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Rückblick 2 page





 

Ich sah daraus mit Staunen, daß sie mehr wußte, als ich gedacht. Zugleich erklärte sie mir aber auch mit seltsamer Feierlichkeit, daß sie sich nun auf Lebenszeit als meine Schwester fühle, viel mehr denn als Buhlin meines Blutes, und daß unsere Gemeinschaft ihren Anfang nehmen müßte von der Blutsgemeinschaft der Geschwister aus, damit sie dereinst den Gipfel der Blutsvereinigung erlange. Ich verstand und verstehe nur wenig den Sinn und Zweck solcher phantastischen Rede, – aber auch damals packte michs, als spräche etwas Unirdisches aus der Königin – wenn ich nicht heraushören sollte, daß sie mir Grenzen zuzuweisen wünschte, die all mein zähes Streben und Hoffen nur mit äußerstem Widerstand anzuerkennen vermochte. Seltsam nur, daß ich niemals den Gedanken loswerden kann, etwas anderes als sie – eine unbekannte Kraft und Stimme – habe damals aus ihrer Rede gesprochen – etwas, was eine Bedeutung haben muß, die ich vielleicht niemals werde enträtseln können. Was mag das nur bedeuten: Gipfel der Blutsvereinigung?! – Damals kämpfte ich in Greenwich mit Elizabeth das erste und einzigemal den offenen, ehrlichen Kampf um Liebe und Gegenliebe und um das natürliche Recht des Mannes auf sein Weib. Umsonst. Elizabeth versagte sich, unnahbarer denn je.

 

 

Ja, nach diesen Tagen der allertiefsten Seelengemeinschaft wandte sie sich zu einer verschwiegenen Morgenstunde im Park plötzlich mit ganz verändertem Gesicht zu mir. Ihre Augen zeigten den unergründlichen und rätselhaften Ausdruck einer schier spöttischen Zweideutigkeit und sie sagte:

 

"Da du, Freund Dee, so sehr hat das Recht des Mannes auf sein Weib gegen mich gepriesen hast, so habe ich darüber die vorige Nacht mit Ernst nachgesonnen und bin zu dem freien Entschlusse gelangt, deinem Mannestrieb nicht nur die Bahn zu öffnen, sondern mit eigener Hilfe dir die Erfüllung deiner Sehnsucht zu gewähren. Ich will die Lanze zum Reif gesellen und sie dir ins Wappen stellen zum Zeichen der glücklichen Ehe. Ich weiß, deine Angelegenheiten in Mortlake stehen nicht zum besten und Gladhill ist bis auf den letzten Dachziegel in fremde Hände verpfändet. Darum steht dir eine reiche Frau gewiß wohl an und zugleich eine solche, die dem Stolzsinn eines Roderich-Enkels nichts abbricht. Ich habe beschlossen, daß du meine reizende und so überaus sanfte Jugendfreundin, Lady Ellinor Huntington, ehelichst.

Und dies schon beim nächsten.

Lady Huntington kennt Meinen Wunsch seit heute morgen und ihre Ergebenheit für meine Person ließ sie nicht zögern, sich Meinem Wunsche zu fügen. Du siehst, John Dee, wie ich – schwesterlich um dich besorgt bin."

 

Der furchtbare Hohn dieser Rede – wenigstens empfand ich so – traf mich ins Innerste meines Herzens. Elizabeth kannte doch genau meine Gefühle für Ellinor Huntington, die hochmütige, herrsch- und klatschsüchtige, ebenso bigotte, wie mißgünstige Verderberin unserer Kindheitsträume und Jugendneigung. Die Königin wußte also sehr wohl, was sie mir und sich selbst antat, wenn sie aus der Machtvollkommenheit ihrer Majestät mir die Ehe mit dieser geborenen Feindin aller meiner Instinkte und Hoffnungen anbefahl! Wieder faßte mich damals der herzbrennende Haß gegen irgend etwas in der Natur meiner königlichen Geliebten und ich neigte mich wortlos vor Gram und verwundetem Stolz dieser hochmütigen irdischen Herrscherin und ging aus dem Park von Greenwichcastle fort.

 

 

Wozu die Kämpfe, die Demütigungen und die "klugen" Überlegungen nochmals heraufbeschwören, die dann folgten? Robert Dudley vermittelte und die Königin vollendete ihren Willen. Ich heiratete damals Ellinor Huntington und verlebte an ihrer Seite vier frostige Sommer und fünf scham- und abneigungsglühende Winter. Ihre Mitgift hat mich reich und sorgenlos, ihr Name mich beneidet und neu geehrt bei meinen Stammesgenossen gemacht. Königin Elizabeth genoß ihren bösen Triumph, mich, den Bräutigam ihrer Seele, in den kalten Armen einer ungeliebten Frau zu wissen, deren Küsse keinerlei Gefahr der Eifersucht für sie – die "jungfräuliche" Majestät – zu erregen drohten. Damals schwor ich am Altare zugleich eheliche Treue meinem Weib und Rache aus dem Urgrund meiner unstillbaren Liebe hervor der grausam mit mir spielenden Geliebten, der Königin Elizabeth.

 

 

Den Fingerzeig zu dieser Rache gab mir Bartlett Green.

Zuvor aber kühlte Elizabeth noch ihre ganze Lust an mir, indem sie mich nun erst recht in die intimsten Sorgen ihrer privaten Politik hineinzog. Sie eröffnete mir, daß die Staatsraison ihre eigene Verehelichung ratsam mache. Sie befrug mich, lauernd und mit dem grausamen Lächeln einer Blutsaugerin um meinen Rat und meine Ansichten über die Eigenschaften eines Mannes, der sich für sie schicke. Endlich fand sie keinen so geeignet, wie mich – – – auf Brautschau auszureisen; und ich lud auch dieses Joch auf meine Schultern, um das Maß meiner Demütigungen voll zu machen. Es ist nichts aus jenen Heiratsplänen geworden; und meine eignen diplomatischen Aufträge endigten damit, daß Elizabeth ihre politischen Combinationen änderte und ich selbst schwer in Nancy erkrankte und zwar im Gastbett eines der Ehecanditaten meiner Königin. – Gebrochen an Stolz und Mut kehrte ich nach England heim.

 

 

Gleich am Tage meines trüben Einzugs in Mortlake, – es war in dem schönen und warmen Frühherbst des Jahres 1571, – erfuhr ich durch Ellinor, mein erstes allezeit gleich einer Wachtelhündin spürsames Weib, daß Königin Elizabeth sich zu so später Jahreszeit nochmals in Richmond habe ansagen lassen, was mehr als ungewöhnlich war. Ellinor konnte ihre bösmeinende Eifersucht gegen mich kaum meistern, unerachtet sie selbst ungütig und kalt wie Marmelstein gegen mich verharrte, trotz meiner langen Abwesenheit und nicht, ohne ernstliche Gefahr über mich kaum Genesenden heraufzubeschwören.

 

In der Tat kehrte auch Elizabeth zur selben Zeit mit nur wenig Begleitung in Richmond ein und bezog dort ihre Gemächer wie zu längerem Aufenthalt. – Nun ist von Richmond nach Mortlakecastle kaum mehr als eine gute Meile Wegs; es war darum eine baldige und danach eine öftere Begegnung mit der Königin nicht zu vermeiden, ausgenommen, sie hätte ausdrücklich gewünscht, mich nicht zu sehen. Das Gegenteil aber trat ein und Elizabeth empfing mich schon am nächsten Tage nach ihrem Einzug in Richmond mit großen Ehren und Freundlichkeiten, wie sie mir ja auch nach Nancy zwei ihrer eigenen Leibärzte und ihren vertrautesten Courier William Sidney mit treuester Besorgnis und Anbefehlung aller denkbaren Bequemlichkeiten zugesandt hatte.

 

Sie zeigte sich auch jetzt um mein Wohlergehen sehr besorgt, ließ mich mit hingeworfenen Worten und mit einem nicht gänzlich verwirrenden Spiel ihrer Gunst täglich stärker spüren, wie erlöst und erwartungsvoll beglückt sie sich ihrer neu zurückgewonnenen Freiheit erfreue und wie lebhaft und vieldeutig dankbar sie es empfinde, einer Ehefessel entronnen zu sein, die ihr weder Liebe entlockt, noch Treue zu halten gestattet haben würde. Kurz: ihre Andeutungen kreisten wie schillerndes Licht oftmals um das Geheimniß unseres tiefsten Verbundenseins und manchmal schien es mir, als wollte die unbegreifliche Geliebte die pedantisch unfruchtbare Eifersucht Ellinor Huntingtons zugleich verspotten – und rechtfertigen. Wieder ging ich länger als einen Monat in blindester Hingabe am Gängelbande meiner Herrin; und zu keiner andern Zeit hat sie mit solchem Ernst, Wohlwollen und Eifer zugehört, wie ich ihr meine kühnsten Pläne, ihre Person und die Reichsregierung zu verherrlichen, vortrug. Sie schien abermals begeistert von dem Gedanken der grönländischen Expedition und traf die wichtigsten Anstalten, meine Vorschläge zu prüfen und ins Werk zu setzen.

 

Mehrere Gutachten der Admiralität hielten meine sorgfältig ausgearbeiteten Dispositionen und Projekte für vollkommen durchführbar, und die militärischen Berater stimmten ihnen begeistert zu. Von Woche zu Woche erwärmte sich die Königin mehr dafür, das große Unternehmen zu beginnen. Ich glaubte mich dem Ziele meines Lebens nahe und schon war aus Elizabeths Munde – und aus einem wie in holdseliger Magie des verheißungsvollsten Lächelns strahlenden Munde –! – das Wort gefallen, das mich zum Vicekönig aller neuen, der Krone Englands untertänig gemachten Länder berufen hätte: zum "König des Trones jenseits des Westmeeres", da brach der gewaltige Traum meines Lebens auf die grausamste, jämmerlichste und erbitterndste Weise, die je eines Menschen Herz und Seelenkraft zu ertragen verflucht war, in einer Nacht zusammen. Was sich heimlich begeben hatte, ich weiß es nicht. –

Und noch heute ist mir das dunkle und furchtbare Geheimnis dieses Zusammenbruchs im tiefsten unenthüllt.

Nur soviel ist mir bekannt:

Für den Abend war ein letzter Kronrat mit samt den nächsten Ratgebern der Königin einberufen: insbesondere war der Lordkanzler Walsingham zugezogen. Am späten Nachmittag hatte ich behufs Besprechungen einiger weniger Ratsfragen Audienz bei meiner Herrin, – vielmehr: ich plauderte mit ihr wie mit meinem besten Kameraden und Vertrauten unter den Bäumen des herbstlichen Parkes. Einmal, in einem Augenblick, als wir beide in sämtlichen Punkten meines Projektes übereinstimmten, ergriff sie meine Hand und sagte zu mir – und ihr majestätischer Blick senkte sich forschend in meine Augen –:

 

"Und wirst du, John Dee, als Herr jener neuen Provinzen und als Untertan Meiner Krone allezeit Wohl und Glück Meiner Person im Auge behalten?"

 

Da warf ich mich vor der Herrin in die Kniee und schwor ihr zu, Gott möge mein Zeuge und mein Richter sein, daß ich von nun an nichts mehr sinnen, noch tun wollte, als ihre Macht und Herrschaft in dem neuen indianischen Erdteil zu fördern.

 

Da blitzten ihre Augen seltsam auf. Sie hob mich selbst mit kräftiger Hand aus meiner knienden Stellung und sagte langsam:

"Es ist gut, John Dee. Ich sehe, daß du entschlossen bist, dein Leben und dich selbst im Dienste – – – Großbritanniens aufzuopfern, indem du neue Erdteile Meiner Macht unterwirfst. Die Inseln danken dir für deinen Willen."

Mit diesen kühlen und undurchsichtigen Worten entließ sie mich.

Noch in der darauffolgenden Nacht gelang es dem neidischen und kurzsichtigen Lordkanzler Walsingham die Königin zu bestimmen, daß sie die ganze Angelegenheit auf unbestimmte Zeit vertagen ließ, um sie gelegentlich später einmal nachzuprüfen. – – –

Zwei Tage darauf verlegte Königin Elizabeth ihr Hoflager nach London, ohne Abschied von mir genommen zu haben.

Ich brach zusammen. Worte sind nicht imstande die Verzweiflung meines Herzens auszudrücken.

Da trat in der Nacht der Bartlett zu mir und spottete meiner, recht polterig lachend nach seiner ungeschlachten Art:

"Hoë, liebster Bruder Dee, so bist du also deiner zukünftigen Eheliebsten recht als ein bärenrauher Kriegsmann und Reichsschlüsselbewahrer zwischen ihre liebsten Träume gefahren und hast die magdliche Eifersucht Ihrer Majestät artig bei den Haaren gezogen! Und da wunderst du dich, daß die Kätzin kratzt, die du wider den Strich bürstest?!" –

 

Da gingen mir über den Reden des Bartlett die Augen auf und ich sah mit einemmale in die Seele Elizabeths und las darin wie in einem offenen Buch und verstand, daß ihre Seele nicht dulden wollte, daß ich um einer andern Sache willen solle Neigung, Eifer und Bestreben hingeben, las um ihre Person und Neigung allein! Und fuhr in barer Verzweiflung, Not und Angst in meinem Bette hoch und beschwor den Bartlett bei allem, was ihm meine Freundschaft gelte, er möchte mir raten, was ich tun sollte, die gekränkte hohe Frau wiederzugewinnen. Und hat mir Bartlett in jener Nacht vieles zu wissen getan aus der wunderbaren Macht einer Erkenntnis und ließ mich in der Zauberkohle, die er mir geschenkt, als er von dieser Seite der Welt abtrat, auf eine untrügliche Art erkennen, daß ich Königin Elizabeth und Lord Walsingham zu Gegnern habe, – ihn, weil er im Begriffe stund, ihr Buhle zu werden, – und sie, weil ihr gekränkter Weiberstolz mir so unsinnig grollte. So daß ich in eine helle Raserei der Wut und der lange gebändigten Rache für alle mir angetane Quälerei und Verführung geriet und mich ganz den Ratschlägen des Bartlett ergab, der mir sagte, was zu tun sei, um das "Weib" Elizabeth zu meinem Willen und Blut zurückzuzwingen.

Also bereitete ich mich noch in selbiger Nacht mit aller Kraft meiner überschäumenden Begier nach Vergeltung vor und folgte in allem den Weisungen des gespenstischen Bartlett Green.

Ich wage aber nicht, die ceremonias hier nach der Reihe zu beschreiben, die ich vornahm, um Gewalt über die Seele und über den Leib Elizabeths zu gewinnen. Der Bartlett stand bei mir, wenn mir der Schweiß über dem furchtbaren Werk aus allen Poren brach und mir Herz und Hirn so übel taten, daß ich meinte, in Ohnmacht niederzustürzen zu müssen. Ich kann nur sagen: es giebt Wesen, deren Anblick schon so furchtbar ist, daß einem das Blut erstarrt; wer aber begreife mich, wenn ich sage: noch furchtbarer ist ihre unsichtbare Nähe! Dann tritt zu der entsetzlichen Angst noch das grauenhafte Gefühl wehrloser Blindheit.

 

Endlich gelang es mir, die Beschwörungen, die ich zuletzt außerhalb des Hauses bei ziemlicher Kühle und nackendem Leib unter dem abnehmenden Monde vornahm, zu vollenden; zuletzt hob ich den schwarzen Kohle-Krystall gegen das Mondlicht empor und schaute drei Vaterunserlängen in die spiegelnde Fläche mit angestrengtem Spannen aller meiner Willenskräfte. Indem verschwand der Bartlett und die Königin Elizabeth kam schwebenden Ganges und mit geschlossenen Augen in rätselhafter Eile über die Parkwiese herbeigeschritten. Ich sah wohl, daß die Herrin sich weder im wachen noch auch natürlichen Schlafzustande befand. Es war vielmehr ihr Aussehen wie das eines Gespenstes. Nie vergessen werde ich, was sich dabei im Innersten meiner Brust begab. Es war kein Klopfen meines Herzens mehr da, – nein, es war ein wildes unartikuliertes Schreien, das sich aus meinem Pulse losrang und wie ein weiter Ferne und doch tief in mir selbst ein Echo grausigen Stimmengewirrs wachrief, so daß sich mir vor wildem Entsetzen das Haar sträubte. Aber ich nahm allen Mut zusammen und faßte Elizabeth bei der Hand und führte sie in mein Schlafgemach, wie mir der Bartlett zuvor anbefohlen hatte. Auch fand ich ihre Hand zuerst kühl, jedoch erwarmte sie bald samt der ganzen Gestalt, als ginge mein Blut in sie über, je länger ich sie berührte. Endlich bewirkten meine zarten Liebkosungen auch ein freundliches Lächeln auf ihren so verschlossenen Zügen, daraus ich das innere Einverständnis und die wahre Sehnsucht ihrer Seele zu erkennen vermeinte. Darum ich auch nicht länger zögerte, sondern mich in gewaltiger Inbrunst und innerlich jauchzend vor Siegesgefühl mit ihr vermählt mit allen meinen Sinnen.

 

Und so gewann ich mir mit Gewalt mein vorbestimmtes Weib.

In dem Tagebuch John Dees folgen hier über mehrere Blätter hin höchst seltsame und verworrene, übrigens auf gar keine Weise wiederzugebende Zeichen, wirr hingemalte Symbole und Berechnungen, vielleicht kabbalistischer Art, mit Zahlen sowohl wie mit Buchstaben. Der Eindruck davon ist indessen durchaus nicht der einer irgendwie sinnvoll gebrauchten Geheimschrift, aber auch nicht der von beliebigen Spielereien der Feder. Ich vermute, diese Sigille haben Bezug auf die Verschwörung, die mein Urahn John Dee vorgenommen hat, um Elizabeth zu sich zu zwingen. Etwas Grauenhaftes strömt wie feines giftiges Od von diesen Buchseiten auf mich über, so daß es nicht möglich ist, mit Aufmerksamkeit längere Zeit darauf zu schauen. Deutlich fühle ich, daß Wahnsinn, plattgedrückt und mürb wie uralter fixierter Pflanzenstaub zwischen Herbariumsblättern, auf diesen Seiten des Tagebuchs John Dees ruht, und daß Wahnsinn, gleich einem unnennbaren Fluidum aufsteigt und meinen Kopf bedroht. Wahnsinn hat diese Blätter mit seinen unerkennbaren Zeichen bekritzelt, und die nächsten, wie noch taumelnd hingehasteten Zeilen, die wieder lesbar sind, scheinen es zu bestätigen. Sie tauchen empor, möchte ich sagen, wie das Gesicht eines knapp dem Tode des Erstickens Entronnenen.

 

 

Ehe ich fortfahre mit meiner Wiedergabe dieses Buches, will ich zu meiner eigenen Rechenschaft und um meine Erinnerung zu sichern, hier einiges anmerken:

Zuvörderst: ich habe von je das Bedürfnis gehabt, mich selbst zu kontrollieren. Dank dieser Eigenschaft konnte mir nicht entgehen: je länger ich mich damit befasse, John Rogers Erbschaft zu studieren, desto – weniger bin ich meiner selbst sicher! Ich entgleite mir bisweilen. Lese plötzlich mit anderen Augen. Denke mit einem fremdartigen Organempfinden: nicht mein Kopf denkt, sondern "es" denkt räumlich weit weg von mir, weit weg von meinem Körper, der hier sitzt. Ich benötige dann diese Kontrolle, um mich zurechtzurücken aus diesem Zustand eines haltlosen Schwindelgefühls –: eines "geistigen" Schwindelgefühls!

 

Sodann: ich stelle fest, daß John Dee tatsächlich nach seiner Haft im Tower nach Schottland floh, – daß er tatsächlich in der Gegend der Sidlaw Hills Unterkunft fand. Ich stelle fest, daß John Dee bis zum Wortgleichlaut dasselbe Erlebnis mit der Puppenlarve hatte wie ich. – – Erbt man denn nicht nur das Blut? Erbt man auch Erlebnisse?! – Freilich könnte man das alles leicht erklären, aber ich fühle es anders. Ich fühle das Gegenteil von Zufall. Aber was ich da erlebe, das – – weiß ich noch nicht. – – – Daher die Kontrolle.

Fortsetzung aus dem Tagebuch John Dees.

Elizabeth ist später nochmals wiedergekommen, aber weiß ich heute nach so vielen Jahren wirklich und wahrhaftig, daß sie es selbst war? War es nicht doch ein Gespenst? Sie hatte damals an mir gesaugt wie – wie ein Vampyr. War es also doch nicht Elizabeth gewesen? Mir graut. War es die schwarze Isaïs? Ein Succubus? – Nein, die schwarze Isaïs hat nichts mit meiner Elizabeth zu tun! Aber ich? – – – Und dennoch hat Elizabeth erlebt, ja: sie selbst! Was ich mit der Dämonin getan, wenns eine solche war, das hat Elizabeth erlebt auf eine unbegreifliche Art der Verwandlung. Dennoch war die Elizabeth, die zu mir kam in der Nacht des abnehmenden Mondes im Park: sie selbst gewesen und nimmermehr die schwarze Isaïs!!!

 

 

Und in jener Nacht der schwarzen Versuchung habe ich verloren, was mein köstlichstes Erbteil war: meinen Talisman, den Dolch – die Speerspitze des Ahnen Hoël Dhat. Ich habe es verloren drunten auf der Wiese des Parkes bei der Beschwörung und es ist mir, als hätte ich es noch in der Hand gehalten nach Weisung des Bartlett Green, als das Gespenst auf mich zukam und ich ihm die Hand reichte. Nach dem aber nicht mehr! – Also habe ich der schwarzen Isaïs bezahlt, was ich hernach von der schwarzen Isaïs empfing.

 

Mir ist, als begriffe ich heute: die Isaïs ist das Weib in allem Weib und die Verwandlung aller Weibeskreatur in – Isaïs!!

 

Seitdem war es mir ganz unmöglich geworden, Elizabeth zu durchschauen. Sie war mir ganz fremd geworden, aber ich spürte sie so nahe, wie nie zuvor. Sehr nahe: das ist das fremdeste, was einsame Qual auszudenken vermag! Sehr nahe, ohne Vereinigung, das ist soviel wie der Tod. – – – Königin Elizabeth war sehr huldreich zu mir. Ihr kalter Blick hat mir das Herz versengt. Ihre Majestät war so fern über mir wie der Sirius. Eine ganz große, ganz – – – geisterhafte Kälte ging damals von ihr aus, wenn ich in ihre Nähe kam. Und sie befahl mich oft nach Windsorcastle. Aber wenn ich kam, hatte sie mir nur Gleichgültiges zu sagen. Es genügte ihr, mich mit einem Blick aufs neue zu töten. Furchtbar war dies seelige Schweigen von ihr zu mir! – – –

 

Eine Zeit darauf kam sie an Mortlake vorübergeritten. Sie hieb mit der Reitgerte gegen den Lindenbaum vor dem Tor, daneben ich stund und grüßte. – Die Linde kränkelte und die Zweige dorrten seitdem – – –

Später traf ich die Königin in dem Bruche dicht bei Windsorcastle, wo sie Falken auf Reiher steigen ließ. Mit mir lief mein treuer Bullenbeißer. Elizabeth winkte mich heran. Sie nahm meinen Gruß mit Huld entgegen und streichelte meinen Hund. Er ist in der folgenden Nacht verreckt. – – –

 

Die Linde starb von unten herauf ab. Der schöne Baum tat mir leid; ich ließ ihn fällen. – – –

 

Den ganzen Spätherbst und Winter hatte ich meine Königin nicht wieder gesehen. Keine Einladung, keinerlei Beachtung meiner Person. Auch Leicester hielt sich fern von mir.

 

Einsam war ich mit Ellinor, die mich gehaßt hat von jeher.

Ich vergrub mich mit äußerstem Fleiß in den Euklid. Dieser sehr geniale Geometer hat dennoch nicht begriffen, daß unsere Welt sich nicht erschöpft mit den drei Dimensionen: der Länge, der Breite, der Tiefe. Ich bin seit langem einer Theorie der vierten Dimension auf der Spur! Unsere Sinne sind nicht die Grenzen der Welt, noch nicht einmal die unserer eigenen Natur. –

 

Klare Winternächte gestatten mir damals wunderbare Beobachtungen des gestirnten Himmels. Meine Seele festigte sich in meiner Brust wieder langsam, gleich dem Polarstern im unermeßlichen Raume des Kosmos. Ich hatte eine Schrift begonnen: " De stella admiranda in Cassiopeia. " Die Cassiopeia ist ein höchst wundersames Gestirn; es verändert seine Größe und Helligkeit oft in Stunden. Der Stern kann also weich sein und schwinden wie das Licht in einer Menschenseele – – –. Wunderbar sind die sänftigenden Kräfte, die aus den Tiefen des Himmels auf uns herabströmen. – – –

 

 

Mitten im März hatte Königin Elizabeth höchst unerwartet, höchst rätselhafter Weise ihren Besuch bei mir in Mortlake durch Leicester ankündigen lassen! Was mag sie wollen?! habe ich mich damals gefragt. Dudley war im Auftrag der Königin gekommen. Zu meinem allergrößten Verwundern, ja Schrecken, fragte er mich mit einemmale und geradezu nach einem gewissen " glass ", oder magischen Stein, so in meinem Besitz sei und den die Königin Elizabeth gerne besichtigen möchte. Im ersten Staunen war's mir unmöglich gewesen, die Wahrheit zu verbergen und den Stein des Bartlett Green, den er mir gegeben hat und mit dessen Hilfe ich oft schon so manches bewirkt hatte, zu verleugnen. Auch ließ Dudley mit kurzen Worten erkennen, daß die Herrin genau Bescheid wisse von meinem Besitz, da sie, wie sie selbst Dudley auszurichten befohlen, den Stein im Traum bei mir gesehen habe in einer Nacht im verwichenen Herbst. – Mir stockte das Herz, als Dudley solches berichtete. Ich bewahrte aber mit Mühe meine Haltung und anbefahl mich durch ihn der Huld und Gnade meiner Herrin, sprechend, daß aller Besitz meiner Person und meines Hauses durchaus der ihrige sei.

 

Als Dudley ging, küßte er – oh wie lang ist das jetzt her! – Ellinor, meiner damaligen Gattin, die Hand, die Jene indeß mit schier unziemlicher Eile zurückzog; und sie gestand mir nachher mit böser Miene, der Mund des Cavaliers hätte ihre Haut berührt mit einem widerlichen Hauch des Todes. Ich verwies Ellinor solche Worte ernstlich. –

 

Sodann kam die Herrin von Windsorcastle herüber mit Dudley und einem Reitknecht. Sie klopfte mit der Reitgerte an mein Fenster. Da erschrak sich Ellinor so sehr, daß sie sich zum Herzen griff und ohnmächtig zu Boden sank. Ich trug sie auf ein Ruhebett und eilte dann unbesehen hinaus, um die Herrin zu begrüßen. – Sie frug mich ohnehin nach Lady Ellinors Befinden und befahl mir, als sie von dem leidigen Zufall gehört, der ihr zugestoßen war, nach meinem Weibe zu schauen; sie wollte indessen im Parke rasten. Sie hat mein Haus nicht betreten, so sehr ich sie bat. Danach war ich zu meinem Weibe in die Stube getreten und hatte sie sterbend gefunden; und ich schlich mich hinweg hinaus zu meiner Herrin, unsagbares Grauen im Herzen, und brachte ihr das " glass "; aber Ellinor ward inzwischen uns mit keinem Worte erwähnt. Ich sah damals Elizabeth an, daß sie wußte, wie es um mein Weib stund. Nach einer Stunde ritt die Herzogin von dannen. Und am Abend war Ellinor tot. Ein Schlagfluß hatte ihrem Leben ein Ende gemacht. – – – Das war am 21. März des Jahres 1575 gewesen.

Es hat die Zeit vor und nach diesem schlimmen Ereignis sehr übel mit mir gestanden, wie ich heute wohl zu beurteilen vermag. Es soll davon auch weiter nichts mehr gesagt sein als dies, daß ich dem Himmel danke, heute noch bei gesundem Geiste auf jene Tage der Verwirrung zurückschauen zu dürfen.

Es rührt nämlich mit dem Eintritt der Dämonen in unser gebrechliches Leben uns allemal der Tod des Leibes an oder schlimmer noch: der Tod des Geistes, und es ist immer wohl nur Gnade, wenn wir ihm entrinnen. –

Nach jener Zeit kam Königin Elizabeth nicht mehr nach Mortlake. Auch erhielt ich keinen Befehl mehr, zu Hofe zu kommen, und war fast froh darum. Eine Abneigung ergriff mich damals gegen die Herrin, die schlimmer war als Haß, denn sie bedeutete größte Entfernung bei innerer verfluchter Nähe. –

 

Dem ein Ende zu machen, beschloß ich nun von meiner Seite aus zu tun, was einst die Herrin für gut befunden hatte, mir zuzufügen: ich heiratete im dritten Jahr meiner Witwenschaft und nun schon im vierundfünfzigsten meines Lebens ein Weib nach meinem Gefallen, ein Weib, das Elizabeth und London, Hof und große Welt niemals gekannt und gesehen hatte, ein unschuldiges gesundes Kind der Natur: Jane Fromont, eines braven Pächters Tochter und also gar nicht vom Stande und darum unwürdig, Ihrer Majestät jemals vor die Augen zu kommen. Dafür aber, daß ich es noch einmal sage: ein liebes Kind von damals dreiundzwanzig Jahren und mir von ganzem Herzen ergeben. Und ich merkte bald an einem seltsamen Wissen im Blut und an einem untrüglichen Gefühl in meiner Brust, daß ich es nun der Herrin angetan hatte und daß ein ohnmächtiger Zorn ihre Tage fern von mir verbitterte. Das war mir doppelte Wollust in den Armen meiner jungen Frau und ich ließ wissentlich und willentlich leiden die, die mich so unermeßlich leiden gemacht hat.

 

Bis Elizabeth an einem hitzigen Fieber in Richmond erkrankte. Da aber, als ich solches erfuhr, durchstach es mich wie mit Schwertern und Lanzen und ich eilte ungerufen nach Richmond zu meiner Herrin, ward auch nicht abgewiesen, sondern alsbald vor ihr Krankenlager befohlen und fand sie in großer Gefahr.

 

Als ich zu ihrem Bette trat, verließen auf ihren Wink alle, die anwesend waren, Herren und Dienerinnen, das Zimmer und ich blieb bei einer halben Stunde ganz allein mit ihr und ich werde in meinem Leben nicht diese Unterredung vergessen.

"Du hast mir ziemlich weh getan, Freund John", hub sie an. "Es war nicht zu deinem Gewinn, daß du zum andernmal die Hexe zwischen uns gestellt hast, damit Fremdes zwischen uns trete; damals mit Tränken und diesmal mit Träumen."

In mir war ein heller Trotz, denn die natürliche und einfache Zuneigung meiner Jane hatte mich ruhig und zufrieden gemacht und ich war des zweideutigen Spieles mit den Gelüsten und Zurückweisungen einer launischen Königin müde. Ich antwortete darum mit gebührender Achtung der Majestät, sehr klug und männlich, wie mich dünkte: "Was hat Übermut aus freien Stücken je getrunken, das kann unmöglich die Gesetze der Natur, noch auch die des göttlichen Geistes verletzen. Nach der Natur ist dem Leibe Feindliches entweder des Leibes Tod, oder es wird vom Leibe getötet, indem er es verzehrt und von sich stößt. Nach dem Gesetz des Geistes aber ist uns Freiheit gegeben über unsern Willen und also sind auch unsere Träume, ob nun Nahrung oder Ausscheidungen, immer nur das Erfüllen unseres Willens. Demnach ist, was wir ohne Schaden des Leibes getrunken, lange verflogen; und was wir gegen freien Willen geträumt, ist aus dem gesunden Organismus der Seele zu deren Wohltat ausgeschieden; daß also zu Gott zu hoffen stünde, Euer Majestät werden von solchen erlittenen Anfechtungen nur desto gestärkter und befreiter aufstehen."

Date: 2015-09-05; view: 289; Нарушение авторских прав; Помощь в написании работы --> СЮДА...



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