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Rückblick 6 page





Ich stürzte nieder zu Füßen des Baumes und umfing seinen Stamm mit ehrfürchtigen Händen, und mich schüttelte solches Weinen, daß ich die Vision nicht mehr sehen konnte durch den Schleier der Tränen und die nüchterne Nachtlampe in meinem Zimmer wieder erblickte und das erste Grauen des Morgens draußen vor den Ritzen der geschlossenen Fensterläden. Die Stimme des Baumes hörte ich auch da noch, und sie sagte wie aus meinem Innern heraus:

"Unsterblich willst du werden? – Weißt du, daß dieser Verwandlungsweg viele Processe des Feuers bedarf und des Wassers?! Es muß die Materia durch vielerlei Leiden gehen!"

– – –

Dreimal jetzt ist mir als in Gesichten des frühen Morgens das Bild und der Sinn und der Weg gewiesen worden. Der Weg, daß ich zu mir selber gelange nach der Zeit und nach dem Grabe, – es sei, wann es wolle – ist zweifach. Der eine Weg ist gar unsicher, zufällig, ein ausgestreuter Brosam, den vielleicht die Vögel des Himmels auffressen, ehe ich die Straße wiederkehre. Ich will ihn dennoch versuchen, denn er kann, wenn es damit glückt, ein mächtiges Hülfsmittel sein, mich – dereinst wieder zu erinnern. – Und was ist Unsterblichkeit, wenn nicht: Erinnerung? –

Also wähle ich den magischen Weg der Schrift und schreibe nieder mein Schicksal, und was mir davon offenbart ist, in dieses Diary, das ich auf gewisse Art geweiht und gefeit habe gegen den Verderb der Zeit und der bösen Geister, Amen.

 

 

Du Ferner aber, du Anderer, der du nach mir kommst, und am Ende der Tage des Baumes dies Buch liest: denke daran, von wannen du bist und daß du aus der silbernen Quelle gestiegen bist, die den Baum tränkt und die der Baum aussendet. Und hörst du dein Rauschen in dir und wachsen dir seine Zweige durch dein Fleisch: so beschwöre ich, John Dee, Baronet of Gladhill, dich, daß du schauest in dich und dich aufweckst aus den Gräbern der Zeit und erkennst: Du bist ich! – – –

 

Es ist aber noch ein anderer Weg, den ich mir selber schuldig bin zu gehen, wie ich hier lebe im Fleisch und in Mortlakecastle: das ist der Weg der Alchyimisierung dieses Leibes und dieser Seele, daß sie Unsterblichkeit erlangen mögen beide: in dieser gegenwärtigen Zeit.

Und diesen Weg kenne ich nicht erst seit heute, sondern ich gehe ihn jetzt bald schon ins dritte Jahr; und habe ich große Ursache zu glauben, daß die Gnade jener mir dreimal hintereinander am frühen Morgen erschienenen Visionen schon eine merkliche Folge und gleichsam ein erster Lohn und Fruchtgewinn aus solch steter Mühe ist. – Seit zwei Jahren ist mir ein Licht aufgegangen, worin die wahre Alchymie besteht, und schon um Weihnachten 1579 habe ich mir hier in Mortlake eine chymische Küche erbauen und mit allem Nötigen wohl versehen lassen, – auch mir einen tüchtigen Laboranten aus Shrewsbury verschrieben, so sich mit mir am Christtag jenes Jahres unversehens angemeldet und vorgestellt hat und seitdem treu, fleißig in allen Dingen redlich und über alles Erwarten in der Geheimen Kunst gar wohl unterrichtet und erstaunlich reich an allerlei Erfahrung erwiesen hat. Selbiger Laborant ist Master Gardener geheißen und mir recht ans Herz gewachsen als ein Freund, der wohl mein Vertrauen verdient, denn er hat jederzeit das Meine treulich wahrgenommen und ist mir mit Eifer und gutem Rat allerwegs zur Hand gegangen, was hier ausdrücklich bekennet und mit gerechtem Dank festgelegt stehen soll. Leider jedoch haben sich in letzter Zeit die Anzeichen gemehrt, daß das hohe Wissen sowohl, wie insbesondere das Vertrauen, das ich ihm schenke, hochfahrend und störrisch gemacht haben, so daß er mir öfters mit Widerspruch, unerbetenen Warnungen und Ermahnungen, die mir nicht passen, entgegentritt. Ich hoffe, daß er solches bei Nächsten lassen und in mir den Brotgeber, wenn auch allzeit ihm wohlgeneigten Herrn wieder erkennen wird. – Es ist aber mein Streit mit ihm nicht allein um der Ausübung und rechten Methode der Kunst der Alchymie willen, sondern er glaubt auch, sich meinem Verkehr mit den frommen Geistern der andern Welt von Drüben, den anzubahnen er mir vor einiger Zeit auf die merkwürdigste Weise gelungen ist, widersetzen zu sollen. Daß dabei unmöglich ein Betrug der höllischen Geister, wie er meint, vorliegen könne, noch auch eine Fopperei derer Erd- und Luftwesen, erhellt mir schon aus der Tatsache, daß dabei allezeit ein frommes und inbrünstiges Gebet zu Gott und dem Heilbringer aller Kreatur, Jesus Christus, die Beschwörung der jenseitigen Welt einleitet und zuletzt auch wiederum das Werk beendet. Es zeigen sich desgleichen die Stimmen und Geister, die sich mir dabei offenbaren, stets so gottesfürchtig und all ihr Tun und Redestehen geschieht immer so ganz ausdrücklich im Namen der heiligen Dreifaltigkeit, daß ich Gardeners Warnung, sie seien maskierte Teufel, nimmermehr glauben kann und will. Zumal ihre Belehrungen, die sie mir erteilen, wie der Stein der Weisen und das Salz des Lebens zu bereiten sei, straks denen entgegenlaufen, die er behauptet zu kennen. Ich nehme an, daß sie ihn, der glaubt, alles zu wissen, in seiner Eitelkeit verletzen. Solches ist meinem menschlichen Verstehen keineswegs unbegreiflich, doch mag ich seine Widersprüche, so gut sie auch gemeint sein könnten, nicht länger hinnehmen. Ich will nur glauben, daß sich mein Laborant hier gründlich irrt, wenn er behauptet, gegen die maßlose Tücke der Bewohner der andern Welt sei nur jemand gefeit, der den ganzen heimlichen Proceß der geistigen Wiedergeburt in seinem Innern durchgemacht hat, als da sind: die mystische Taufe mit Wasser, mit Blut und mit Feuer, das Erscheinen von Buchstaben auf der Haut, das Schmecken von Salz auf der Zunge, das Hören eines Hahnenschreis und anderes mehr, wie zum Beispiel, daß man ein Kind im Leibe weinen hören müsse. Wie das zu verstehen sei, das will er nicht sagen; er behauptet, er sei durch ein Gelübde zum Schweigen verpflichtet.

 

Da ich immerhin wankend wurde, ob nicht am Ende doch Teufelsspuk mich narrt, habe ich gestern in Abwesenheit Gardeners, meines Laboranten, die Geister in geziemender Weise im Namen Gottes des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes beschworen, zu erscheinen und mir zu sagen, ob sie von einem gewissen Bartlett Green Kunde besäßen und ob er ihrer Freundschaft und Genossenschaft etwa gar würdig befunden worden sei. Hörte ich da zuerst ein seltsam pfeifendes Lachen in der Luft, was mich stutzig machen wollte, doch gleich darauf schienen die Geister mit solchem Getöse ihren Widerwillen gegen solche meine Zustimmung an den Tag zu legen und seltsam wie Metall klingende Stimmen rings um mich her ertönten aus den Wänden und aus dem Fußboden, die mir befahlen, jede Gemeinschaft mit selbigem Sendling der schwarzen Isaïs hinfort zu meiden, und sie sagten mir später in Gegenwart meiner anwesenden alten Freunde, Harry Price und Edmund Talbot, zum Zeichen, daß sie allwissend seien, ein Geheimniß, das nur ich allein kannte und sogar vor meiner Frau Jane bisher verborgen gehalten hatte. Sie verwiesen mir also jeden Verdacht gegen die Bewohner der andern Welt und sagten, meine Gemeinschaft mit Bartlett Green könne nur dadurch gebrochen werden, daß ich mich des Kohlenspiegels für immer entäußerte, den er mir damals im Tower geschenkt hat. Und im Namen Gottes befahlen sie mir, diesen Stein oder Kohlenkrystall auf der Stelle von mir zu tun und ihn zum Zeichen meiner Reue mit eigener Hand dem Feuer zu überantworten.

Damit hatte ich den schönsten Triumph über Gardener bekommen, der nur wortlos schwieg, als ich ihm erzählte, was mir die Geister befohlen hatten. In meinem Innern aber sagte ich mich heimlich von ihm los. Da mir außerdem an dem Bruch mit allem lag, was mich an Bartlett Green gemahnte oder gar binden könnte, so habe ich heute in der Früh den Kohlenspiegel aus seinem Versteck genommen und vor den Augen meines Laboranten Gardener in der alchymistischen Küche bei starkem Feuer verbrannt. Es ist aber zu meinem nicht geringen Erstaunen – Gardener verzog keine Miene dabei und machte nur ein ernstes Gesicht – die glatte Kohle bei grüner Flamme ohne irgend einen Rauch, auch ohne irgend eine Spur von Schlacke oder Asche zu hinterlassen, hell verbrannt.

Darauf sind nun wiederum ein Tag und eine Nacht vergangen, und in dieser Nacht erschien mir das höhnisch grinsende Haupt des Bartlett Green: ich nehme an, daß er grinste, um die Wut, die er doch empfinden mußte, weil ich seinen Kohlenspiegel verbrannt hatte, vor mir zu verbergen. Dann verschwand er in einem grünen Rauch, der seine Gesichtszüge derart verzerrte, daß es mir einen Augenblick schien: er habe sich in ein mir fremdes Antlitz verwandelt, – in das Gesicht eines mir unbekannten Mannes mit so glatt an den Wangen anliegenden Haaren, daß es fast aussah, als hätte er keine Ohren. Doch wird das wohl eine Einbildung von mir gewesen sein. – Hierauf träumte ich, ich sähe abermals den Baum auf Gladhill und hörte dabei seine Stimme, die da sagte:

"Fördere nun fleißig den heilsamen Proceß, welcher ist: Leiden des Stoffes, daraus das Elixier des ewigen Lebens soll gekocht und gewonnen werden." –

 

Das machte mich beklommen und fast so schwermütig bis lange nach meinem Erwachen derart, daß es mich geradezu drängte, Gardener um Rat zu fragen und ob er vielleicht glaube, daß mir irgend ein Mißgeschick drohe; ich empfand es wie Wankelmut, mich an den Mann zu wenden, von dem ich mich doch innerlich losgesagt, aber meine Furcht überwog meinen Stolz auf mir unfaßbare Weise. Ich ging hinüber in die alchymistische Küche. Aber statt Gardener fand ich dort nur mehr einen Brief von ihm vor, in dem er sich in höflichen, aber dürren Worten von mir für lange, lange Zeit, wenn nicht für "immer", verabschiedete. – – – –

Ich erstaunte nicht wenig, als um die zehnte Morgenstunde, vorher von meinem Diener angemeldet, ein Fremder meine Stube betrat, dem wie ich auf den ersten Blick sah, die Ohren abgeschnitten waren. Die Narben rings um die Ohrlöcher verrieten mir, daß diese Verstümmelung vor nicht sehr langer Zeit stattgefunden haben müßte. Möglicherweise wegen eines Deliktes gegen die Staatsgesetze. Da ich wußte, daß leider nur zu oft Unschuldige hierzulande zu solcher Strafe verurteilt werden, beschloß ich, kein Vorurteil gegen den Fremden zu hegen. Zudem trugen seine Gesichtszüge keine Ähnlichkeit mit dem Antlitz, von dem ich des Nachts geträumt hatte. Ich nahm vielmehr an, es müßte sich um einen hellsehenden Traum für den kommenden Tag gehandelt haben. Der Fremde war größer gewachsen als ich und von breiter und derber Statur, die auf keine besonders vornehme Herkunft deutet. Sein Alter war schwer zu bestimmen, denn langes Haar und ein voller, ein wenig wirr zerzauster Spitzbart verbargen sein fast kinnloses Gesicht mit der fliehenden Stirn und der frech vorspringenden, schnabelartigen Nase. Er schien jedoch ziemlich jung zu sein und ich möchte ihn kaum älter als in den ausgehenden Dreißigern schätzen. Er hat mir später zu wissen gegeben, er habe noch nicht einmal das achtundzwanzigste Jahr vollendet. Er wäre also jünger noch als meine Frau Jane Fromont. Dennoch will dieser Mensch bei seinen geringen Jahren England der kreuz und quer, sowie auch Frankreich und die holländischen Provinzen bereist und vielerlei Fahrten unternommen haben. So ist auch sein Aussehen: abenteuerlich, unstät und nach den Furchen in seinem Gesicht zu schließen, vom Schicksal grausam durchgepflügt.

 

Er trat nahe auf mich zu und sagte mit gesenkter Stimme, er hätte mir wichtiges anzuvertrauen, dabei keinerlei Störung zu dulden wäre, weshalb ich die Türe von innen verschließen möchte. Hernach bei abgesperrter Kammer holte er ein altes Buch, in Schweinsleder gebunden, auf Pergament mit fleißiger Hand beschrieben und bemalt, umständlich aus einer verborgenen Tasche seine inneren Kleider hervor, schlug es auf und wies mir eine besondere Stelle. Ehe ich noch die krause, uralte Schrift zu lesen vermochte, frug er mich auf einmal mit bebender Stimme und mit sonderbar flackerndem Blick seiner stechenden Mausaugen: "ob ich ihm zu sagen und zu erklären wüßte, was eine 'Projektion' sei?" –

Woraus ich mit einem Schlage erkannte, daß er von der alchymistischen Metallverwandlung nur einen sehr unzulänglichen Begriff haben mochte. Ich antwortete ihm also, daß ich dieses eigentlich rein chymische Wissens allerdings mächtig wäre, und erklärte ihm den Vorgang der Projektion nach den Regeln der bekannten Wissenschaft. Er horchte scharf zu und schien zufrieden. Sodann, da er mir das Buch zur Hand ließ, bemerkte ich rasch, daß ein Werk von fast unschätzbarem Werte vor mir lag, nämlich eine Anweisung, wie der Stein der Weisen zur wahren alchymischen Bereitung des Leibes und zur Gewinnung des Elixiers der Unsterblichkeit hier und drüben herzustellen sei. Ich saß mit völlig betäubten Sinnen, unfähig eines Wortes, aber auch unfähig, meine Gefühle zu meistern, die in meinem Gesichte wohl ein ganzes Theater von aufgeregten Leidenschaften darstellen mußten, denn ich merkte, wie mich der Fremde unterweilen scharf ins Auge gefaßt hielt und ihm darum nichts von all meiner Erregung entging. Ich gedachte auch keineswegs, ihm etwas zu verbergen, klappte das Buch zu und sagte:

"Ein feines Büchlein, fürwahr! Was wollet Ihr damit?"

"Das Elixier und den Stein gewinnen, wie darinnen angezeigt", – antwortete er mit starker Verhaltung seiner ihm sichtlich aus den Augen sprühenden Angst und Gier.

"Dazu ist vorerst erforderlich, daß einer das Buch lesen und verstehen möge", wendete ich ein.

 

"Könnet Ihr das und wollet Ihr Euer Edelmannswort geben und schwören auf Christi Leib und Blut?"

 

Ich antwortete, daß ich es gern tun wolle, daß aber damit nicht gesagt sei, das Werk müsse deshalb gelingen, denn es gäbe gar viele Bücher, die dergleichen Anweisungen enthalten und von der Bereitung des alchymistischen weißen und roten Pulvers handeln, und dennoch bliebe alle Arbeit nach ihrem Recepte vergebens.

Nach diesen Worten verzog sich das Gesicht meines Gastes fast erschreckend im Kampf seiner Empfindungen, die in seiner Seele losbrachen; Mißtrauen und Triumph, finsterste Zweifel und wichtigtuerischer Stolz wechselten in seinen Mienen mit der Geschwindigkeit eines entfesselten Gedankensturms. Plötzlich riß er über seiner Brust das Hemde auf und angelte einen ledernen Beutel hervor, den er auf dem bloßen Leibe verborgen getragen hatte. Er griff hinein, streckte den Arm gegen mich aus und ich sah: auf seiner Hand lagen – die beiden Elfenbeinkugeln des Mascee! Ich erkannte sie sofort, den sie trugen beide die Zeichen, die ich ihnen eingeritzt hatte, bevor ich sie damals zum Fenster hinausgeworfen hatte, als die Häscher des Bischof Bonner zu meiner Verhaftung in den Tower zu London geschritten waren. Diesmal gelang es mir besser als vorher, meine Gedanken und Gefühle zu meistern, und ich frug den Fremden mit scheinbarer Gleichgültigkeit, warum er mir die Kugeln mit so geheimnisvoller Gebärde entgegenhalte und was für eine Bewandtniß es mit ihnen habe. – Worauf er, ohne ein Wort zu sprechen, die weiße Kugel aufschraubte und mir darinnen ein graues feinkörniges Pulver verwahrt wies. Ich erschrak, denn die Farbe und Art der Materia gemahnten mich alsbald an die oft beschriebene materia transmutationis der alchymistischen Adepten. Mir wirbelte es im Kopf von einem Ansturm der wildesten Gedanken: wie war es nur möglich gewesen, daß ich in jener Angstnacht vor meiner Verhaftung nicht das offensichtliche Geheimnis dieser nur leicht verschraubten Kugeln erfaßt hatte! Wie war es möglich gewesen, daß ich stundenlang mit den Kugeln gespielt hatte und statt sie zu öffnen, mühselig Zeichen in die harte Schale des Elfenbeins einritzte, um sie dann in einem Anfall dunkeln Grauens aus dem Fenster zu werfen? Vielleicht war mir da, vor wohl dreißig Jahren nun, schon einmal das Geheimnis des Lebens in die Hände gespielt worden und ich hatte wie ein Kind, das Edelsteine für Kiesel hinwirft, mit blinden Sinnen das Geschenk des Himmels von mir gestoßen, um dafür ein Leben der Mühsal und der bittersten Enttäuschung wegen dieses mißverstandenen "Grönlands" auf mich zu nehmen! –

 

 

Indeß ich in solche trüben Grübeleien, die mein Gast wohl für zweiflerisches Mißtrauen nehmen mochte, auf die offenen Kugelhälften starrte, erlegte er behutsam auch die rote Elfenbeinkugel und aus der hohle Schale leuchtete mir das königliche Pulver, der "Rote Löwe" entgegen! Es war mir keinen Augenblick zweifelhaft, daß ich mich irren könnte. Die schiefrig purpurfarbenen Plättchen hatte ich allzuoft in den besten Schriften der alten Eingeweihten beschrieben gelesen, als daß ich mich über die Natur dieses Stoffes hätte täuschen können. Und nun drohte mich die Verwirrung der von allen Seiten her mich überstürmenden Gedanken schier zu überwältigen. Ich nickte nur stumm, als der Fremde mich mit heiserer Stimme fragte:

 

"Was nun haltet Ihr davon, Magister Dee?"

 

Ich sammelte alle Kraft meines Willens, die noch in mir war, und fragte dagegen:

 

"Woher kommen Euch diese beiden Kugeln?"

Der Fremde zögerte. Sagte dann unschlüssig:

 

"Vorerst will ich wissen, was Ihr von Buch und Kugeln vermeinet."

Ich antwortete:

"Ich halte dafür, daß man ihren Wert proben muß. Wenn beide halten, was sie versprechen, so ist es ein edler Besitz."

 

 

Mein Gast brummte etwas, was sich wie eine Äußerung der Zufriedenheit anhörte. Dann sagte er:

"Es freut mich, daß Ihr aufrichtig seid. Ich meine, ich kann Euch vertrauen. Ihr seid keiner von den Schwarzkünstlern, die danach lauern, wie sie andere Leute um Lohn und Gewinn betrügen können. Darum bin ich auch zu Euch gekommen als zu einem Ritter und Ehrenmann. Ihr sollt mir raten und helfen, und ich will mit Euch Halbpart machen."

 

Ich entgegnete ihm, daß er wohl daran täte, mir zu vertrauen, und daß ich allerdings der Meinung sei, es lohne sich, mit Buch und der Materie der beiden Kugel einen Versuch zu machen. – Nachdem wir in einem Vertrag die Umrisse eines Vertrags auf gemeinsame Arbeit und gegenseitiges Vertrauen besprochen haben, fragte ich ihn, wie er in den Besitz der beiden Dinge gelangt sei.

Folgende merkwürdige Erzählung gab er mir da zum besten:

Das Buch wie die Kugeln, so sagte er, stammen aus dem Grabe des Heiligen Dunstan, das wisse er gewiß. Als der Haufe der Ravenheads vor nunmehr wohl dreißig Jahren unter der Anführung eines gewissen, berüchtigten Bartlett Green das Grab erbrachen, hatte der Bischof unverwest darinnen gelegen, als sei er am selbigen Tage erst bestattet worden; er hätte das Buch in den gefalteten Armen gehalten und die Kugeln wären ihm auf sonderbare Weise auf Mund und Stirn befestigt gewesen. Die ketzerischen Plünderer waren grimmig enttäuscht gewesen, keinerlei Kleinodien bei dem Toten gefunden zu haben, wie der Bartlett sich erträumt, und hätten in ihrer Wut die Leiche des Bischofs in die Flammen der brennenden Kirche geworfen. Die Kugeln und das Buch aber waren von den Plünderern einem fremden Russen gegen geringes Geld verkauft worden, da sie nichts damit anzufangen gewußt."

"Aha, der Mascee!" dachte ich bei mir und forschte gespannt:

"Ein alter Mann, ein ehemaliger Geheimagent des vor langen Jahren im Irrsinn gestorbenen Blutigen Bischofs Bonner, – er hielt in London ein verrufenes Haus, das ich oft besucht und dort geschlafen habe" – setzte mein Gast, cynisch lachend hinzu, – "war vor mir der letzte Besitzer der beiden Dinge. Ich hatte sie bei ihm gesehen und sofort beschlossen, sie müßten mein werden, denn ich wußte seit langem, daß der Heilige Dunstan ein großer Adept gewesen ist und der Alchymie kundig. Es gelang mir auch gerade noch zur rechten Zeit, sie zu erwerben, denn in derselben Nacht wurde der Geheimagent – – – das heißt, er starb ganz plötzlich"; verbesserte sich der Fremde rasch. "Ich erfuhr von einer Dirne, die in dem verrufenen Hause lebte, der alte Kuppler hätte das Buch und die Kugeln im Auftrage des Blutigen Bonner vor vielen Jahren suchen sollen und sie auch gefunden, den Fund aber verheimlicht und die beiden Dinge für sich behalten. Die Kugeln seien dann auf eine unerklärliche Weise eine Zeit lang plötzlich verschwunden gewesen, dann aber wieder auf ebenso merkwürdige Weise zur Stelle gekommen."

"Seltsam!" – dachte ich bei mir, denn ich erinnerte mich genau, wie ich die beiden Elfenbeinkugeln doch vor meiner damaligen Verhaftung aus dem Fenster geworfen hatte.

"Und Ihr habt sie dem Geheimagenten vor seinem Tode abgekauft?" forschte ich.

"N-nein" – der Fremde wich meinem Blick aus und sah zur Seite, faßte sich jedoch rasch und sagte lauter, als notwendig gewesen wäre: "er hat sie mir geschenkt."

 

Ich fühlte deutlich, daß der Mann log, und es wollte mich der geschlossene Handel fast reuen. Hatte er vielleicht den alten Kuppler ermordet, um in den Besitz des Buches und der Kugeln zu gelangen? Auch zagte und schwankte ich sehr, denn das in der Nacht gehabte seltsame Gesicht von einem Menschen ohne Ohren wollte mir plötzlich wie eine Warnung scheinen. Doch gleich darauf beschwichtigte ich mich, daß mein Verdacht wohl unbegründet sei und der Fremde die beiden Dinge schlimmsten Falles nur gestohlen habe und auch das nur einem unehrlichen Finder. Zudem war die Versuchung so groß, im Mitbesitz dieser Köstlichkeiten zu bleiben, daß ich es nicht über mich bringen konnte, meinem Gast kurzerhand die Türe zu weisen, wie ich als Gelehrter und Adeliger vielleicht hätte tun müssen. Ich überredete michvielmehr, ein von Gott gewolltes Schicksal hätte mir den Mann ins Haus gesandt, damit ich der Gnade des Steines der Unsterblichkeit teilhaftig werde. Auch sage ich mir: meine eigenen Wege in meiner Jugend sind nicht immer einwandfrei gewesen, weshalb ich kein Recht habe, gegenüber diesem verwegenen Gesellen da vor mir den Richter zu spielen. – Also beschloß ich nach kurzer Überlegung, meinem Schicksal nicht auszuweichen, und hieß den Fremden, der mir sagte, sein Name sei Edward Kelley, trotz allem in meinem Hause willkommen und gab ihm die Hand auf treuliche Untersuchung seiner Besitztümer und Erprobung auf ihre Echtheit und Wert. Er war, wie ich erfuhr, ein Winkelnotar in London gewesen, dann fahrender Apotheker und Quacksalber geworden, als er wegen Fälschung von Urkunden mit Abschneiden der Ohren durch den Stockmeister des Gefängnisses öffentlich bestraft wurde.

 

 

Nun wolle Gott lenken, daß er mir zum Segen ins Haus gekommen ist!

Ich habe ihn gänzlich zu mir genommen trotz der Vorstellungen meines lieben Weibes Jane, die von Anfang an einen heftigen Widerwillen gegen diesen Menschen mit den abgeschnittenen Ohren empfand.

 

Wenige Tage darauf machte ich mit ihn in meiner alchymistischen Küche den ersten Versuch mit den beiden Pulvern und er gelang weit über Erwarten: wir gewannen bei schon ganz geringer Projektion aus zwanzig Unzen Blei fast zehn Unzen Silber und aus demselben Quantum Zinn nicht viel weniger als zehn Unzen reines Gold. Die Mausaugen des Kelley glitzerten dabei wie im Fieber und ich entsetzte mich zu sehen, wie die Gier einen Menschen verwandeln kann. Ich sagte ihm, daß wir mit den Pulvern ungemein sparen müßten, zumal von dem "Roten Löwen" nur sehr wenig in der einen Kugel enthalten war, denn Kelley hätte am liebsten sogleich alles zu Gold gemacht.

 

 

Ich selbst aber nahm mir fest und heilig vor – und sagte es ihm auch unumwunden –, daß ich für meinen Teil nun und nimmer auch nur ein geringes von den köstlichen Pulvern dazu verwenden wolle, mich irdisch zu bereichern, sondern nur danach trachten, das Buch des Heiligen Dunstan auf das Geheimnis der Herstellung des Steins der Weisen hin zu erforschen, und wenn ich erst einmal wüßte, wie die rote Tinktur anzuwenden sei zur Projektion auf den unverweslichen Auferstehungsleib, sie zu nichts anderem als zu solchem Zweck gebrauchen wolle. Wozu der Kelley wahrscheinlich nur heimlich die spitze Nase gerümpft hätte. –

In meinem Innern nämlich konnte ich das Wurmen nicht loswerden, diese Schätze seien am Ende doch nicht rechtmäßig erworben; und überdies quälte mich der Gedanke, es müsse vielleicht ein heimlicher Fluch auf solchen dem Grabe eines Adepten entrissenen Dingen liegen, zumal ich mich selbst nicht ganz von einer Schuld freisprechen konnte, der – wenn auch entfernte Urheber – jener damaligen Plünderung durch die Ravenheads gewesen zu sein. So wollte ich denn wenigstens das Gelübde tun, den Fund nur zu edelstem Zweck zu verwenden. Ist das Geheimniß des alchymistischen Processes erst einmal gefunden, dann mag sich der Weg des Kelley von dem meinen in allem guten Frieden abscheiden; mag er dann von dem "Roten Löwen", soviel er nur mag, auf die unedlen Metalle schütten und Gold über Gold gewinnen, um es mit Dirnen in heimlichen Häusern zu vertun und reich zu sein wie König Midas: ich will es ihm wahrlich nicht neiden – sowenig, wie er es mir neiden wird, daß ich mit dem köstlichen Stein zu andern Zielen strebe und wohl nur ein geringes von dem Pulver werde ich gebrauchen müssen, um das Unsterbliche daraus zu destillieren und selbst fortzuleben bis auf den Tag der "chymischen Hochzeit" mit meiner Königin, wo ich den Baphomet in mir verwirklicht spüre und die Krone des Lebens über meinem Haupte. – Dieser "Löwe" führe mich von nun ab auf dem Wege zu meiner Königin! – – –

Merkwürdig ist, daß ich den von mir gegangenen treuen Laboranten Gardener täglich mehr und mehr vermisse, seit dieser Landstreicher Kelley mein Haus betreten hat und um mich ist bei jedem Mittag und Abendessen, wobei er schmatzt und rülpst wie ein Schwein. Wie gern möchte ich den wackern Gardener fragen, was er denn halte von diesem Eindringling und ob es nicht am Ende gar ein unwissentlicher Sendling des verfluchten Bartlett Green sei! Ist mir etwa gar die Gabe aus dem geschändeten Grabe des Heiligen wieder zugelaufen wie ein gebanntes Ding?! War ihr erster Überbringer denn nicht der unheimliche Mascee, der Bundesgenosse des Bartlett Green –, er, der geheimnisvoll Gehende und Kommende des Schicksals?

Doch diese Bedenken schwinden wie die Tage, die mir langsam und trüb dahingehen. Ich sehe die Fragen jetzt in einem viel ruhigern Lichte: weder Mascee noch Kelley sind die Boten des Bartlett, sondern vielmehr die blinden Werkzeuge der allgütigen Vorsehung, die mir trotz der Fallen und Schlingen des Bösen zu meinem rechtverstandenen Heil dienen sollen.

 

Wie wäre es sonst möglich gewesen, daß die Gaben eines Heiligen in die Hände eines Verworfenen wären gelegt worden! Kann solchen Geschenken ein Unheil anhaften? Kann aus dem Jenseits des Frommen Bischofs Fluch herüberdrohen auf mich, den demütigen und strebenden Schüler der göttlichen Geheimnisse und den ergebenen Diener der Erfüllung aller ihrer Absichten? – Nein: meine Verfehlungen einer frechen Jugend sind gebüßt und meine Torheiten lange an meinem Leibe gestraft und gesühnt worden. Heute bin ich nicht mehr der unwürdige Empfänger der Gaben des Jenseits, wie damals, als der "Magister des Zaren" zum erstenmal mir diese Geheimnisse darbot und ich sie mit spielerischer Hand zinkte und zum Fenster hinauswarf, damit ich sie nach dreißig Jahren wiedererkenne und sie mit ernster bereitem Gemüte nochmals in Empfang nehme!

Date: 2015-09-05; view: 272; Нарушение авторских прав; Помощь в написании работы --> СЮДА...



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