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Tifereth 13 page
»Wie das denn?« »Na, überlegt doch mal. Stellt euch vor, ihr wollt einen Völkermord begehen... « »Ich bitte dich«, sagte Diotallevi,»Jetzt übertreibst du aber. Ich habe Magenschmerzen, ich gehe.« »Nun warte doch, Herrgott, als die Templer den Sarazenen die Bäuche aufschlitzten, da hast du dich amüsiert, weil das schon so lange her war, und jetzt willst du hier den Moralisten spielen wie irgendein kleinbürgerlicher Intellektuellen! Wir sind hier dabei, die Weltgeschichte neu zu schreiben, da dürfen wir vor nichts zurückschrecken!« Wir ließen ihn weiterreden, überwältigt von seinem Elan. »Das Auffallende am Völkermord an den Juden ist die Länge und Umständlichkeit des Verfahrens. Erst werden sie in die Lager verbracht, um zu hungern, dann werden sie nackt ausgezogen, dann die Duschen, dann die pedantische Aufstapelung von Leichenbergen, die Archivierung der Kleider, die Registrierung der persönlichen Habe... Das war kein rationales Verfahren, wenn es bloß ums Töten ging. Das wurde erst rational, wenn es darum ging, etwas zu suchen, etwas Verstecktes, eine Botschaft, die einer von diesen Millionen Menschen, der Jerusalemer Repräsentant der Sechsunddreißig Unsichtbaren, irgendwo an sich trug, in den Falten seiner Kleider, im Mund, auf die Haut tätowiert... Nur der Große Plan erklärt den unerklärlichen Bürokratismus der Hitlerschen Judenvernichtung. Hitler suchte bei den Juden die Anregung, die Idee, die ihm erlauben sollte, mit Hilfe des Pendels den genauen Punkt zu bestimmen, den Punkt unter der konkaven Wölbung, mit der die Hohlwelt sich selber umschließt, wo die unter‑ oder innerirdischen Strömungen sich überschneiden – die nun, und man beachte die Vollendung der Konzeption, identisch mit den himmlischen Strömungen sind, so dass die Lehre von der hohlen Welt gewissermaßen die Materialisierung jener jahrtausendealten hermetischen Einsicht wäre, nach welcher es unten so ist wie oben! Der Mystische Pol fallt mit dem Erdmittelpunkt zusammen, die geheime Sternenkarte ist nichts anderes als die geheime Karte der Unterwelt von Agarttha, es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Himmel und Hölle, und der Gral, der lapis exillis, ist insofern lapis ex coelis, als er der Stein der Weisen ist, der als Umhüllung entsteht, als Hülle, Gefäß und Grenze, als chthonischer Uterus der sieben Himmel! Jawohl, so ist es, so muß es sein, denkt Hitler, und wenn er diesen Punkt identifiziert haben wird, den Punkt im leeren Zentrum der Erde, der das perfekte Zentrum des Himmels ist, dann wird er endlich der Herr der Welt sein, deren König er qua Rasse schon ist. Und so denkt er bis ganz zuletzt, tief in seinem Bunker vergraben, er könnte den Mystischen Pol noch bestimmen.« »Genug«, sagte Diotallevi leise.»Jetzt geht's mir wirklich schlecht. Ich hab Schmerzen.« »Es geht ihm wirklich schlecht, das ist kein bloß ideologischer Protest«, sagte ich. Belbo schien erst jetzt zu begreifen. Er sprang bestürzt auf, um dem Freund zu helfen, der sich zusammengekrümmt auf den Tisch stützte und einer Ohnmacht nahe schien.»Entschuldige, Lieber, ich habe mich fortreißen lassen. He, sag mal, dir ist doch nicht etwa deshalb schlecht, weil ich solche Sachen gesagt habe? Seit zwanzig Jahren machen wir diese Art Witze, das kann's doch nicht gewesen sein, oder? Nein, dir geht es tatsächlich schlecht, vielleicht hast du wirklich eine Gastritis. Pass auf, da hilft meistens eine Magentablette. Und eine Wärmflasche auf dem Bauch. Komm, ich bring dich nach Hause, aber dann solltest du doch lieber einen Arzt rufen, für alle Fälle.« Diotallevi sagte, er könne allein im Taxi nach Hause, er liege noch nicht im Sterben. Er müsse sich nur etwas hinlegen, und er werde gleich einen Arzt rufen, ja, versprochen. Und nein, es sei nicht Belbos Geschichte gewesen, was ihn so erschüttert habe, es sei ihm schon seit dem vorigen Abend nicht gut gegangen. Belbo schien erleichtert und brachte ihn zum Taxi hinunter. Er kam besorgt zurück:»Also jetzt, wenn ich's mir überlege, schon seit ein paar Wochen sieht der Junge schlecht aus. Diese Ringe unter den Augen... Meine Güte, ich müsste schon vor zehn Jahren an Leberzirrhose gestorben sein, und jetzt hat er, der immer wie ein Asket gelebt hat, eine Gastritis! Und wer weiß, womöglich noch was Schlimmeres, ich fürchte, das ist ein Magengeschwür. Zum Teufel mit dem Großen Plan. Wir führen schon ein verrücktes Leben.« »Also ich sage, das geht mit einer Magentablette vorbei«, sagte ich. »Das sage ich auch. Aber sie hilft besser, wenn er sich auch eine heiße Wärmflasche auf den Bauch legt. Hoffen wir, dass er vernünftig ist.«
101
Qui operatur in Cabala... si errabit in opere aut non purificatus accesserit, devorabitur ab Azazale. (Wer sich mit Kabbala beschäftigt... so er sich im Werke irrt oder ungereinigt darangeht, wird er von Azazal verschlungen.)
Pico della Mirandola, Conclusiones Magicae
Diotallevis Krise war Ende November ausgebrochen. Am nächsten Morgen erwarteten wir ihn vergeblich, er rief uns an und sagte, er müsse für ein paar Tage ins Krankenhaus. Der Arzt habe gesagt, die Symptome seien zwar nicht besorgniserregend, aber es sei doch besser, ihn gründlich zu untersuchen. Belbo und ich verbanden seine Erkrankung instinktiv mit dem Großen Plan, den wir vielleicht zu weit getrieben hatten. Wir sagten uns zwar, dass es unvernünftig war, aber wir kamen uns schuldig vor. Zum zweiten Mal fühlte ich mich als Belbos Komplize: das erste Mal hatten wir gemeinsam geschwiegen (gegenüber De Angelis), diesmal hatten wir gemeinsam zu viel geredet. Es war unvernünftig, sich schuldig zu fühlen – damals waren wir davon überzeugt –, aber wir wurden das Unbehagen nicht los. So hörten wir für mindestens einen Monat auf, von dem Plan zu sprechen. Nach zwei Wochen war Diotallevi wieder erschienen und hatte uns in zwanglosem Ton mitgeteilt, dass er Garamond um einen Erholungsurlaub gebeten habe. Die Ärzte hätten ihm eine Kur empfohlen, sagte er, ohne uns mehr darüber zu verraten, als dass sie ihn zwingen würde, sich alle zwei bis drei Tage in die Klinik zu begeben, und dass sie ihn ein bisschen schwächen würde. Ich weiß nicht, wie weit er noch geschwächt werden konnte: seine Haut hatte inzwischen dieselbe Farbe wie seine Haare.»Und hört auf mit diesen Geschichten«, hatte er noch gesagt»Ihr seht, die schaden der Gesundheit. Das ist die Rache der Rosenkreuzer.« »Mach dir darüber keine Sorgen«, hatte Belbo ihm lächelnd geantwortet,»die Rosenkreuzer, die kriegen von uns so was von Dresche, sag ich dir, dass sie dich ganz bestimmt in Ruhe lassen werden. Brauchst nur so zu machen«, und er hatte mit den Fingern geschnipst. Die Kur dauerte dann bis ins neue Jahr hinein. Ich hatte mich ganz in die Geschichte der Magie vertieft – der wahren, der ernsthaften, sagte ich mir, nicht der unseren. Garamond schaute mindestens einmal täglich zu uns herein, um sich nach Diotallevi zu erkundigen.»Und bitte, meine Herren, informieren Sie mich über jedes Erfordernis, ich meine, über jedes Problem, das auftaucht, über jeden Umstand, bei dem ich oder der Verlag etwas tun können für unseren tüchtigen Freund. Er ist für mich wie ein Sohn, ich sage noch mehr, wie ein Bruder. Aber immerhin leben wir ja Gott sei Dank in einem zivilisierten Land und erfreuen uns, was man darüber auch sagen mag, eines exzellenten Krankenversicherungswesens.« Agliè hatte sich betroffen gezeigt, hatte nach dem Namen der Klinik gefragt und den Direktor angerufen, einen lieben alten Freund (und überdies, wie er uns sagte, Bruder eines AEK, mit dem er inzwischen die herzlichsten Beziehungen unterhielt). Diotallevi würde mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt werden. Lorenza war tief bewegt. Sie kam fast täglich vorbei, um sich nach dem neuesten Stand zu erkundigen. Das hätte Belbo glücklich machen müssen, doch er nahm es als Grund zu einer schlimmen Diagnose: Obwohl so präsent, entzog sich Lorenza ihm, da sie nicht seinetwegen kam. Kurz vor Weihnachten hatte ich einen Gesprächsfetzen aufgeschnappt. Lorenza hatte zu ihm gesagt:»Ich versichere dir, ein ganz herrlicher Schnee, und die Zimmer sind reizend. Du kannst da Langlauf machen. Ja?«Ich hatte daraus geschlossen, dass die beiden den Jahreswechsel zusammen verbringen wollten. Aber nach dem Dreikönigstag war Lorenza im Flur erschienen, und Belbo hatte ihr ein gutes neues Jahr gewünscht, wobei er sich ihrem Versuch, ihm einen Kuss zu geben, entzog.
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Von hier aufbrechend gelangten wir in eine Gegend namens Milestre... in der, wie es heißt, einer lebte, der sich der Alte vom Berge nannte... Und er hatte auf sehr hohen Bergen, rings um ein Tal, eine überaus dicke und hohe Mauer gebaut, und sie umfing dreißig Meilen, und hinein gelangte man durch zwei Tore, die versteckt in den Berg gebohrt waren. Odorico da Pordenone, De rebus incognitis, Impressus Esauri, 1513, cap. 21, p. 15
Eines Tages Ende Januar ging ich durch die Via Marchese Gualdi, wo ich mein Auto geparkt hatte, und sah den Signor Salon aus der Tür von Manuzio kommen.»Ein Plausch mit meinem alten Freund Agliè...«, sagte er. Seinem Freund? Soweit ich mich an das Fest in Piemont erinnerte, konnte Agliè ihn nicht leiden. War es Salon, der seine Nase bei Manuzio reinsteckte, oder Agliè, der ihn wer weiß wozu benutzte? Er ließ mir keine Zeit, darüber nachzudenken, denn er lud mich zu einem Aperitif ein, und so landeten wir bei Pilade. Ich hatte ihn noch nie in der Gegend gesehen, aber er begrüßte den alten Pilade wie einen langjährigen Bekannten. Wir setzten uns, und er fragte mich, wie es meiner Geschichte der Magie ergehe. Also wusste er auch das. Ich provozierte ihn mit der Hohlwelt und dem von Belbo erwähnten Sebottendorff. Er lachte.»Man muß schon sagen, Verrückte kommen ja zu Ihnen so einige! Über diese Hohlweltgeschichte weiß ich nichts. Aber Sebottendorff, o ja, der war schon ein seltsamer Vogel. Er hätte Himmler und Konsorten beinahe Ideen in den Kopf gesetzt, die für das deutsche Volk selbstmörderisch gewesen wären.« »Was für Ideen?« »Orientalische Fantasien. Der Mann war auf der Hut vor den Juden und verehrte die Araber und die Türken. Wissen Sie, dass auf Himmlers Schreibtisch außer Mein Kampf immer auch der Koran lag? Sebottendorf hatte sich in seiner Jugend für ich weiß nicht welche türkische Geheimsekte begeistert und hatte angefangen, die islamische Gnosis zu studieren. Er sprach vom ›Führer‹, aber er dachte dabei an den Alten vom Berge. Und als sie dann alle gemeinsam die SS gründeten, dachte er an eine Organisation wie die Assassinen... Fragen Sie sich einmal, warum wohl im Ersten Weltkrieg die Deutschen mit den Türken verbündet waren... « »Aber woher wissen Sie all diese Dinge?« »Ich hab's Ihnen doch gesagt, mein Vater selig arbeitete für die russische Ochrana. Nun, und ich erinnere mich, dass die Ochrana damals beunruhigt wegen der Assassinen war, ich glaube, als erster hatte Ratschkowski davon Wind bekommen... Aber dann haben sie die Spur aufgegeben, denn wenn die Assassinen involviert waren, konnten die Juden mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben, und damals waren die Juden die Gefahr. Wie stets. Die Juden sind dann nach Palästina zurückgekehrt und haben diese andern gezwungen, ans Licht zu treten. Aber das ist eine ziemlich verworrene Geschichte, lassen wir's damit bewenden.« Er schien zu bereuen, dass er so viel gesagt hatte, und verabschiedete sich überstürzt. Dann geschah noch etwas. Nach allem, was seither geschehen ist, bin ich heute sicher, nicht geträumt zu haben, aber damals hätte ich geschworen, es sei eine Halluzination gewesen, denn als ich Salon nachblickte, wie er auf die Straße hinausging, war mir, als sähe ich ihn an der Ecke einem Orientalen begegnen. Auf jeden Fall hatte er genug gesagt, um meine Fantasie auf Touren zu bringen. Der Alte vom Berge und die Assassinen waren für mich keine Unbekannten: ich hatte sie in meiner Dissertation erwähnt, denn die Templer waren beschuldigt worden, auch mit ihnen in Verbindung getreten zu sein. Wie hatten wir sie nur vergessen können? So fing ich wieder an, mein Gehirn arbeiten zu lassen, und vor allem meine Finger, indem ich alte Karteien durchwühlte, und dabei kam mir eine so glänzende Idee, dass ich mich nicht zurückhalten konnte. Am nächsten Morgen platzte ich in Belbos Büro:»Die haben alles falsch gemacht. Wir haben alles falsch gemacht.« »Langsam, langsam, Casaubon. Wer denn? Ach Gott, Sie reden von dem Großen Plan!«Er zögerte einen Moment.»Wissen Sie, dass es schlechte Nachrichten von Diotallevi gibt? Er will nicht reden, da hab ich in der Klinik angerufen, aber sie wollten mir nichts Genaues sagen, weil ich kein Angehöriger bin – er hat keine Angehörigen, also wer soll sich da sonst um ihn kümmern? Diese Zurückhaltung hat mir gar nicht gefallen. Es wäre was Gutartiges, sagen sie, aber die Therapie hätte nicht genügt, es wäre besser, wenn er sich noch für einen weiteren Monat in ihre Obhut begäbe, vielleicht lohnte sich auch ein chirurgischer Eingriff... Mit einem Wort, diese Ärzte sagen mir nicht die ganze Wahrheit, und die Sache gefällt mir immer weniger.« Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, und blätterte verlegen in einem Ordner, um meinen triumphalen Einzug vergessen zu machen. Doch es war Belbo, der nicht widerstehen konnte. Er war wie ein Spieler, dem plötzlich ein gutes Blatt gezeigt wird.»Zum Teufel«, sagte er schließlich.»Das Leben geht weiter, leider. Erzählen Sie schon.« »Die haben alles falsch gemacht. Wir haben alles falsch gemacht, oder fast alles. Also passen Sie auf. Hitler macht mit den Juden, was er gemacht hat, aber er findet nicht das geringste. Die Okkultisten der halben Welt haben sich jahrhundertelang damit abgemüht, Hebräisch zu lernen, sie rätseln herum, wo es was zu rätseln gibt, aber sie ziehen höchstens das Horoskop ans Licht. Warum?« »Nun, weil... weil das Fragment der Jerusalemer noch irgendwo verborgen ist. Übrigens ist ja auch das Fragment der Paulizianer noch nicht zum Vorschein gekommen, soweit wir wissen... « »Das ist eine Antwort nach Art von Agliè, nicht nach unserer Art. Ich habe eine bessere: Die Juden haben nichts mit der ganzen Sache zu tun.« »Wie meinen Sie das?« »Die Juden haben nichts mit dem Großen Plan zu tun. Sie können gar nichts damit zu tun haben. Vergegenwärtigen wir uns noch mal die Lage der Templer, erst in Jerusalem und dann in den europäischen Komtureien. Die französischen Ritter treffen sich mit den deutschen, den portugiesischen, spanischen, italienischen, englischen Rittern, sie alle gemeinsam haben Beziehungen zum byzantinischen Raum, und vor allem messen sie sich mit dem türkischen Gegner. Einem Gegner, mit dem man sich schlägt, aber mit dem man auch verhandelt, wir haben es ja gesehen. Dies waren die beteiligten Kräfte, und die Beziehungen bildeten sich zwischen gleichrangigen Aristokraten. Wer aber waren die Juden damals in Palästina? Eine russische und religiöse Minderheit, geduldet und respektiert von den Arabern, die sie mit gnädiger Nachsicht behandelten, aber sehr schlecht von den Christen behandelt, vergessen wir nicht, dass im Laufe der verschiedenen Kreuzzüge ganz nebenbei die Ghettos geplündert und ihre Bewohner massakriert wurden, wie's gerade kam. Und da glauben wir, dass die Templer, elitär und hochnäsig, wie sie waren, mit den Juden mystische Informationen ausgetauscht hätten? Nie und nimmer. Und in den europäischen Komtureien galten die Juden als Wucherer, als minderwertige Leute, die man zwar ausbeuten konnte, aber denen man kein Vertrauen schenken durfte. Vergessen wir nicht, wir sprechen hier von Beziehungen zwischen Rittern, wir konstruieren den Plan einer spirituellen Ritterschaft. Und da haben wir uns vorstellen können, die Tempelherren von Provins hätten Bürger zweiter Klasse in die Sache verwickelt? Nie und nimmer!« »Aber all diese Magier und Naturphilosophen der Renaissance, die sich ans Studium der Kabbala machen...?« »Natürlich, sie stehen kurz vor dem dritten Treffen, sie ballen ungeduldig die Faust in der Tasche und suchen nach Abkürzungswegen, das Hebräische erscheint als heilige und mysteriöse Sprache, die Kabbalisten werkeln auf eigene Rechnung und mit anderen Zielen – da setzen sich die in der Welt verstreuten Sechsunddreißig in den Kopf, eine unverständliche Sprache verberge wer weiß was für Geheimnisse. Es war Pico della Mirandola, der erklärt hat, dass nulla nomina, ut significativa et in quantum nomina sunt, in magico opere virtutem habere non possunt, nisi sint Hebraica. (keine Nomina, seien sie auch bedeutsam und insofern sie Nomina sind, können in einem magischen Werk eine Kraft haben, wenn sie nicht hebräisch sind) Na und? Pico della Mirandola war ein Idiot.« »Das muß mal gesagt werden!« »Überdies war er als Italiener ausgeschlossen vom Großen Plan. Was wusste er überhaupt davon? Um so schlimmer für die diversen Agrippa, Reuchlin und Konsorten, die sich auf diese falsche Spur stürzten. Denn damit wir uns recht verstehen, ich rekonstruiere hier die Geschichte einer falschen Spur. Wir haben uns von Diotallevi und seiner Kabbalistik beeinflussen lassen. Diotallevi trieb kabbalistische Studien, und so haben wir die Juden in den Plan eingefügt. Hätte Diotallevi sich mit der chinesischen Kultur beschäftigt, hätten wir dann die Chinesen in den Plan eingebaut?« »Vielleicht ja.« »Vielleicht nein. Aber das ist kein Grund, sich die Haare zu raufen, denn wir sind von allen irregeführt worden. Alle haben den Fehler gemacht, von Guillaume Postel bis heute, vermutlich. Seit damals, zweihundert Jahre nach Provins, waren alle überzeugt, dass die sechste Gruppe die Jerusalemische sei. Das war falsch.« »Aber entschuldigen Sie, Casaubon, wir haben doch die Interpretation von Ardenti korrigiert, wir haben doch gesagt, das sechste Treffen ›auf dem Stein‹ sei nicht in Stonehenge, sondern auf dem Stein der Omar‑Moschee.« »Und wir haben uns getäuscht. Steine gibt es noch andere. Wir müssen an einen Ort denken, der auf einem Stein gebaut ist, auf einem Felsen, einer Klippe, einem schmalen Grat... Die Sechsten warten in der Festung von Alamut!«
103
Und es erschien Kairos, in der Hand ein Szepter, das bedeutete Königtum, und er übergab es dem zuerst geschaffenen Gott, und der nahm es und sprach:»Dein geheimer Name wird sechsunddreißig Lettern haben.« Ḥasan‑i Ṣabbāḥ, Sargoẕašt Sayyid‑nā
Ich hatte mein Bravourstück gegeben, jetzt schuldete ich Erklärungen. Ich lieferte sie am nächsten Abend, ausführlich, detailliert und dokumentiert, während ich auf Pilades Tischchen Beweise über Beweise vor Belbo aufblätterte, der sie mit immer benebelteren Blicken verfolgte, eine Zigarette am Stummel der anderen entzündend und alle fünf Minuten das leere Whiskyglas mit einem Restchen von Eis zu Pilade hinstreckend, der sich beeilte, es wieder zu füllen, ohne auf weitere Order zu warten. Die ersten Quellen waren dieselben, in denen auch die ersten Berichte über die Templer auftauchten, von Gérard de Strasbourg bis zu Joinville. Die edlen Ritter, berichteten sie, seien in Berührung gekommen – manchmal als Gegner, öfter als undurchsichtige Bündnispartner – mit den Assassinen des Alten vom Berge. Natürlich war die Geschichte viel komplizierter. Sie begann nach dem Tode Mohammeds mit der Spaltung zwischen den Anhängern des orthodoxen Gesetzes, den Sunniten, und den Gefolgsleuten des Prophetenschwiegersohns Ali, des Gatten der Fatima, der sich um die Nachfolge des Propheten gebracht sah. Es waren die Getreuen Alis, die sich in der Schia zusammenfanden, der Abspaltung oder Parteiung, die den häretischen Flügel des Islam begründete: das Schiitentum. Eine Initiationslehre, welche die Kontinuität der Offenbarung nicht in der traditionellen Meditation über die Worte des Propheten sah, sondern in der Person des Imam selbst, des Oberhauptes und Führers, der Epiphanie Gottes und theophanen Realität, des Königs der Welt. Was geschah nun mit diesem häretischen Flügel des Islam, der nach und nach von allen esoterischen Lehren des Mittelmeerraumes durchdrungen wurde, von den Manichäern bis zu den Gnostikern, von den Neuplatonikern bis zu den iranischen Mystikern, von all jenen Einflüssen, deren abendländische Weiterentwicklung wir seit Jahren verfolgt hatten? Die Geschichte war lang und verwickelt, es gelang uns nicht, sie zu entwirren, auch weil die verschiedenen arabischen Autoren und Protagonisten so lange und komplizierte Namen hatten, die in den seriöseren Werken mit diakritischen Zeichen geschrieben wurden, so dass wir spätabends nicht mehr recht unterscheiden konnten zwischen Abū ‘Abdullāh Muḥammad b. ‘Alī ibn Razzām aṭ‑Ṭā'ī al‑Kūfī, Abū Muḥammad ‘Ubaydullāh, Abū Mu‘ini ad‑Dīn Nāṣir ibn Hosrow Marwāzī Qobādyānī und so weiter (ich glaube, dass ein Araber in der gleichen Verlegenheit wäre, wenn er zu unterscheiden hätte zwischen Aristoteles, Aristoxenos, Aristarchos, Aristeides, Anaximandros, Anaximenes, Anaxagoras, Anaxarchos und Anaxandrides). Eins war jedoch sicher. Das Schiitentum zerfällt in zwei Strömungen, eine»Zwölfer«genannte, deren Anhänger auf die Wiederkehr eines verborgenen zwölften Imam warten, und eine kleinere, die Sekte der Ismaeliten, die sich auf Ismael, den früh verstorbenen Sohn des sechsten Imam, berufen. Entstanden im achten Jahrhundert, hatten sie ihre Blüte im Reich der Fatimiden von Kairo und konnten sich dann, nach diversen Wechselfällen und Spaltungen, als reformierte oder Neo‑Ismaeliten vor allem in Persien behaupten, dank der Aktivität einer faszinierenden, mystischen und grausamwilden Persönlichkeit: des Persers Ḥasan‑i Ṣabbāḥ. Dieser etablierte im Jahre 1090 seine Zentrale, seinen uneinnehmbaren Sitz bei Qazvin, südwestlich des Kaspischen Meeres, in der Bergfestung Alamut, dem Adlerhorst. Dort umgab er sich mit seinen Getreuen, den Fida’iyyūn oder Fedajin, die ihm blinden Gehorsam bis in den Tod schwören mussten und die er benutzte, um seine politischen Morde auszuführen, als Instrumente im Ğihād hīf ī, dem geheimen Heiligen Krieg. Es waren diese Fedajin oder wie immer er sie nannte, die später eine traurige Berühmtheit unter dem Namen»Assassinen«erlangten – was heute kein schöner Name ist, aber damals und für sie ein glänzender war, Zeichen einer Elite von Mönchskriegern, die den Templern sehr ähnlich waren, allzeit bereit, für den Glauben zu sterben. Spirituelle Ritterschaft. Die Bergfestung Alamut: der Stein. Erbaut auf einem hohen schmalen Grat von vierhundert Metern Länge und stellenweise nur wenigen Schritten Breite, maximal dreißig Metern, kam sie dem Wanderer, der sich ihr auf der Straße nach Aserbeidschan näherte, wie eine natürliche Mauer vor, blendend weiß in der Sonne, blau im purpurnen Abendlicht, bleich in der Dämmerung und blutrot im Morgengrauen, an manchen Tagen wolkenverhangen oder von Blitzen umzuckt. Längs ihrer oberen Kante war mit Mühe eine Art Bebauung erkennbar, eine unregelmäßige Zinnenkrone aus eckigen Türmen, von unten sah sie aus wie eine steinerne Säge, die über Hunderte von Metern ihre Zähne drohend zum Himmel reckte, der zugänglichste Hang war ein steiles Geröllfeld, das die Archäologen noch heute nicht bezwingen, damals gelangte man über eine geheime Treppe hinauf, die schneckenförmig in den Felsen gehauen war, wie um einen fossilen Apfel zu schälen, und die zu verteidigen ein einziger Bogenschütze genügte. Uneinnehmbar, schwindelerregend im Anderswo. Alamut, die Burg der Assassinen. Dort hinauf kam man nur auf Adlersrücken. Dort oben regierte Ḥasan‑i Ṣabbāḥ und nach ihm die Reihe derer, die kollektiv als»der Alte vom Berge«bekannt werden sollten, allen voran sein teuflischer Nachfolger Rašīd ad‑Dīn Sinān. Ḥasan hatte eine Technik zur Beherrschung sowohl der Seinen wie seiner Widersacher erfunden. Den Feinden kündigte er an, dass er sie töten werde, wenn sie seinen Wünschen nicht entsprächen. Und vor den Assassinen gab es kein Entkommen. Nizâm al‑Mulk, Wesir des Sultans zu der Zeit, als die Kreuzfahrer sich noch bemühen, Jerusalem zu erobern, wird auf dem Wege zu seinem Harem in seiner Sänfte getötet, erdolcht von einem Schergen, der sich als Derwisch verkleidet hatte. Der Atabeg von Homs wird von den Assassinen erstochen, als er aus seiner Burg herabkommt, um sich zum Freitagsgebet zu begeben, umringt von einer Schar bis an die Zähne bewaffneter Leibwächter. Sinān beschließt, den christlichen Markgrafen Konrad von Monferrat zu töten, und instruiert zwei seiner Getreuen. Es gelingt ihnen, sich bei den Ungläubigen einzuschleichen, nachdem sie in hartem Training gelernt haben, ihre Sprache und ihre Gebräuche zu imitieren. Verkleidet als Mönche, bei einem Bankett, das der Bischof von Tyrus dem ahnungslosen Markgrafen gibt, fallen sie über ihn her und verletzen ihn. Einer der Assassinen wird von den Leibwächtern auf der Stelle getötet, der andere flieht in eine Kirche, wartet, bis der Verletzte dorthin gebracht wird, stürzt sich auf ihn, gibt ihm den Rest und stirbt selig. Denn – so die arabischen Geschichtsschreiber der sunnitischen Linie und nach ihnen die christlichen Chronisten, von Odorico da Pordenone bis Marco Polo – der Alte vom Berge hatte eine fürchterliche Methode entdeckt, sich seine Getreuen ergeben bis in den Tod zu machen, als unbesiegbare Kampfmaschinen: Er schleppte sie als junge Burschen, in Schlaf versetzt, auf seine Burg, entnervte sie mit Genüssen, Wein, Weibern, Blumen, schwelgerischen Banketten, betäubte sie mit Haschisch (daher der Name Assassinen: von Haschaschin, Haschischraucher), und wenn sie auf die perversen Wonnen dieses künstlichen Paradieses nicht mehr verzichten konnten, riss er sie aus ihren Träumen und stellte sie vor die Alternative: Geh hin und töte! Wenn du es schaffst, wird dieses Paradies dir erneut und für immer offenstehen, wenn nicht, fällst du zurück in die Hölle des Alltags. Und sie, betäubt von der Droge, blind seinem Willen untertan, opferten sich, um zu opfern – zum Tode verurteilte Töter, zum Morden verdammte Mordopfer. Wie wurden sie gefürchtet! Wie wurde über sie gefabelt und gefaselt von den Kreuzfahrern in den mondlosen Nächten, wenn der Samum durch die Wüste blies! Wie wurden sie bewundert von den Templern, diesen rauen Haudegen, überwältigt von einem so hehren Märtyrerwillen, die sich unterwarfen, um ihnen Wegzölle zu zahlen und formale Tribute dafür zu verlangen, in einem Wechselspiel von gegenseitigen Zugeständnissen, Komplizen‑und Waffenbrüderschaften, einander auf offenem Felde bekämpfend und im geheimen liebkosend, einander mystische Visionen zuraunend, magische Formeln, alchimistische Raffinessen... Von den Assassinen des Alten vom Berge hatten die Templer ihre okkulten Riten gelernt. Nur die unkriegerische Ignoranz der Vögte und Inquisitoren Philipps des Schönen hatte diese daran gehindert, zu begreifen, dass der Kuss auf den Hintern, das Spucken aufs Kreuz, der schwarze Kater und die Anbetung des Baphomet‑Hauptes nichts anderes waren als Wiederholungen anderer Riten, welche die Templer unter dem Einfluß des ersten Geheimnisses vollzogen hatten, dem sie im Orient begegnet waren: dem Gebrauch des Haschischs. Date: 2015-12-13; view: 476; Íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ |