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Tifereth 7 page





»Na, wird schon nicht so schlimm kommen. Aber wir müssen bereit sein, es so zu nehmen, wie's kommt, auch wenn es zwei Köpfe hat.«

»Warum nicht? Dann würde ich ihm beibringen, Duette zu spielen, für Trompete und Klarinette... Nein, dazu brauchte es auch vier Hände, und das wäre denn doch zu viel – obwohl, denk bloß mal, was für ein Klaviervirtuose es dann werden könnte, von wegen Konzert für die linke Hand. Brr... Und übrigens, das wissen auch meine Diaboliker, an jenem Tag in der Klinik kommt es dann auch zum Weißen Werk, es wird der Rebis geboren, der androgyne Hermaphrodit... «

»Na, der hat uns gerade noch gefehlt. Hör zu, jetzt mal im Ernst: Wir werden es Giulio oder Giulia nennen, nach meinem Großvater. Ist dir das recht?«

»Warum nicht, klingt gut.«

Es hätte genügt, wenn ich bis hierher und nicht weiter gegangen wäre. Wenn ich ein Weißbuch geschrieben hätte, ein gutes Zauberbuch für alle Adepten der Entschleierten Isis, um ihnen zu erklären, daß es nicht länger nötig war, nach dem Mysterium der Mysterien zu suchen, daß die Lektüre des Lebens keinen geheimen Sinn verbarg, daß alles schon da war, in den Bäuchen aller Lias der Welt, in den Geburtsstationen der Kliniken, auf den Strohlagern, in den Kiesbetten der Flüsse, daß die Steine aus dem Exil und der Heilige Gral nichts anderes sind als schreiende Äffchen mit herunterhängender Nabelschnur, denen der Onkel Doktor einen Klaps auf den Po gibt. Und daß die Unbekannten Oberen für unser Kleines Ding niemand anderes waren als Lia und ich, aber daß es uns dann sofort erkennen würde, ohne erst lange den alten Trottel de Maistre danach zu fragen.

Doch nein, wir – die Sardoniker – wollten ja unbedingt mit den Diabolikern Verstecken spielen und ihnen zeigen, daß, wenn sie partout ein kosmisches Komplott haben wollten, wir eins zu erfinden wussten, das kosmischer gar nicht mehr sein konnte.

Geschieht dir ganz recht, sagte ich mir vorgestern Abend im Periskop. Jetzt bist du hier, um zu warten, was unter dem Foucaultschen Pendel geschehen wird.

 

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Gewiß kommt diese monströse Kreuzung nicht aus einem Mutterleib, sondern aus einem Ephialtes, einem Incubus oder anderen schrecklichen Dämon, als wäre sie von einem faulen und giftigen Pilz geboren, ein Kind von Faunen und Nymphen, ähnlicher einem Teufel als einem Menschen.

Athanasius Kircher, Mundus Subterraneus, Amsterdam, Jansson, 1665, II, p. 279‑280

 

An jenem Tag wollte ich lieber zu Hause bleiben, ich ahnte etwas, aber Lia hatte gesagt, ich solle nicht den Prinzgemahl spielen und ganz normal zur Arbeit gehen.»Es ist noch Zeit, Pim. Es kommt noch nicht. Auch ich muß noch aus dem Haus. Geh.«

Ich war gerade vor der Tür des Büros angekommen, da öffnete sich nebenan die Tür von Signor Salon. Der Alte erschien in seinem gelben Arbeitskittel. Ich konnte nicht umhin, ihn zu grüßen, und er fragte mich, ob ich nicht für einen Moment hereinkommen wollte. Ich hatte sein Laboratorium noch nie gesehen und folgte der Einladung.

Wenn hinter der Tür eine Wohnung gewesen war, musste Salon die Trennwände entfernt haben lassen, denn was ich sah, war eine weite dämmrige Höhle. Aus unerfindlichen architektonischen Gründen hatte dieser Teil des Gebäudes ein Mansardendach, und das Licht fiel durch schräge Scheiben ein. Ich weiß nicht, ob die Scheiben schmutzig oder aus Mattglas waren oder ob Salon sie verhängt hatte, um das direkte Sonnenlicht abzuschirmen, oder ob es am Gedränge der Objekte lag, die allenthalben den Horror vacui verkündeten, jedenfalls lag die Höhle in einem fast abendlichen Dämmerlicht, auch weil der weite Raum unterteilt war durch breite Regale, wie man sie aus alten Apotheken kennt, hohe Möbel mit geschnitzten Säulen und Kolonnaden, die Durchblicke, Passagen und Perspektiven erlaubten. Die vorherrschende Farbe war braun, braun waren die Gegenstände, die Regale und Tische, die diffuse Melange aus trübem Tageslicht und dem Schein jener alten Lampen, die einige Zonen fleckig erhellten. Mein erster Eindruck war, in die Werkstatt eines Geigenbauers getreten zu sein, die seit den Zeiten von Stradivari nicht mehr benutzt worden ist, so daß sich der Staub immer dicker auf alles gelegt hat.

Dann, als meine Augen sich langsam angepasst hatten, begriff ich, daß ich mich, wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, in einem erstarrten Zoo befand. Dort hinten kletterte ein kleiner Bär mit glänzenden Glasäugelchen auf einem künstlichen Ast, hier neben mir saß eine Eule reglos und feierlich, da vorn vor dem Tisch lief ein Wiesel – oder ein Marder, ein Iltis, was weiß ich –, und auf dem Tisch stand ein prähistorisches Tier, das ich im ersten Moment' nicht erkannte, es sah aus wie eine Katze, die von Röntgenstrahlen durchleuchtet wurde.

Es hätte ein Puma sein können, ein Leopard, ein großer Hund, man sah das Skelett, das zum Teil mit einer strohigen Füllung beklebt war, die von einem Drahtgestell zusammengehalten wurde.

»Der Dobermann einer reichen Dame mit butterweichem Herzen«, erklärte Salon grinsend.»Sie möchte ihn so im Gedächtnis behalten, wie er in der Zeit ihres Ehelebens war. Sehen Sie? Man zieht dem Tier das Fell ab, man behandelt das Fell auf der Innenseite mit arsenhaltiger Seife, dann legt man die Knochen frei und lässt sie bleichen... Sehen Sie dort in dem Regal die schöne Sammlung von Wirbelsäulen und Brustkörben... Schönes Ossarium, nicht wahr? Dann bindet man die Knochen mit Drähten zusammen, und ist das Skelett einmal rekonstruiert, packt man ein Gerüst mit der Füllung darauf, gewöhnlich verwende ich Heu oder Pappmaschee oder auch Gips. Am Ende zieht man das Fell darüber. Ich repariere die Schäden des Todes und der Verwesung. Sehen Sie diesen Waldkauz hier, sieht der nicht wie lebend aus?«

Von nun an würde mir jeder lebende Waldkauz wie tot erscheinen, von Signor Salon in ewige Starre versetzt. Ich sah diesem Mumifizierer tierischer Pharaonen ins Gesicht, betrachtete seine buschigen Augenbrauen, seine grauen Wangen und versuchte herauszufinden, ob er ein lebendes Wesen war oder ein Meisterwerk seiner eigenen Kunst.

Um ihn besser betrachten zu können, trat ich ein paar Schritte zurück, und plötzlich spürte ich, wie mich etwas im Nacken berührte. Ich fuhr erschrocken herum und sah, daß ich ein Pendel in Bewegung gesetzt hatte.

Ein großer ausgeweideter Vogel stak pendelnd am Ende der Lanze, die ihn durchbohrte. Sie ging durch den Kopf hinein, und in der offenen Brust sah man, daß sie genau dort hindurchging, wo einst das Herz und der Magen gewesen waren, um sich dann aufzuspalten und als umgekehrter Dreizack fortzusetzen. Der etwas dickere mittlere Zacken durchquerte die Stelle, wo der Vogel die Eingeweide gehabt hatte, und zielte wie ein Schwert nach unten, die beiden seitlichen Spieße bohrten sich längs durch die Beine und kamen symmetrisch an den Krallen heraus. Der Vogel schwankte leicht, und die drei Zacken warfen ihren Schatten auf den Boden, wo er wie ein mystisches Zeichen erschien.

»Schönes Exemplar eines Königsadlers«, sagte Salon.»Aber ich muß noch ein paar Tage daran arbeiten. Ich war gerade dabei, die Augen auszuwählen.«Er zeigte mir eine Pappschachtel voller Glasaugen, die aussah, als hätte der Folterknecht der heiligen Lucia die schönsten Trophäen seiner ganzen Karriere darin gesammelt.»Das ist nicht immer so leicht wie bei den Insekten, für die man bloß eine Nadel und eine Schachtel braucht. Die wirbellosen Tiere zum Beispiel, die müssen mit Formalin behandelt werden.«

Es roch tatsächlich nach Leichenschauhaus.»Muss eine faszinierende Arbeit sein«, sagte ich. Und dachte dabei an das lebende Ding, das in Lias Bauch heranwuchs. Ein eisiger Gedanke überfiel mich: Wenn es stürbe, sagte ich mir, will ich es selbst begraben, so daß es alle Würmer unter der Erde ernährt und die Erde fett macht. Nur so würde ich es noch als lebendig empfinden...

Mich schauderte, aber ich riss mich zusammen, denn Salon sprach weiter, während er ein seltsames Wesen aus einem seiner Regale holte. Es mochte etwa dreißig Zentimeter lang sein und war eine Art Drache, ein Reptil mit großen schwarzen, geäderten Flügeln, einem Hahnenkamm und einem weit aufgerissenem Maul voll winziger Sägezähne.»Schön, nicht wahr? Eine Komposition von mir. Ich habe dafür einen Salamander, eine Fledermaus und die Haut einer Schlange benutzt... Ein Drache der Unterwelt. Inspiriert habe ich mich hieran.«Er zeigte mir auf einem anderen Tisch ein dickes, großformatiges Buch mit kostbarem Pergamenteinband und ledernen Laschen.»Das hat mich ein kleines Vermögen gekostet. Ich bin kein Bibliophile, aber diesen Band wollte ich unbedingt haben. Es ist der Mundus Subterraneus von Athanasius Kircher, erste Auflage von 1665. Hier der Drache. Sieht doch genauso aus wie meiner, nicht wahr? Er lebt in den Schluchten der Vulkane, sagte der gute Jesuit, der alles wusste, alles Bekannte, alles Unbekannte und alles Inexistente... «

»Sie denken wohl immerzu an die Unterwelt«, sagte ich in Erinnerung an unser Gespräch in München und an die Sätze, die ich durch das Ohr des Dionysios aufgeschnappt hatte.

Er schlug eine andere Seite des Bandes auf. ein Bild der Erdkugel, die aussah wie ein geblähtes schwarzes Leibesorgan, durchzogen von einem Netzwerk leuchtender Adern, in Serpentinen und flammend.»Wenn Athanasius Kircher recht hatte, gibt es mehr Pfade im Innern der Erde als draußen auf ihrer Oberfläche. Wann immer etwas in der Natur geschieht kommt es aus der glühenden Hitze dort unten...«Ich dachte an das Schwarze Werk, an Lias Bauch, an das Kleine Ding, das da auszubrechen versuchte aus seinem sanften Vulkan.

»... und wann immer etwas in der Menschenwelt geschieht, ist es dort unten ersonnen worden.«

»Sagt das Pater Kircher?«

»Nein, er befasste sich bloß mit der Natur... Aber es ist sehr bemerkenswert, daß der zweite Teil dieses seines Buches von der Alchimie und den Alchimisten handelt und daß sich genau hier, sehen Sie, ein Angriff auf die Rosenkreuzer findet. Warum werden die Rosenkreuzer in einem Buch über die unterirdische Welt angegriffen? Nun, weil unser Jesuit es faustdick hinter den Ohren hatte, er wusste, daß die letzten Templer sich in das unterirdische Reich von Agarttha geflüchtet hatten... «

»... und anscheinend immer noch dort sind«, warf ich aufs Geratewohl ein.

»Ja, sie sind immer noch dort«, bestätigte Salon.»Nicht in Agarttha, aber in anderen Untergründen. Vielleicht direkt hier unter uns. Inzwischen hat auch Mailand seine Untergrundbahn. Wer hat sie gewollt? Wer hat ihren Bau geleitet?«

»Nun, ich denke doch spezialisierte Ingenieure?«

»Ja ja, halten Sie sich nur weiter die Augen zu. Und derweilen publizieren Sie in Ihrem Verlagshaus Bücher von wer weiß was für Leuten. Wie viele Juden haben Sie unter Ihren Autoren?«

»Wir pflegen unsere Autoren nicht nach ihrem Stammbaum zu fragen«, antwortete ich kühl.

»Halten Sie mich nicht für einen Antisemiten. Einige meiner besten Freunde sind Juden. Ich denke an eine bestimmte Sorte von Juden... «

»Nämlich?«

»Je nun... «

 

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Er machte sein Köfferchen auf. In unbeschreiblichem Durcheinander lagen dort falsche Kragen, Gummibänder, Küchengeräte, Abzeichen diverser technischer Hochschulen, ja sogar das Monogramm der Zarin Alexandra Fjodorowna und das Kreuz der Ehrenlegion. Auf all dem glaubte er in seinem Wahn das Siegel des Antichrist zu erkennen, in Form eines Dreiecks oder zweier überkreuztet Dreiecke.

Alexandre Chayla,»Serge A. Nilus et les Protocoles«, La Tribune juive, 14. Mai 1921, p. 3

 

»Sehen Sie«, sagte er dann,»ich bin in Moskau geboren. Und genau dort sind, als ich ein Junge war, geheime jüdische Dokumente ans Licht gekommen, in denen mit klaren Worten gesagt wurde, daß, wer Regierungen stürzen will, im Untergrund arbeiten muß. Hören Sie.«Er schlug ein Heft auf, in das er sich Zitate notiert hatte:»›Zu der Zeit werden alle Städte Untergrundbahnen und unterirdische Passagen haben; aus diesen werden wir alle Städte der Welt in die Luft sprengen.‹ Protokolle der Weisen von Zion, Dokument Nummer neun!«

Einen Moment lang dachte ich, daß die Sammlung von Wirbeln, die Schachtel mit den Augen, die Häute, die er auf die Gerüste spannte, womöglich aus irgendeinem Vernichtungslager stammten. Aber nein, ich hatte es nur mit einem alten Nostalgiker zu tun, der Erinnerungen an den russischen Antisemitismus mit sich herumtrug.

»Wenn ich Sie recht verstehe, gibt es also einen Geheimbund von Juden, von ganz bestimmten Juden, nicht allen, die irgendein Komplott schmieden. Aber warum tun die das unter der Erde?«

»Das ist doch klar. Wer ein Komplott schmiedet, tut das im Dunkeln drunten, nicht oben im hellichten Sonnenschein. Das weiß doch seit Urzeiten jeder: Beherrschung der Welt heißt Beherrschung dessen, was unten ist. Beherrschung der unterirdischen Ströme.«

Ich musste an einen Satz von Agliè denken, den er in seinem Studio gesagt hatte, und an die Druidinnen in Piemont, die tellurische Vibrationen beschworen.

»Warum haben die Kelten sich Heiligtümer im Innern der Erde gegraben, mit unterirdischen Gängen zu einem heiligen Brunnen?«fuhr Salon fort.»Der Brunnen reichte in radioaktive Schichten hinunter, das ist bekannt. Wie ist Glastonbury angelegt? Und war's etwa nicht die Insel Avalon, von der die Gralssage stammt? Und wer hat den Gral erfunden, wenn nicht ein Jude?«

Schon wieder der Gral, Herrgott im Himmel! Aber welcher Gral denn bitte, es gibt doch nur einen Gral, und der ist mein Kleines Ding, in Kontakt mit den radioaktiven Schichten von Lias Uterus, und vielleicht fährt es jetzt gerade fröhlich der Mündung entgegen, vielleicht schickt es sich gerade an herauszukommen, und ich stehe hier mitten zwischen diesen einbalsamierten Käuzen – hundert Tote und einer, der vorgibt, lebendig zu sein.

»Alle Kathedralen sind dort gebaut worden, wo die Kelten ihre Menhire hatten. Warum haben die Kelten so große Steine errichtet, mit all der Mühe, die das machte?«

»Warum haben sich die Ägypter so viel Mühe mit den Pyramiden gemacht?«

»Eben! Das waren Antennen, Thermometer, Sonden, Nadeln wie die der chinesischen Ärzte, in die neuralgischen Punkte gesteckt, wo der Körper reagiert, in die Knotenpunkte. Im Zentrum der Erde gibt es einen glühenden Kern, so etwas Ähnliches wie die Sonne, oder nein, eine richtige Sonne, um die sich etwas dreht, auf verschiedenen Bahnen. Umlaufbahnen von tellurischen Strömen, auch Erdstrahlen genannt. Die Kelten wussten, wo sie zu finden sind und wie man sie beherrscht. Und Dante, was war mit Dante? Was wollte er uns erzählen mit der Geschichte von seiner Höllenfahrt? Verstehen Sie nun, lieber Freund?«

Es gefiel mir gar nicht sein lieber Freund zu sein, aber ich hörte ihm weiter zu. Giulio‑Giulia, mein Rebis, war wie Luzifer ins Zentrum von Lias Bauch gepflanzt, aber Er‑Sie‑Es würde sich umdrehen, würde sich zum Licht wenden und irgendwie rauskommen. Unser Ding war gemacht, um aus den dunklen Innereien herauszukommen und sich in seinem klaren Geheimnis zu enthüllen, nicht um kopfüber in sie hineinzustürzen und sich ein klebriges Geheimnis zu suchen.

Salon sprach weiter, verlor sich in einen Monolog, den er auswendig zu rezitieren schien:»Wissen Sie, was die englischen leys sind? Fliegen Sie mal im Flugzeug über England, und Sie werden sehen, daß alle heiligen Orte durch gerade Linien miteinander verbunden sind, ein Netz von Linien, die sich über das ganze Land hinziehen und die heute noch sichtbar sind, weil sie den Verlauf der künftigen Straßen angezeigt haben... «

»Wenn es heilige Orte waren, waren sie durch Straßen miteinander verbunden, und die Straßen wird man so gerade wie möglich gebaut haben... «

»Ach ja? Und warum halten sich dann auch die Zugvögel an diese Linien? Und warum markieren sie die Flugstrecken der Fliegenden Untertassen? Ich sage Ihnen, dahinter steckt ein Geheimnis, das nach der römischen Invasion verloren gegangen ist, aber es gibt noch Leute, die es kennen... «

»Die Juden«, suggerierte ich.

»Die graben auch. Das erste Prinzip der Alchimisten heißt VITRIOL: Visita Interiora Terrae, Rectificando Invenies Occultum Lapidem. «

Lapis exillis. Mein Stein, der langsam herauskam aus dem Exil, aus seinem süßen, gedankenlosen, hypnotischen Exil in Lias geräumigem Bauch, ohne nach anderen Tiefen zu suchen, mein schöner weißer Stein, der an die Oberfläche will... Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause zu Lia, um mit ihr auf das Kleine zu warten, auf sein Erscheinen, Stunde um Stunde, auf den Triumph der wiedergewonnenen Oberfläche. In Salons dämmriger Höhle herrschte der Modergeruch des Untergrunds, der Untergrund ist der Ursprung, den es zu verlassen gilt, nicht das Ziel, das es zu erreichen gilt. Und doch folgte ich Salon, und mir wirbelten neue bösartige Ideen für den Großen Plan durch den Kopf. Während ich die einzige Wahrheit dieser irdischen Welt erwartete, verbohrte ich mich in die Konstruktion neuer Lügen. Blind wie die Tiere im Erdinnern.

Ich schüttelte mich. Ich musste raus aus dem Tunnel.»Ich muß gehen«, sagte ich.»Vielleicht können Sie mir Bücher zum Thema empfehlen.«

»Bah, alles, was man zu dem Thema geschrieben hat, ist falsch und erlogen, falsch wie die Seele des Judas. Was ich weiß, habe ich von meinem Vater gelernt... «

»War er Geologe?«

»O nein«, lachte Salon,»nein, wirklich nicht. Mein Vater war – kein Grund, sich zu schämen, das ist lange her –, mein Vater war bei der Ochrana. Direkt dem Chef unterstellt, dem legendären Ratschkowski.«

Ochrana, Ochrana – war das nicht so was wie der KGB, war das nicht die Geheimpolizei des Zaren? Und Ratschkowski, wer war das noch gleich? Wer hatte einen ganz ähnlichen Namen? Herrgott ja, der mysteriöse Besucher des Oberst Ardenti, der Graf Rakosky... Nein, Quatsch, ich ließ mich von Zufällen überraschen. Ich stopfte nicht tote Tiere aus, ich zeugte lebende Wesen.

 

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Les Philosophes disent que lorsque la blancheur survient à la matière du grand oeuvre, la vie a vaincu la mort, que leur Roi est ressuscité, que la terre & l’eau sont devenues air, que c’est le régime de la Lune, que leur enfant est né... La matiere a pour lors acquis un degré de fixité que le feu ne sauroit détruire... & lorsque l’Artiste voit la parfaite blancheur, les Philosophes disent qu’i faut déchirer les livres, parce qu’ils deviennent inutiles.

(Die Philosophen [= die Alchimisten] sagen, wenn das Weiß über die Materie des Großen Werkes kommt, dann hat das Leben den Tod besiegt, dann ist ihr König wiedererstanden, dann sind Erde und Wasser Luft geworden, dann ist es das Regime des Mondes, dann ist ihr Kind geboren... Die Materie hat dann einen solchen Festigkeitsgrad erreicht, daß das Feuer sie nicht mehr zerstören kann... Wenn der Künstler das perfekte Weiß sieht, dann, sagen die Philosophen, soll man die Bücher zerreißen, da sie nutzlos werden.)

 

Dom J. Pernety, Dictionnaire mytho‑hermétique, Paris, Bauche, 1758,»Blancheur«

 

Ich stammelte hastig eine Entschuldigung, ich glaube, ich sagte so etwas wie:»Meine Freundin kriegt morgen ein Kind.«Salon wünschte mir viel Glück mit einer Miene, als wäre ihm nicht ganz klar, wer der Vater war. Ich rannte nach Hause, um frische Luft zu atmen.

Lia war nicht da. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel:»Liebster, es ist ganz plötzlich soweit. Du warst nicht im Büro. Ich nehm ein Taxi in die Klinik. Komm nach, ich fühle mich einsam.«

Panik überfiel mich, ich musste bei Lia sein, um mit ihr zu zählen, ich hätte im Büro sein müssen, ich hätte für sie erreichbar sein müssen. Alles war meine Schuld, das Kleine würde tot geboren werden, Lia würde mit ihm sterben, Salon würde beide ausstopfen.

Ich stürzte in die Klinik, als hätte ich die Labyrinthitis, fragte Leute, die von nichts wussten, rannte zweimal in die falsche Abteilung. Ich sagte zu allen, sie müssten doch wissen, wo Lia gebäre, und alle antworteten mir, ich solle mich beruhigen, alle seien hier, um zu gebären.

Schließlich, ich weiß nicht wie, fand ich mich in einem Zimmer. Lia war blass, aber von einer perlfarbenen Blässe, und sie lächelte. Jemand hatte ihr Haar hochgebunden und in eine weiße Haube gesteckt. Zum ersten Mal sah ich ihre Stirn in all ihrer blanken Pracht. Neben ihr lag etwas Kleines.

»Das ist Giulio«, sagte sie.

Mein Rebis. Auch ich hatte ihn gemacht, und nicht aus Leichenteilen und ganz ohne arsenhaltige Seife. Er war komplett, er hatte alle zehn Finger, und alle da, wo sie hingehörten.

Ich wollte ihn ganz sehen.»O was für ein schönes Pimmelchen, und was für dicke Eier es hat!«Dann beugte ich mich über Lia und küsste sie auf die weiße Stirn:»Aber das ist dein Verdienst, Liebes, das ist in dir gewachsen.«

»Na klar ist das mein Verdienst, Affe. Ich hab allein gezählt.«

»Du zählst für mich alles«, sagte ich.

 

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Das unterirdische Volk hat das höchste Wissen erreicht... Wenn unsere wahnsinnige Menschheit einen Krieg gegen das unterirdische Königreich beginnen sollte, so wäre dieses imstande, die ganze Oberfläche unseres Planeten in die Luft zu sprengen.

Ferdinand Ossendowski, Beasts, Men and Gods, 1924, Kap. V

 

Ich blieb an Lias Seite, auch als sie aus der Klinik entlassen wurde, denn kaum war sie wieder zu Hause und musste dem Kleinen die Windeln wechseln, heulte sie los und sagte, das würde sie niemals schaffen. Jemand erklärte uns später, das sei ganz normal: nach der Euphorie über die gelungene Geburt komme das Gefühl der Ohnmacht angesichts der riesigen Aufgabe. In jenen Tagen, als ich zu Hause herumhing und mich unnütz fühlte, auf jeden Fall untauglich zum Stillen, verbrachte ich lange Stunden mit der Lektüre aller erreichbaren Schriften über Erdstrahlen und tellurische Ströme.

Als ich dann wieder in den Verlag ging, sprach ich Agliè darauf an. Er machte eine übertrieben gelangweilte Geste:»Dürftige Metaphern für das Geheimnis der Schlange Kundalini. Auch die chinesischen Geomantiker suchten in der Erde nach den Spuren des Drachen, aber die tellurische Schlange stand nur für die geheime Schlange. Die Göttin liegt zusammengeringelt wie eine Schlange und schläft ihren ewigen Schlaf. Kundalini zuckt sanft vibrierend, bebt leise zischend und verbindet die schweren Körper mit den leichten. Wie ein Strudel oder ein Wirbel im Wasser, wie die Mitte der Silbe OM.«

»Aber für welches Geheimnis steht die Schlange?«

»Für die Erdstrahlen. Aber die wahren.«

»Und was sind die wahren Erdstrahlen?«

»Eine große kosmologische Metapher; und sie stehen für die Schlange.«

Zum Teufel mit Agliè, ich wusste jetzt mehr.

Ich teilte Belbo und Diotallevi mit, was ich wusste, und wir hatten nun keine Zweifel mehr. Endlich waren wir in der Lage, den Templern ein anständiges Geheimnis zu liefern. Es war die ökonomischste und eleganteste Lösung, und alle Teile unseres jahrtausendealten Puzzles fanden darin ihren Platz.

Also. Die Kelten wussten von den Erdstrahlen. Sie hatten die Kunde von den Überlebenden aus Atlantis, die nach dem Untergang ihres Kontinents zum Teil an den Nil, zum Teil in die Bretagne emigriert waren.

Die Atlantiden ihrerseits hatten die Kunde von jenen Urvätern des Menschengeschlechts, die bei ihren Wanderungen aus Avalon durch den Kontinent Mu bis in die australische Wüste gelangt waren – als alle Kontinente noch einen einzigen, zusammenhängenden Kernkontinent bildeten, das legendäre Pangäa. Noch heute brauchte man nur imstande zu sein (wie es die australischen Aborigenes sind, aber die schweigen), die geheimnisvollen Schriftzeichen auf dem Felsmassiv von Ayers Rock zu lesen, um die Erklärung für alles zu haben. Ayers Rock ist der Antipode jenes großen (unbekannten) Berges, der den wahren Nordpol darstellt, den geheimen Pol, nicht den, zu welchem jeder x‑beliebige bürgerliche Forscher gelangen kann. Wie üblich – und wie evident für jeden, der sich nicht vom falschen Wissen der westlichen Wissenschaften hat verblenden lassen – ist der sichtbare Pol der, den es nicht gibt, und der, den es gibt, ist der, den niemand zu sehen vermag außer einigen Adepten, deren Lippen versiegelt sind.

Die Kelten glaubten jedoch, man brauchte nur den globalen Plan der Erdstrahlen zu entdecken. Darum stellten sie Megalithe auf. Die Menhire waren radiästhetische Apparate, so etwas wie Wünschelruten, Fühler, Sonden, elektrische Stecker, die an die Punkte gesteckt wurden, wo sich die tellurischen Ströme in verschiedene Richtungen teilten. Die Leys bezeichneten den Verlauf der bereits identifizierten Ströme. Die Dolmen waren Kammern zur Kondensation der Energie, in denen die Druiden versuchten, mit geomantischen Mitteln den globalen Plan zu erschließen, die Cromlechs und Stonehenge waren mikro‑makrokosmische Observatorien, in denen man sich bemühte, am Lauf der Sterne den Lauf der Ströme zu erraten – denn wie die Tabula Smaragdina lehrt: So wie es oben ist, ist es auch unten.

Doch nicht dies war das Problem, jedenfalls nicht dies allein. Das hatte der andere Flügel der Atlantis‑Emigranten begriffen. Die geheimen Kenntnisse der Ägypter waren von Hermes Trismegistos auf Moses übergegangen, der sich wohlweislich hütete, sie seinen zerlumpten Landsleuten mitzuteilen, die den Hals noch voll Manna hatten – denen hatte er die zehn Gebote gegeben, die konnten sie wenigstens verstehen. Die Wahrheit jedoch, die aristokratisch ist, die hatte Moses chiffriert im Pentateuch niedergeschrieben. Und das hatten die Kabbalisten begriffen.

»Denken Sie nur«, sagte ich.»Alles stand bereits wie in einem offenen Buch in den Maßen des Salomonischen Tempels geschrieben, und die Hüter des Geheimnisses waren jene Rosenkreuzer, welche die Große Weiße Brüderschaft konstituierten, das heißt die Essener, die bekanntlich Jesus an ihrem Geheimnis teilhaben ließen, was der Grund für die sonst unbegreifliche Tatsache ist, daß er gekreuzigt wurde...«

»Gewiss, die Passion Christi ist eine Allegorie, eine Ankündigung des Templerprozesses.«

»In der Tat. Und Joseph von Arimathia hat das Geheimnis von Jesus erfahren und ins Land der Kelten gebracht oder besser zurückgebracht. Aber noch ist das Geheimnis unvollständig, die christlichen Druiden kennen nur einen Teil davon, und dies ist die esoterische Bedeutung des Grals: Es gibt da noch etwas, aber wir wissen nicht, was es ist. Was es sein müsste, was der Tempel schon lange besagen würde, wenn man ihn nur zu lesen verstünde, vermuten nur ein paar Rabbiner, die in Palästina geblieben sind. Sie vertrauen es den muslimischen Geheimsekten an, den Sufis, den Ismaeliten, den Mutakallimun. Und von denen erfahren es dann die Templer.«

»Endlich die Templer. Ich war schon in Sorge.«

Wir formten und feilten weiter an dem Großen Plan, der sich wie weicher Ton unserer Fabulierlust fügte. Die Templer hatten das Geheimnis während jener schlaflosen Nächte entdeckt, die sie, Arm in Arm mit ihren Sattelgefährten, in der Wüste verbrachten, wo unerbittlich der Samum blies. Sie hatten es Stück für Stück denen entrissen, die das kosmische Konzentrationsvermögen des Schwarzen Steins von Mekka kannten, der ein Vermächtnis der babylonischen Magier war – denn nun war auch klar, daß der Turmbau zu Babel nichts anderes gewesen war als der Versuch, leider übereilt und zu Recht an der Hybris seiner Planer gescheitert, den größten Menhir aller Zeiten zu errichten, nur daß die babylonischen Architekten sich mit der Statik verrechnet hatten, denn hätte der Turm die geplante Höhe erreicht, so hätte sich wegen seines enormen Gewichts, wie Athanasius Kircher gezeigt hat, die Erdachse um neunzig Grad oder vielleicht noch mehr gedreht, und unser armer Planet wäre, statt aufrecht mit einer zum Himmel ragenden ithyphallischen Krone, gebeugt mit einem sterilen Appendix dagestanden, mit einer welken Mentula, einem pendelnden Affenschwanz, einer Schechinah, die sich in den schwindelnden Abgründen einer antarktischen Malchuth verlor, als schlaffe Hieroglyphe für Pinguine.

Date: 2015-12-13; view: 437; Íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ; Ïîìîùü â íàïèñàíèè ðàáîòû --> ÑÞÄÀ...



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