die Operation zu behindern suchten, von Betrügern und Schwindlern... Die Engländer versuchten, in die Debatte einzugreifen und sie zu steuern, nicht zufällig schreibt Robert Fludd, ein anderer englischer Templer, im Laufe eines einzigen Jahres drei Werke, um die richtige Interpretation der Manifeste zu suggerieren... Aber die Reaktion ist jetzt unkontrollierbar geworden, der Dreißigjährige Krieg hat angefangen, der pfälzische Kurfürst ist von den Spaniern geschlagen worden, die Pfalz und Heidelberg werden geplündert, Böhmen steht in Flammen... Die Engländer beschließen, sich nach Frankreich zurückzuziehen und es dort zu versuchen. Und so kommt es, daß sich die Rosenkreuzer 1623 in Paris mit ihren Plakaten melden, auf denen sie den Franzosen mehr oder weniger dieselben Angebote machen wie vorher den Deutschen. Und was liest man in einem der Pamphlete gegen die Rosenkreuzer in Paris, geschrieben von einem, der ihnen misstraute oder sie anschwärzen wollte? Daß sie Teufelsanbeter seien, natürlich, aber da man auch in der Verleumdung nie ganz die Wahrheit unterdrücken kann, insinuiert er, daß sie sich im Marais versammelten.« »Na und?« »Ja, kennen Sie denn Paris nicht? Der Marais ist das Viertel des Tempels und – welch ein Zufall! – auch das Viertel des jüdischen Ghettos! Mal ganz davon abgesehen, daß diese Pamphlete auch behaupten, die Rosenkreuzer stünden in Kontakt mit einer iberischen Kabbalistensekte, den Alumbrados! Vielleicht versuchen all diese Schmähschriften gegen die Rosenkreuzer, indem sie so tun, als ob sie die sechsunddreißig Unsichtbaren attackierten, in Wahrheit deren Identifikation zu beschleunigen... Gabriel Naudé, der Bibliothekar Richelieus, schreibt Instructions à la France sur la vérité de l'histoire des Frères de la Rose‑Croix. Was für Instruktionen? Ist er ein Sprecher der Templer des dritten Kerns, ist er ein Abenteurer, der sich in ein fremdes Spiel einmischt? Einerseits scheint es, als wollte auch er die Rosenkreuzer als verrückt gewordene Teufelsanbeter hinstellen, andererseits macht er geheimnisvolle Andeutungen und sagt, es seien noch drei weitere rosenkreuzerische Kollegien zugange – und das würde ja stimmen, denn nach der dritten Gruppe kommen noch einmal drei. Er gibt Hinweise, die nahezu märchenhaft klingen (eins der Kollegien sei in Indien auf schwimmenden Inseln), aber er lässt auch durchblicken, daß eins der Kollegien sich in den Untergründen von Paris befinde.« »Und Sie glauben«, fragte Belbo,»das alles erkläre den Dreißigjährigen Krieg?« »Ohne jeden Zweifel«, sagte ich.»Richelieu hat spezielle Informationen von Naudé, er will in dieser Geschichte mitmischen, aber er macht alles falsch, interveniert militärisch und trübt die Wasser nur noch mehr. Aber ich würde auch zwei andere Fakten nicht vernachlässigen. Erstens: 1619 tritt das Generalkapitel der Christusritter in Tomar zusammen, nach sechsundvierzig Jahren des Schweigens. Es war zuletzt 1573 zusammengetreten, wenige Jahre vor 1584, vermutlich um die Reise nach Paris zusammen mit den Engländern vorzubereiten, und nun tritt es nach der Geschichte mit den Rosenkreuzer‑Manifesten erneut zusammen, um zu entscheiden, welche Linie man einschlagen soll, ob man sich der Operation der Engländer anschließen oder andere Wege probieren soll.« Date: 2015-12-13; view: 421; Íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ |