Главная Случайная страница


Полезное:

Как сделать разговор полезным и приятным Как сделать объемную звезду своими руками Как сделать то, что делать не хочется? Как сделать погремушку Как сделать так чтобы женщины сами знакомились с вами Как сделать идею коммерческой Как сделать хорошую растяжку ног? Как сделать наш разум здоровым? Как сделать, чтобы люди обманывали меньше Вопрос 4. Как сделать так, чтобы вас уважали и ценили? Как сделать лучше себе и другим людям Как сделать свидание интересным?


Категории:

АрхитектураАстрономияБиологияГеографияГеологияИнформатикаИскусствоИсторияКулинарияКультураМаркетингМатематикаМедицинаМенеджментОхрана трудаПравоПроизводствоПсихологияРелигияСоциологияСпортТехникаФизикаФилософияХимияЭкологияЭкономикаЭлектроника






Rückblick 7 page





Der treue Gardener hatte gewiß recht, als er mich warnte, mich einer Alchymie zuzuwenden, die mit irdischer Metallverwandlung zu tun hat. – Sie hängt innig zusammen mit dem Eingreifen der Bewohner einer unsichtbaren finstern Welt – mit schwarzer, linker Magie würde er gesagt haben –, das glaube ich bestimmt, aber was geht das mich an! Ich beteilige mich selbst ja nicht daran und strebe nicht nach dem Gold, sondern nach dem Ewigen Leben!

Daß Geister mit im Spiel sind, will ich nicht leugnen: seit dem Tage des Einzugs Kelleys in meinem Hause sind gar seltsame unerklärliche Anzeichen ihrer Gegenwart zu spüren: ein vielfaches Klopfen, das kurz verhallt, als stäche jemand mit einem Zirkel in Holz; ein reißendes Knacken und Prasseln in Wänden und Schränken, in Tischen und andern Hausgeräten, – auch ein Kommen und Gehen von Schritten unsichtbarer Boten und ein Seufzen und hastiges Flüstern, das jäh verstummt, wenn man aufhorcht, – namentlich zur zweiten Stunde der Nachtzeit und öfter begleitet von langhinziehenden Klängen, als gehe der Wind durch gespannte Saiten. Ich habe schon häufig mitten in der Nacht das Haupt erhoben und im Namen Gottes und der Heiligen Dreifaltigkeit das unsichtbare Wesen beschworen, es möchte Rede stehen und verkünden, wozu es aus der Ruhe des Grabes gestört oder sonst aus dem Jenseits zu uns herübergesendet, bestellt oder beauftragt sei; aber es hat mir bis zur Stunde noch keine Antwort geben mögen. Kelley meint, daß es mit Buch und Kugeln des Heiligen Dunstan zusammenhängt. Die Geister, so sagt er, trachteten, noch den Rest der halberschlossenen Geheimnisse zu behüten, aber er würde es ihnen schon entreißen. Und er gestand mir, daß ihm solche Stimmen und Geräusche eben seit jener Zeit nachgegangen seien, als er diese Dinge erworben.

Diese Rede erschrak mich gar sehr, denn ich mußte wiederum denken, der alte Geheimagent und Kuppler, von dem Kelley die Dinge "erworben", könnte doch vielleicht ihretwegen ermordet worden sein. Wiederum fielen mir auch die früheren Worte des treuen Gardener ein: es sei vergeblich und gefährlich Bemühen, den Stein der Unsterblichkeit chymisch herzustellen, wenn der geheimnisvolle Weg der geistigen Wiedergeburt nicht vorher vollendet sei, auf den die Bibel in verhüllten Worten anspielt. Diesen Weg solle ich vorher ergründen und wandeln, sonst fiele ich von einer Grube in die andere und von einem Leid ins andere, als ob ein Irrlicht mein Führer wäre.

Um mich zu beruhigen, ließ ich den Kelley rufen und frug ihn auf Heil seiner Seele, ob es wahr sei, was er mir jüngst erzählt: nämlich, daß ihm ein grüner Engel und nicht etwa ein Teufel erschienen sei, der ihm versprochen habe, uns das Geheimniß der Bereitung des Steins zu offenbaren. Und Kelley schwor mir mit erhobener Hand, daß alles wahr und wahrhaftig sei. Der Engel, so sagte er, habe ihm kund getan, die Zeit sei gekommen, da ich eingeweiht werden solle und das letzte Geheimniß erfahren.

Dann verriet mir der Kelley, welche Vorbereitungen zu treffen wären, damit es dem Grünen Engel nach den Gesetzen der unsichtbaren Welt möglich werde, vor unsern Augen und greifbar unsern Sinnen zu erscheinen.. Nebst uns und vor allem Jane, meinem Weibe, die dicht an Kelleys Seite sitzen müßte, sollten noch zwei meiner Freunde zugegen sein in einer bestimmten Stunde und Nacht des abnehmenden Mondes in einem Zimmer, das ein Weltfenster hat.

Ich habe daraufhin sofort einen Boten an meine zwei alten erprobten Freunde Talbot und Price gesandt und sie bitten lassen, zu mir zu kommen, damit die Beschwörung der Geister nach den Anweisungen Kelleys zur bestimmten Stunde stattfinden könne und zwar auf den Tag Mariä Opfer am 21. November nachts 2 Uhr.

Die Beschwörung des Engels vom Westlichen Fenster.

Du Nacht Mariä Opfer, wie tief hast du dich eingegraben in das Tagebuch meiner Seele! Nun liegen sie hinter mir, versunken, vergessen, als hätte ich sie nie gelebt: diese langen endlosen Stunden der Erwartung und des brennenden Hoffens. Wunder, unbeschreibliche Wunder sind mir zuteil geworden, Wunder aus dem Reiche des Jenseits. Nicht fassen kann ich mich vor Staunen und Ergriffenheit ob der Allgewalt des dreifach gesegneten, gebenedeiten Engels. Tief im innersten Herzen habe ich Kelley Abbitte getan, jemals schlecht von ihm gedacht und den Splitter in seinem Auge und nicht den Balken im eigenen gesehen zu haben. Ein Werkzeug der Vorsehung ist er, das weiß ich jetzt, und Erschütterung durchfährt mich, wenn ich es denke.

 

Qualvoll waren die Tage, die der Nacht vorangingen. Immer aufs neue habe ich Diener nach London geschickt zu den Handwerkern, die Kelley beauftragt hatte, den Tisch nach seinen Weisungen herzustellen, um den wir fünf: Jane, Talbot, Price, er selbst und ich sitzen müßten, wenn der Engel beschworen werden würde. Aus Stücken von kostbarem Sandelholz, Lorbeerbäumen und Greenhart müßte er sein und die Form eines fünfeckigen Sternes haben. Mitten darin ein großes regelmäßiges Loch wie ein Fünfeck. Eingelassen in seine Kanten: kabbalistische Zeichen, Sigille und Namen, geschliffen aus Malachit und bräunlichem Rauchtopas. – Wie schäme ich mich in meine Seele hinein, wenn ich mich erinnere, daß ich kleinherziger, erbärmlicher Mensch mir Sorgen gemacht bei dem Gedanken, welche Summen die Herstellung dieses Tisches verschlingen würde! – Heute risse ich mir die Augen aus und schmückte damit den Tisch als mit Edelsteinen, wenn es sein müßte!

Immer, wenn die Diener aus London zurückkamen, hieß es: morgen, übermorgen! Noch immer sei der Tisch nicht fertig; wie verhext zöge sich das Werk hinaus; ohne sichtbare Ursachen sei der oder jener Schreinergeselle plötzlich schwer erkrankt und bereits drei seien während der Arbeit eines jähen unerklärlichen Todes, wie gepackt vom Pestgespenst, gestorben.

 

Ruhelos habe ich die Räume des Schlosses durchwandert und die Minuten gezählt, bis der trübe Novembermorgen des Tages Mariä Opfer heraufzog.

 

Price und Talbot schliefen wie die Murmeltiere, betäubt von seltsam schwerem traumlosen Schlummer, wie sie mir später erzählten. Auch Jane war kaum zu erwecken gewesen und schauderte und fror innerlich, als hätte ein Fieber sie im Schlaf befallen. – Nur in meine Augen war keine Ruhe gekommen; Hitze, unerträgliche Hitze brannte mir durch die Adern.

Lange schon vorher war eine unheimliche Ruhelosigkeit in Kelley eingezogen; wie ein scheues Tier wich er allen Menschen aus; ich sah ihn in den Stunden der Dämmerung im Park umherirren und zusammenfahren wie ertappt bei heimlichem Tun, wenn Schritte sich näherten. Tagsüber saß er brütend auf den steinernen Bänken, bald da, bald dort, und murmelte in sich hinein geistesabwesend oder redete laut und schreiend in einer unbekannte Sprache in die leere Luft, als stünde dort jemand. – Wenn er bisweilen aus seinem Zustand erwachte, so geschah es kaum für Minuten und dann fragte er hastig, ob endlich alles bereit sei, und verneinte ich verzweifelt, so begann er mich mit Scheltworten zu überhäufen, die er plötzlich unterbrach, um seine Selbstgespräche wieder aufzunehmen...

 

Endlich, kurz nach Mittag – ich hatte vor Ungeduld und Schwäche infolge des langen bangen Wartens keinen Bissen hinunterwürgen können – sah ich in der Ferne des Hügellandes die Karren und Wagen der Londoner Handwerker nahen. – In wenigen Stunden darauf stand der Tisch – zusammengefügt, denn ihn als ganzes Stück durch die Türen zu schaffen, wäre wegen seiner Größe unmöglich gewesen – oben im vorbereiteten Zimmer des Turmes im Schloß. Drei der Fenster, die nach Osten, Süden und Norden waren bereits zugemauert, wie Kelley befohlen hatte, nur das hohe Bogenfenster nach Westen – wohl sechzig Fuß über der Erde stand offen gelassen. An den Wänden des kreisrunden Raumes hingen nach meinem Geheiß die dunklen Bilder meiner Ahnen und zu ihnen sollte sich auch das Porträt des sagenhaften Hoël Dhat gesellen, gemalt aus der Phantasie von einem großen unbekannten Meister. Es hatte aber bald darauf wieder entfernt werden müssen, denn Kelley verfiel geradezu in Raserei, als er es erblickte.

In den Mauernischen standen meine hohen silbernen Kandelaber und dicke Wachskerzen staken in ihren Tulpen, gewärtig der kommenden feierlichen Beschwörung. – Wie ein Schauspieler memorierend, war ich oft und lang durch den Park gegangen, mir die rätselhaften unverständlichen magischen Formeln und Worte einzuprägen, die dem Anruf des Engels vorhergehen sollten. Kelley hatte sie mir eines Morgens gegeben und gesagt, sie seien ihm, auf einen Streifen Pergament eingeritzt, von einer aus der Luft kommenden Hand, an der der Daumen gefehlt habe, überreicht worden. Unwillkürlich hatte ich an den scheußlichen Bartlett Green denken müssen, wie er sich den Daumen aus dem Gelenk gebissen und dem Bischof Bonner ins Gesicht gespuckt hatte im Tower. – Wohl befiel mich bei diesem Gedanken ein kaltes Grauen, aber ich verscheuchte es: hatte ich doch die Kohle, das Geschenk des Straßenräubers, verbrannt und damit jegliche Verbindung mit dem Bartlett zerstört...

Endlich nach langer Mühe waren mir die Beschwörungsworte so ins Blut übergegangen, daß sie wie mechanisch von meinen Lippen liefen, wenn ich den Mund zu diesem Behufe öffnete. – – –

 

Wir saßen zu fünft schweigend im großen Saal und ich horchte mit vor Erregung schmerzend geschärftem Ohr auf den dritten Viertelschlag vor Zwei der Uhr im Glockenstuhl draußen im Kirchspiel. Dann klommen wir den Turm hinauf. Der fünfzackige Tisch, den Raum fast erfüllend mit spiegelnder Fläche, glitzerte auf, als Kelley taumelnd wie ein Berauschter von Kerze zu Kerze wankte und sie mit einem brennenden Spahn entzündete. Dann setzten wir uns der Reihe nach in die hohen Lehnstühle. Die beiden untern Spitzen des Pentagrammtisches waren nach Westen gerichtet, dem offenen Fenster zu, aus dem die frostig klare mondscheintriefende Nachtluft eiskalt hereindrang. An diese Spitze setzten sich Jane und Kelley. Ich selbst saß mit dem Rücken gegen Osten und mein Blick schweifte hinaus ins ferne, in scharfe Schlagschatten getauchte Waldland der Hügel, darinnen sich weiß wie vergossene Milch die bereiften Wege und Straßen hinzogen. Neben mir saßen stumm und erwartungsvoll Price und Talbot. Die Kerzen im Raum flackerten beständig, getroffen vom Luftzug, als sei auch ihre Ruhe verloren. – Der Mond, der hell am Himmel stand, war meinen Augen verborgen; nur sein greller Schrein troff von hoch oben herab, die weißen Steine der Fensterbrüstung mit seinem Lichtwasser begießend. – Vor mir das fünfeckige Loch im Tisch gähnte gleich einem breiten Brunnenschacht schwarzdunkel. – – -

 

 

Wir saßen unbeweglich wie Tote, und wohl jeder von uns hörte sein Herz hämmern.

Kelley schien plötzlich in tiefen Schlaf zu fallen, denn vernehmbar wurden mit einemmal röchelnde Atemzüge. Sein Gesicht begann zu zucken, doch mochte mir das nur scheinen, denn das flackernde Licht der Wachskerzen lief wechselnd über seine Züge hin. Ich wußte nicht, wann ich mit der Beschwörung beginnen sollte, denn ein Befehl aus Kelleys Mund, den ich erwartet hatte, blieb aus. Ich wollte versuchen, die Formel herzusagen, aber jedesmal war mirs, als legten sich unsichtbare Finger auf meine Lippen... Sollte alles nur Einbildung Kelleys gewesen sein? fragte ich mich und Zweifel beschlich mich, da fing mein Mund plötzlich wie von selbst an zu sprechen und ich stieß mit einer Stimme, so dröhnend und tief, daß ich mir selbst wie ein Urfremder vorkam, die Citation heraus. – – –

 

Eiskalte Erstorbenheit lag plötzlich im Raum, die Kerzen standen unbeweglich wie von Todeshauch getroffen. Ihr Schein war anders als noch kurz vorher: ihre Lichter standen steif und ohne Helle zu verbreiten. Man könnte sie abbrechen von den Kerzen, kam mir ein Gedanke zu Sinn, – abbrechen wie dürre Ähren... Die Ahnenkonterfeis an den Wänden waren zu schwarzen Schlünden geworden – wie Eingänge durch die Mauern hindurch in finstere Gelasse, und mir wurde durch das Verschwinden der Bilder zu Mut, als sei ich jetzt abgeschnitten von Wesen, die mich bis dahin hätten beschirmen wollen. – – –

 

In die Totenstille hinein klang da eine helle Kinderstimme:

"Ich heiße Madini und bin ein armes kleines Mädchen. Ich bin das vorletzte der Kinder meiner Mutter und habe noch ein Wickelkind zu Hause."

Zugleich sah ich draußen in freier Luft dicht vor dem Fenster die Gestalt eines niedlichen kleinen Mädchens von sieben bis neun Jahren schweben; sein Haar war vorn gelockt und hing hinten lang herab; es war mit einem rot und zugleich grün schillernden seidenen Schleppkleid angetan, das aussah, als sei es aus den Flächen des Edelsteins Alexandrit geschnitten, der bei Tag grün erscheint und des Nachts rot wie dunkles Blut. – So lieblich das Kind auf den ersten Blick zu sein schien, so grauenhaft war dennoch der Eindruck, der von ihm ausging: es schwebte und flatterte wie straffe glatte Seide vor dem Fenster und die Umrisse hatten keine räumliche Tiefe; die Züge des Gesichts waren wie gemalt: ein Phantom, bestehend nur aus zwei Dimensionen. Ist das die verheißene Erscheinung des Engels? fragte ich mich und eine wilde und zugleich tiefbittere Enttäuschung, die keineswegs durch die unerklärliche und wunderbare Sichtbarkeit des Wesens gemildert wurde, beschlich mich. Da neigte sich Talbot zu meinem Ohr und flüsterte erstickt:

"Es ist mein Kind; ich glaube es wiederzuerkennen. Es ist bald nach seiner Geburt gestorben. Wachsen die Toten nach ihrem Hinscheiden?"

So wenig schmerzlich und so wenig gerührt klang die Stimme meines Freundes, daß ich fühlte: ihm graut so, wie mir. – Ob es nicht ein Bild ist, tief in seinem Innern, das da gespiegelt ist in die Luft hinein, das sich losgelöst hat irgendwie und uns jetzt sichtbar erscheint? – packte mich ein Gedanke, aber ich mußte ihn sogleich wieder loslassen, denn das Phantom wurde mit einem Ruck überdeckt von einem fahlgrünen Glanz, der jäh aus dem Lochschacht des Tisches zwischen uns emporschoß, und im Nu zu überwältigender Höhe wie ein Geysir aus dem Boden springend, in eine Gestalt gerann, die Menschenform hatte und doch nichts Menschliches. Sie wurde zu einer smaragdenen Masse, durchscheinend wie Beryll, der man die furchtbare Härte des Gesteins ansah, – eine Härte, deutlicher und tief im eigenen Innern ahnbarer, als man wohl irgendeinem irdischen Stoff Härte nachfühlen oder ansehen könnte. Arme lösten sich aus den Felsen, Kopf und Hals. – – Und die Hände! Die Hände! Irgend etwas war an ihnen, das ich nicht bestimmen konnte. Ich vermochte den Blick von ihnen lange nicht zu wenden, bis ich langsam begriff: der Daumen an der Hand des rechten Arms stand außen, war der einer linken Hand. Ich kann nicht sagen: ich wäre entsetzt gewesen bei diesem Anblick – warum auch? Aber das Wesen, das da riesenhaft vor mir aufragte, war mir durch diese scheinbare Nebensächlichkeit bis ins urfremde Außermenschenhafte noch weiter entrückt, als durch sein so wunderbar unerklärliches greifbares Erscheinen...

 

Das Gesicht mit den weitauseinanderstehenden wimpernlosen Augen war starr bis zur Unbeschreiblichkeit. Etwas Furchtbares, Lähmendes, Tötendes und doch unsagbar Erschütterndes und Erhabenes ging von dem Blick aus und machte mich frieren bis ins Gebein. Jane konnte ich nicht sehen, denn sie war verdeckt von der Gestalt des Engels, aber Talbot und Price neben mir schienen zu Leichen geworden zu sein, so leblos weiß waren ihre Gesichter.

 

 

Die Lippen des Engels waren rot wie Rubin und in einem mir fremden Lächeln, fein an den Mundwinkeln verlaufend, in die Höhe gezogen. – – So unfaßbar eigentümlich mir das Kind vorhin in seiner Flächenhaftigkeit geschienen hatte, so fast betäubend wirkte auf mich die weit irdische Gewohnheit des Anblicks übersteigende Körperhaftigkeit der riesenhaften Figur: kein Schatten in der Gewandung, der sie hervorgehoben und perspektivisch betont hätte! Und trotzdem, vielleicht gerade deshalb, war mir, als seien es nur Flächen und nie Körper gewesen, die ich bis dahin in meinem Leben auf der Erde erschaut hatte, verglichen mit diesem Anblick eines Wesens aus der Überwelt!

Ich weiß nicht mehr: war ichs, der da fragte: "Wer bist du?" oder war es Price gewesen. Ohne die Lippen zu öffnen, sagte der Engel kalt und schneidend mit einer Stimme, die mir klang, als sei sie ein Echo tief aus meiner eigenen Brust:

"Il bin ich, der Bote vom westlichen Tor."

Talbot wollte eine Frage tun; er konnte nur lallen. Price riß sich empor; er wollte fragen; auch er konnte nur lallen! Ich raffte meine ganze Kraft zusammen, wollte den Blick zum Antlitz des Engels erheben; ich mußte die Augen senken; ich fühlte: ich werde sterben, wenn ich es erzwinge. Den Kopf gesenkt, fragte ich stammelnd:

 

"Il, Allmächtiger, du weißt, wonach meine Seele sich sehnt! Gib mir das Geheimnis des Steins! Und koste es mein Herz, koste es mein Blut – die Verwandlung aus dem Menschentier in einen König, in einen Auferstehenden, in einen Auferstandenen hier und drüben... will ich. Ich will das Buch des Heiligen Dunstan verstehen und seine Geheimnisse! Mach mich zu Dem, der ich... sein soll!"

 

Eine lange Zeit verging, die mir eine Ewigkeit dünkte. Tiefer Schlaf wollte mich erdrosseln, aber ich wehrte mich dagegen mit aller Macht meiner Sehnsucht. Dann dröhnten Worte durch den Raum, als sprächen die Wände und Mauern mit:

"Gut ists, daß du im Westen gesucht hast, im grünen Reich! Das ist mir ein Wohlgefallen. Ich gedenke, dir den Stein zu geben!"

"Wann?" schrie ich auf und verbrannte fast vor wilder, namenloser Freude.

"Übermorgen!" – kams, Silbe für Silbe zerbeißend, zurück.

"Übermorgen!!" jauchzte meine Seele. "Übermorgen!"

"Weißt du auch, wer du bist?" fragte der Engel.

 

"Ich? – Ich... bin John Dee!"

"So? Du bist... John Dee?!" – wiederholte die Erscheinung. Der Engel sagte es schneidend, noch schneidender, als früher seine Stimme klang. Es berührte mich... ich wage es nicht zu denken:... als ob... nein, ich will nicht, daß es mein Mund ausspricht, solange ich Macht über ihn habe, und die Feder es niederschreibt, solange ich sie daran hindern kann.

"Sir John Dee bist du, der Besitzer des Speers des Hoë Dhat, oh ich kenne dich wohl!!" – höhnte eine schrille, boshafte Stimme vom Fenster her; ich fühlte: das gespenstige Kind draußen wars, das da sprach.

 

"Wer den Speer hat, der ist der Sieger!" – tönten Worte aus dem Munde des Grünen Engels. "Wer den Speer hat, der ist berufen und ist auserwählt. Ihm sind untertan die Wächter aller vier Tore. – Folge du immerdar Kelley, deinem Bruder; er ist mein Werkzeug hier auf der Erde. Dir zum Führer bestellt, um dich zu geleiten über die Abgründe des Hochmuts. Ihm sollst du gehorchen, was immer er dir sagt und von dir verlangt. Was der geringste der Meinigen von mir fordert, das gib ihm! Ich bin er, und was du ihm giebst, das giebst du mir! Dann kann ich bei dir sein, in dir und um dich bis ans Ende der Tage."

 

"Das gelobe ich dir, gebenedeiter Engel!" rief ich, erschüttert bis ins Mark und bebend an allen Gliedern. "Das gelobe ich mit schwörender Hand, und sollte ich darob zu Grunde gehen!"

 

"Zu... Grunde... gehen!" hallte es nach von allen Wänden.

Totenstille lag im Raum. Mir war, als dröhnte mein Schwur durch die Tiefen des Weltraums. – Die Kerzen flackerten auf. Waagrecht standen die Lichter der Flammen, als hätte ein Windstoß sie geduckt.

 

Kälte, daß mir die Finger erstarrten, ging von dem Engel auf mich aus. – Mit fast gelähmten Lippen fragte ich:

"Il, du Gesegneter, wann sehe ich dich wieder? Wie kann ich dich sehen, wenn du fern von mir bist?"

 

"Sehen kannst du mich immer in der Kohle. Aber sprechen kann ich durch sie nicht!"

"Ich habe die Kohle verbrannt", stammelte ich und Reue ergriff mich, den Spiegelkrystall vor Gardener, meinem verfluchten Laboranten, zerstört zu haben in feiger Angst vor dem Bartlett Green.

 

"Willst du, daß ich sie dir wiedergebe? – John Dee... Erbe des... Hoë... Dhat?"

"Gib sie mir, Il, Mächtiger, du...!" flehte ich.

 

"So schließ die Hände zum Gebet! Beten heißt: empfangen, wenn... Einer zu... beten gelernt hat!"

"Das hab ich", jubelte es in mir. Ich legte die Finger zusammen. – Ein Gegenstand quoll zwischen den Handflächen; trieb sie auseinander. – – Als ich sie öffnete, da hielt ich... die Kohle darin!...

 

"Du hast sie verbrannt! Damit hat sie das alte Leben verloren! Jetzt lebt dein Leben in ihr, John Dee; sie ist... wiedergeboren und auferstanden von den Toten! Auch Dinge können nicht sterben!" – – –

Ich staunte das Ding an, der äußersten Verwunderung voll! – Wie wunderbar sind doch die Wege der unsichtbaren Welt. Nicht einmal das verzehrende Feuer auf Erden ist Bringer der Vernichtung! – –

"Ich... danke dir... Il... ich danke dir!" – wollte ich stammeln. Vor Rührung konnte ich nicht mehr reden. Tränen erstickten mir die Stimme. Dann brachs aus mir mit Springflutgewalt:

"Und der Stein? Du wirst mir auch ihn....?!"

"Ü... ber... mor... gen..." – flüsterte es wie aus weiter Ferne, denn der Engel war ein zarter Hauch geworden. Durchsichtig wie durch trübes Glas schien das Kind vor dem Fenster in mein Auge. Leblos wie ein Stück seidenen Schleiers hing es in der Luft. Dann verschwand es ins Land hinein, sank als grünlich schillernder Nebel zur Erde und wurde Wiesenfläche...

 

Das war meine erste Begegnung mit dem Engel vom westlichen Fenster.

Wie könnte noch das Schicksal mich quälen und fürder bedrücken!? Mich, der ich solcher Gnade teilhaftig wurde! Gesegnet sei die Nacht Mariä Opfer!

 

Lange sind wir noch zusammengesessen und haben erschüttert Reden getauscht über das wunderbare Begebniß. Als sei es der größte Schatz der Welt, habe ich die Kohle des Bartlett... nein, nein: die Kohle des Engels in der Hand gehalten, damit sie mich beständig gemahne, daß ich eines Wunders gewürdigt worden. Mein Herz zerbarst fast, wenn ich der Versprechung des Engels gedachte: Übermorgen! – – –

 

Kelley lag in tiefem Schlaf, bis früh das Morgenrot, blutend wie aus Wolkenwunden, am Himmel stand. Dann ging er schweigend, schlürfend wie ein müder Greis, stumm hinunter, ohne den Blick auf uns zu richten. – – –

Oh, wie falsch ist doch das Wort der Menge: "Hüte dich vor den Gezeichneten!" begriff ich, wie ich so dem Mann mit den abgeschnittenen Ohren nachsah. "Ein Werkzeug der Vorsehung ist er, und... ich hab ihn, meinen Bruder, für... einen Verbrecher gehalten!" – – –- Demütig will ich sein! nahm ich mir vor. Demütig, dann werde ich des... Steines würdig werden! – – –

 

Seltsam war, was ich von Jane erfuhr: der Engel hatte, wie ich geglaubt, mit dem Rücken gegen sie gewendet gestanden. Jetzt sagte sie mir zu meinem Erstaunen, sie hätte, ebenso wie ich, beständig sein Gesicht auf sie gerichtet gesehen. Was er gesprochen, das hatten alle genau so gehört wie ich. Price gab sich Mutmaßungen hin, wie das wunderbare Geschehnis mit der Wiederbringung der Kohle sich vollziehen konnte und nach welchen uns verborgenen Gesetzen. Er meinte, Dinge seien etwas anderes, als wir wohl mit unseren befangenen Alltagssinnen vermuteten; vielleicht seien sie gar keine Gegenstände, sondern nur Wirbel einer unbekannten Kraft. Ich hörte nicht hin! Mein Herz war zu voll.

 

 

Talbot war wortkarg. Mag sein, er dachte an sein totes Kind!...

Monate, viele Monate sind vergangen, und die Protokolle, die ich über die Geistersitzungen führe, sind allmählich zu dicken Bänden angeschwollen. Verzweiflung ergreift mich, wenn ich sie sehe. Hoffnungen – Hoffnungen, verzehrendes Feuer der Erwartung all die langen nicht enden wollenden Tage hindurch! Immer noch keine Gewißheit, keine Erfüllung! – Erneuert ist die alte Qual? Der bis zur Neige gekostete Kelch? Soll es auch mir so ergehen, daß ich einst ausrufen muß: mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?! Sei es drum, aber darf ich dann hoffen, den Auferstehungsleib zu gewinnen? –

 

Die Versprechungen des furchtbaren Grünen Engels vom Westlichen Fenster haben nicht aufgehört – aber auch meine Zweifel nicht, die an mir nagen wie der Wurm im Holz! Mit jeder Sitzung, die ich teils mit meinen Freunden, teils auch allein mit Kelley und meinem Weibe Jane Nacht für Nacht abhalte, wenn die Zeit des zunehmenden Mondes anhebt, wiederholen sich die glänzenden Verheißungen, die mir Reichtum ohne Maaß, vor allem aber die Erkenntnis und den geheimen Gebrauch des Steines in immer nähere und immer sichere Aussicht stellen. Wenn der Mond zunimmt, dann zähle ich die Stunden und Minuten, bis die Zeit wiederkommt, wo wir zu abermaligen Sitzungen schreiten dürfen; es ist ein Warten von solch zermürbender, mir jegliche Tatkraft raubender Entsetzlichkeit, daß es sich nicht beschreiben läßt. Die Zeit wird zum Vampyr an mir und saugt mir die Lebenskraft aus dem Blute. Der wahnwitzige Gedanke, unsichtbare grauenhafte Wesen mästeten sich davon, krallt sich in mich ein und ich wehre mich vergebens mit oft laut geschrieenen Gebeten. Ich sage mir mein Gelübde vor, daß ich Reichtum nimmermehr begehren will, und doch klammere ich mich zu gleicher Zeit an die heiße Hoffnung auf Geld und Gut, denn was soll werden: täglich schmilzt, was ich noch besitze, dahin wie Eis an der Sonne. Es ist, als wolle das Schicksal selbst mir beweisen, daß ich das Gelübde nicht halten könne, daß es mich zwingen werde, ja: zwingen, es zu brechen. Hat Gott, der Allmächtige, den Teufeln Macht eingeräumt, mich zum Eidesbrecher zu machen? Oder ist der Gott, an den wir Menschen glauben und auf den wir hoffen, vielleicht selbst – ein... nein, ich will es nicht denken, ich will es nicht zu Wort kommen lassen, will es nicht niederschreiben: das Haar sträubt sich mir!

 

 

Und wieder reihe ich Geisterbeschwörung an Geisterbeschwörung in Sitzung auf Sitzung, häufe Mühe und Aufwand, lasse jede Rücksicht dahinten: Rücksicht auf Gesundheit, Verpflichtungen anderer Art, Rücksicht auf Ruf und Vermögen und fahre fort, den Segenbringer, den unersättlichen Engel, den unermüdlichen Förderer, zu beschwören, anzuflehen und ihm Hoffnungen und Herzblut darzubringen. Das Buch meiner Protokolle wird mir ein höhnendes Orakel, wenn ich es in den Nächten meiner Schlaflosigkeit mit brennenden Augen durchprüfe und immer wieder und wieder durchprüfe, nach Fehlern suche, die ich mir vorzuwerfen hätte, um Einsicht ringe, wie ich zum nächsten Mal Bedingungen stellen und erfüllen möchte, die mir die Macht verleihen, die Gaben des grünfeurigen Engels zu gewinnen und sei es auch mit dem letzten Blutstropfen meines müden Herzens. Wenn ich so bis zum Morgengrauen mit fiebrigen Lidern, mit versagendem Puls und zerschlagenen Gliedern wache und bete und suche, dann werde ich irre an Dir, Gott! Gott! Danach bin ich tagelang unfähig, das Buch des Heiligen Dunstan, wie ich sollte, zu durchgrübeln, und Kelley überhäuft mich mit Vorwürfen, ich verzögerte das Werk und setzte das Gelingen in Frage.

Date: 2015-09-05; view: 254; Нарушение авторских прав; Помощь в написании работы --> СЮДА...



mydocx.ru - 2015-2024 year. (0.007 sec.) Все материалы представленные на сайте исключительно с целью ознакомления читателями и не преследуют коммерческих целей или нарушение авторских прав - Пожаловаться на публикацию