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Die erste Schau 6 page
"Ich... habe ich?..." "Jawohl! Richtig geschlafen, wie mir scheint, haben Sie, mein Bester; ich will versuchen –" die Fürstin ließ ihre Lachperlen wieder über mich hinwegrollen – "ich will versuchen, meiner Empfindlichkeit ein Schnippchen zu schlagen und die Schuld nicht auf meinen Vortrag, sondern auf Ihr nur geheucheltes Interesse für gräkopontische Kunst und Kultur zu schieben. Da ist freilich alle gelehrte Mühe vergebens verschwendet..."
"Ich weiß in der Tat nicht, Fürstin", stotterte ich, "ich bin verwirrt... ich bitte, zu verzeihen... aber ich kann mich doch nicht so unbegreiflich getäuscht haben:... die Statue der löwenhäuptigen Isis dort zum Beispiel..." – Schweiß perlte mir über die Stirn herab. Ich mußte mein Taschentuch zu Hilfe nehmen. "Natürlich, es ist viel zu warm hier", rief die Fürstin lebhaft, "verzeihen Sie, lieber Freund! Ich liebe die Wärme eben zu sehr! Aber es wird Ihnen darum genehm sein, unserm Gast, der mir soeben gemeldet wurde, einige Schritte entgegenzugehen?"
Eine überraschte Frage, die ich gerade noch unterdrückte, um nicht gänzlich dem Verdachte, geschlafen zu haben, zu verfallen, schien von meiner liebenswürdigen Wirtin dennoch verstanden.
"Lipotin erwartet uns im Vorzimmer. Ich hoffe, Sie sind nicht ungehalten, daß ich nicht ablehnte, ihn zu empfangen, da er ja ein gemeinsamer Bekannter ist?" Lipotin! – – Ich hatte das Gefühl, jetzt erst wieder ganz zu mir und in den Besitz meiner seelischen Kräfte zu kommen. Ich kann es nicht anders und nicht besser bezeichnen: ich hatte das Gefühl, als tauchte ich empor aus... wo war das grünliche Licht, das soeben noch den Raum erfüllt hatte? – Hinter dem Haupte der ruhenden Fürstin war ein schwerer Kelim halb gerafft aufgezogen; sie selbst sprang auf und öffnete einen verborgenen Fensterflügel. Warme Nachmittagssonne machte ein goldenes Staubband im Raume tanzen.
Mit aller Gewalt schlug ich das in mir aufwirbelnde Heer von Zweifeln, Fragen und Selbstbeschuldigungen nieder, so gut es eben gehen wollte, und begleitete die Fürstin ins Vorzimmer, wo Lipotin bereits wartete und uns beiden alsbald mit lebhaftem Gruß entgegentrat. "Es tut mir unendlich leid", begann er, "schon die erste Begegnung meiner verehrten Gönnerin mit einem so oft vergeblich erwarteten Gast in ihrem Hause zu stören! Aber ich bin überzeugt, wer einmal diese sehenswürdigen Räume besucht hat, der wird keine Gelegenheit mehr vorübergehen lassen, die es ihm gestatten, sie wieder zu betreten. Ich beglückwünsche Sie, mein werter Freund!"
Noch immer mißtrauisch, suchte ich vergebens aus irgendeinem Blick oder einer Bewegung ein geheimes Einverständnis zwischen den beiden zu erspähen. Aber in dem nüchternen Licht und der trivialen Umgebung dieses Vorzimmers war die Fürstin ganz Dame und die liebenswürdig einen alten Vertrauten begrüßende Frau des Hauses; selbst ihr auffallend gut geschnittenes Kleid erschien mir jetzt bei aller Eleganz durchaus nicht mehr so ungewöhnlich wie zuvor, und es blieb mir nur übrig, festzustellen, daß es aus einem allerdings selten kostbaren Seidenbrokat gearbeitet war. –
Mit raschem Lächeln nahm die Fürstin Lipotins Worte auf: "Lipotin, ich fürchte, unser gemeinsamer Freund hat im Gegenteil einen ziemlich ungünstigen Eindruck von mir als Hausfrau und Wirtin davongetragen. Denken Sie nur: Ich habe mich nicht entblödet, ihm eine Vorlesung zu halten. Natürlich ist er darüber eingeschlafen!"
Gelächter, Neckerei nach allen Seiten hin machten das Gespräch lebhaft. Die Fürstin blieb dabei, sie hätte ihre vornehmsten Pflichten weiblicher Gastlichkeit versäumt, – sie hätte vergessen, ja wahrhaftig: vergessen, Mokka bringen zu lassen; und dies nur deshalb, weil sie es nicht hätte erwarten können, einem Kenner von dem seltenen Range ihres Gastes mit ihrem eigenen, doch bloß angelernten Wissen etwas vorzuprunken. Man sollte eben niemals Vorträge halten, ohne vorher seine Opfer und Zuhörer mit einer Herzstärkung zu laben, und was dergleichen Scherzreden mehr waren. Mir stieg dabei die Schamröte ins Gesicht, wie ich so bedachte, mit was für Traumphantasien ich während der Zeit, in der mich die Frau des Hauses eingeschlafen glaubte, beschäftigt gewesen war!
Zu allem hin traf mich in diesem Moment ein schräger Blick Lipotins, der mir zu besagen schien, daß er als instinktfester alter Antiquar mit mehr oder weniger eindringender Hellfühligkeit in meinen Gedanken zu lesen verstehe, – und meine Verwirrung nahm zu. Glücklicherweise schien die Fürstin nichts zu ahnen und deutete meine Befangenheit als Nachwirkung meiner durch heiße Zimmerluft entstandenen Schlaftrunkenheit.
Ein verschmitztes Lächeln unterdrückend, half mir Lipotin aus der fatalen Situation, indem er die Fürstin fragte, ob mich vielleicht die Besichtigung ihrer einzigartigen Waffensammlung zuvor so sehr erschöpft hätte, was er angesichts einer solchen Menge sinnverwirrender Schätze wohl begreifen könnte, aber wieder verneinte die Fürstin mit komischer Verzweiflung und klagte und lachte, was er sich wohl dächte, und daß sie dazu überhaupt noch keine Zeit gefunden hätte und auch gar nicht wage... Damit war die Gelegenheit für mich gekommen, endlich mein schwer beschädigtes Ansehen wiederherzustellen, und ich flehte, von Lipotin unterstützt, um die Gunst, die Sammlung, von der ich schon so Märchenhaftes gehört hatte, sehen zu dürfen; ich erbot mich im Scherz zu den härtesten Proben der Aufmerksamkeit, auch gegenüber noch so entlegenen Belehrungen auf einem Gebiete, von dem ich leider nur ganz laienhafte Begriffe besäße.
Die Fürstin ließ sich bewegen, und so schritten wir aufs neue den innern Gemächern zu und erreichten unter fortgesetzten Scherzreden einen Raum, der, offenbar in einem andern Flügel der Villa gelegen, sich plötzlich lang hinstreckte wie eine Galerie. Zwischen gläsernen Schaukästen strahlten die Wände förmlich wider von dem matten Stahlglanz zahlloser Rüstungen. Wie die entseelten Hüllen von Insektenmenschen standen sie da in langer Reihe nebeneinander, als warteten sie hoffnungslos auf einen plötzlichen Befehl, der sie wieder ins Leben zurückrufen möchte. Zwischen und über ihnen: Topf- und Stechhelme, eingelegte Brünnen, tauschierte Harnische und künstlich genietete Kettenhemden, – meist, soweit ein erster Blick mich belehrte, von asiatischer und osteuropäischer Herkunft.
Es war die reichste Rüstkammer, die ich je gesehen, reich vor allem an überaus kostbar eingelegten, mit Gold und Edelsteinen gezierten Waffen, vom merowingischen Skramax herab bis zu den Sarazenenschilden und -dolchen der besten arabischen, sassanidischen und pontischen Schwertschmiedekunst. Seltsam berührte mich der phantastische, eigentümlich starr lebendige Eindruck, der von dieser fast drohend funkelnden Sammlung ausging, als seien es scheintote Wesen, die hier umherstanden oder von den Wänden herabglänzten, – aber viel seltsamer, fremdartiger noch erschien es mir, die Sammlerin all dieser männermordenden Geräte mit leichtem Schritt und in ziemlich extravagantem modischen Gewand hier als Kennerin und belehrende Führerin vor mir herschreiten zu sehen. Ein Weib, eine kapriziöse Dame als leidenschaftliche Verwalterin einer Kammer voll von Folter- und Mordwerkzeugen! – Es blieb mir wenig Muße, diesen Gefühlen nachzuhängen.
Die Fürstin sprach eifrig, fließend und gewandt von den Sammlerneigungen ihres verstorbenen Vaters und von ihrer eigenen. Mit geschickter Wahl wußte sie immer auf neue kostbare Seltenheiten aufmerksam zu machen, wovon ich aber naturgemäß nur das wenigste im Gedächtnis behalten habe. Nur so viel war mir aufgefallen, daß diese Sammlung keineswegs nach den üblichen Gesichtspunkten zusammengestellt zu sein schien.
Der alte Fürst hatte offenbar nach Sonderlingsart ein ganz besonderes Interesse an solchen Stücken gehabt, die durch Herkunft oder Schicksal irgendwie ausgezeichnet waren. Mehr ein historisch-kuriositätenmäßiges Interesse, ja zum Teil ein schon aufs Legendenhaft-Antiquarische gerichteter Trieb mußte ihn befallen haben; waren da doch Rolands Schild und Kaiser Karls Handaxt zu sehen; auf altrotem Sammetkissen lag die Lanze des Hauptmanns Longinus von Golgatha; da fand sich Kaiser Sun Tiang Sengs Zauberdolch, mit dem er zuerst jenen Graben hatte anreißen lassen, den hernach kein Westmongole mehr zu überschreiten wagte, so daß spätere Kaiser nur zu ihrem eigenen Ruhm und Gedächtnis noch die große chinesische Mauer darüberbauen ließen, deren es angesichts jener magischen Grenzlinie gar nicht mehr bedurft hätte... Da funkelte grauenvoll Abu Bekrs Damaszenerstahl, mit dem er eigenhändig die siebenhundert Juden von Kuraiza enthauptet hatte, ohne auch nur die Länge eines Atemzugs in seinem blutigen Werk zu rasten. Und so ins Endlose fort wies die Fürstin mir die Waffen der größten Helden dreier Kontinente, oder Stücke, an denen Blut und Grausen der ausschweifendsten Legenden klebten.
Wiederum begann ich rasch zu ermüden; ich fühlte mich wie gewürgt von dem gespenstischen Einfluß, der von diesen stummen und doch so beredten Dingen ausging. Lipotin schien es zu bemerken; er wandte sich zur Fürstin und scherzte: "Wollen Gnädigste nun nicht nach dem Paraderitt durch so viele Wunderdinge Ihren geduldigen Gast auch noch mit dem geheimen Kummer und dem unauslöschlichen Schmerzenspunkt Ihrer herrlichen Sammlung vertraut machen? – Ich glaube, wir beide hättens um Sie verdient, Fürstin!" Ich verstand nicht, was Lipotin meinte, und noch weniger, was daraufhin noch Eiliges zwischen ihm und der Fürstin in russischer Sprache halblaut hin und her gezischt und geknurrt wurde. Gleich darauf wandte sich die Dame lächelnd zu mir:
"Verzeihen Sie! Lipotin bedrängt mich wegen der Lanze... der Lanze, in deren Besitz ich Sie vermute – damals, wie Sie wissen!... Ich bin Ihnen endlich Aufklärung schuldig, nicht wahr? Natürlich, ich begreife wohl, daß es so ist. Ich hoffe, wenn ich Sie, wie Lipotin sagt, mit dem... dem Kummer der Chotokalungins vertraut mache, daß Sie vielleicht... vielleicht doch noch..." Das widerwärtige Gefühl saß mir plötzlich wieder in der Kehle, die Mystifikation mit der rätselhaften Lanzenspitze solle wiederum beginnen und mit ihr könnten die zweideutigen Vorkommnisse dieses Nachmittags von neuem aufleben. Ich nahm mich jedoch zusammen und sagte so kurz und trocken wie möglich, daß ich gern bereit sei, mich aufklären zu lassen. Die Fürstin führte mich an eine der hohen Glasvitrinen und wies auf ein leeres, sammetbezogenes Etui von einer Größe, die ausreichen mochte, etwa einen Dolch von fünfunddreißig Zentimeter Länge aufzunehmen. Sie gurrte: "Sie haben bereits bemerkt, daß jedem meiner Sammlungsobjekte ein Zettel in russischer Sprache beigefügt ist, – von meinem Vater sorgfältig verfaßt, der Herkunft und Schicksal des betreffenden Gegenstandes behandelt. Da Sie nicht Russisch verstehen, so genügt zu sagen: die Zettel enthalten die sogenannte Legende der einzelnen Stücke. Waffen haben oft viel interessantere Erlebnisse als die interessantesten Menschen. Vor allem leben sie länger, und schon deshalb sind sie reicher an Geschehenem. Meinen Vater haben vor allem diese Schicksale und das Wissen um sie in Bann geschlagen, und ich muß bekennen: diese... diese brennende Anteilnahme an der Legende dieser Dinge – wenn man sie schon 'Dinge' nennen will – habe ich von ihm geerbt. Sie bemerken hier einen leeren Platz. Das Stück, das ihn ausfüllen sollte, ist..."
"Ah!" – ich erschrak fast, daß ich so plötzlich erriet – "es ist Ihnen gestohlen worden." "N–nein" – die Fürstin zögerte – "n–nein, mir nicht. Auch nicht gestohlen, um es wörtlich zu nehmen. Sagen wir: abhanden gekommen auf eine unaufgeklärte Weise. Ich rede nicht gern davon. Kurz: das Stück war für meinen Vater das wertvollste von allen und das unersetzlichste. Auch für mich ist es das immer noch. Es fehlt in der Sammlung, seit ich denken kann; der leere Plüsch hat schon meine frühesten Mädchenträume beschäftigt. Mein Vater hat mir, trotz meiner stürmischsten Bitten, niemals verraten, auf welche Weise diese Lanzenspitze abhanden kam. Er wurde mir jedesmal auf Tage hinaus traurig und verstimmt, wenn ich ihn danach fragte" –
die Fürstin brach jäh ab und murmelte, halb geistesabwesend, auf russisch etwas vor sich hin, aus dem ich das Wort "Isaïs" herauszuhören glaubte, und fuhr dann laut fort: "Ein einziges Mal, es war kurz vor unserer Flucht aus der Krim und wenige Wochen vor seinem Tode, da sagte er eines Tages zu mir: es wird deine Aufgabe sein, mein Kind, das verlorene Kleinod wiederzubeschaffen, wenn nicht alle meine Bemühungen hier auf Erden umsonst gewesen sein sollen; ich habe dafür geopfert, mehr als einem sterblichen Menschen hätte zugemutet werden dürfen. Du, mein Kind, bist diesem Dolch mit der Lanzenspitze vermählt, und du wirst deine Hochzeit damit machen!"
Sie können sich denken, mein Herr, welchen Eindruck diese Worte meines Vaters auf mich gemacht haben. Lipotin, der alte Vertraute des Fürsten, wird Ihnen bestätigen, daß der Hinweis des Sterbenden auf gewisse Bemühungen, denen er sich ein Leben lang unterzogen hat, um wieder in den Besitz der hier fehlenden Waffe zu gelangen, tief erschüttert war."
Lipotin nickte mehrmals bestätigend wie eine Pagode mit dem Kopf. Es schien mir, als sei ihm die Erinnerung keineswegs angenehm.
Inzwischen hatte die Fürstin ein winziges, blaustählernes Schlüsselbund hervorgeholt und öffnete damit den Glasschrein. Sie hob die auf altes, schon stark vergilbtes und versportes Papier gedruckte Legende heraus und begann mir vorzulesen: "Sammlungsnummer 793 b: Speerspitze aus nicht genau zu bestimmender Metallegierung (Manganerze mit Meteoreisen und Goldbeimischung?). In späterer Zeit zur Klinge eines Dolches verarbeitet in nicht ganz entsprechender Weise und umgearbeitet. Dolchheft: spätkarolingische, vermutlich aber spanisch-maurische Arbeit, nicht nach Mitte des 10. Jahrhunderts. Reich besetzt mit orientalischen Alexandriten, Kalaiten, Beryllen und drei persischen Saphiren. Erworben von Piotr Chotokalungin – nämlich meinem Großvater – als Geschenk Kaiserin Katharinas. Aus einer Sammlung westeuropäischer Seltenheiten stammend, die Seine Majestät Zar Iwan der Schreckliche angeblich aus dem Raritätenkabinett des damaligen Königs von England erhalten hat. – Der Dolch befand sich darin, wie es heißt, schon zu Zeiten der großen Elisabeth, Königin von England. Folgendes ist davon überliefert:
Dieses köstliche Erz zierte vor Zeiten den unbesieglichen Speer des alten Helden und Fürsten von Wales: Hoël, – 'Dhat' genannt, was soviel heißt wie: 'Der Gute'. – Es soll aber besagter Hoël Dhat diese Waffe auf ganz besondere Weise erlangt haben, nämlich mit Hilfe und Zauber der Weiß-Alben, die die Diener einer unsichtbaren, die Geschicke der Menschheit leitenden Brüderschaft, genannt 'Die Gärtner', sind. Diesen Weiß-Alben, die in Wales als mächtiges Geistervolk gelten, soll einst der Fürst Hoël Dhat eine großen Dienst erwiesen haben, weshalb ihn der König der Weiß-Alben unterwies, wie er aus einem sonders erfundenen Stein, so zuerst zu Mehl zerrieben wurde, unter Beimengung eigenen Blutes solle eine Lanze formen mit Aufsagung geheimer Segensworte und Weihungen, daraus die neue Waffe alsbald mit der Farbe des Blutsteins erstarrte und nun härter als jegliches Erz, ja selbst als der härteste Diamant, seinen Besitzer unbesieglich und gefeit auf alle Zeiten und würdig zum höchsten Königtum machte. Und nicht nur das, sondern auch unüberwindlich gegen den saugenden Tod, so vom Weibe kommt.
Die Kunde davon ist in der Familie der Hoël Dhats durch viele Jahrhunderte lebendig geblieben, der Speer sorgsam bewahrt, die Hoffnung genährt und der stolze Emporstieg der Roderichenkel immer neu bestätigt worden. Einer von den Dhats – oder Dees, wie sie später genannt waren – hat aber den köstlichen Dolch verloren auf schmähliche Art, des Segens der Weiß-Alben uneingedenk und auf bösem Pfade beflissen, die Krone des irdischen England auf teuflischem Buhlbett zu erlisten; und ist ihm dabei mit dem Dolch auch die Kraft und das Erbe und der Segen des Blutes abhanden gekommen und ein Fluch auf den Speer gefallen, davon ihn kaum noch der Letzte aus dem verlorenen Geschlechte der Hoël Dhats freimachen und den Dolch zurückbringen wird in die Gewalt der alten Hoffnung. Denn ehe nicht Hoël Dhats Speer von dem Blut reingespült ist, das Hoël Dhats Speer von dem Blut reingespült ist, das Hoël Dhats Speer einst befleckte, ist keine Hoffnung auf Hoël Dhats Erlösung aus der Kette, die im schwarzen Untergang endet." Hier unterbrach Lipotin die Fürstin und sagte schnell, zu mir gewendet: "Außerdem lautet eine Sage, daß, wenn ein Russe in den Besitz der Lanzenspitze käme, Rußland einst der Herr der Welt würde; käme ein Engländer in den Besitz, so würde England das russische Reich überwinden. Doch das greift in Politik ein, und wer von uns" – schloß er mit anscheinend gleichgültiger Miene – "interessiert sich für so entlegene Themen!"
Die Fürstin hatte offenbar seine Worte überhört; sie legte die verblichene Legende wieder an ihren Platz zurück. Sie hob einen müden, geistesabwesenden Blick zu mir auf, und es war mir, als knirschten ihre Zähne leise gegeneinander, ehe sie fortfuhr:
"Nun, mein Freund, werden Sie vielleicht begreifen, wie sehr ich jeder Spur nachjage, die mir verspricht, den Speer des Hoël Dhat, wie ihn die Märchenurkunde meiner Ahnen nennt, wieder zurückzugewinnen, denn was ist für den Enthusiasmus eines Sammlers aufreizender, spannender und befriedigender, als eine Sache in seiner wohlbehüteten Vitrine für immer eingesperrt zu halten, die für einen andern da draußen in der Welt alles Glück, Leben und ewige Seligkeit bedeuten würde, wenn er erlangen könnte, was – – ich in Obhut genommen habe und – besitze!"
Im ersten Augenblick war ich kaum imstande, den wild mit Sturm und Gegensturm in mir sich bekämpfenden Widerstreit der Gedanken und Gefühle vor den beiden Anwesenden zu verbergen; und daß dies unter allen Umständen das nächst Nötige war, begriff ich auf der Stelle. Mir zerrissen, so schien es mir, alle Schleier, die sich noch vor das Schicksalsgeheimnis meines Ahnen, John Dee, meines Vetters Roger und vor mein eigenes zu ziehen suchten. Eine wilde Freude und Ungeduld, ein zielloses, darum gefährliches und schwatzhaftes Heraussprudeln aller meiner Gedanken, Mutmaßungen und Absichten drängte sich mir auf die Zunge, und nur mit Mühe konnte ich die Miene des höflich interessierten Gastes bewahren, der Gefallen heuchelt an verblaßten Märchen früherer abergläubischer Jahrhunderte. Zugleich erschreckte mich aber auch der geradezu satanisch höhnende Ausdruck im Gesichte der Fürstin, wie sie von den sadistischen Genüssen der Sammlerin sprach, die ihre höchste Wohllust darin zu finden vorgab, ein Ding in Unfruchtbarkeit und Hoffnungslosigkeit zu verschließen, das irgendwo sonst in der Welt Schicksale entscheiden, Leben retten, Seelen erlösen könnte, wenn es seiner Bestimmung gehorchen dürfte; ja noch abscheulicher: daß erst das Wissen um solche Möglichkeiten der Sammlerfreude die rechte Würze geben solle und daß recht eigentlich das Kastrieren von zeugenden Schicksalsmächten, das Fruchtabtreiben von zukunftsschwangeren Lebensverheißungen, das für immer Sterilmachen des magisch noch fruchtbar, dämonisch Fortzeugenden die Lust und die Wonne einer Sammlergesinnung ist, wie sie soeben die Fürstin zynisch als die ihrige verraten hatte.
Es war, als hätte Assja Chotokalungin den begangenen Fehler selbst gefühlt. Sie brach plötzlich verstimmt ab, schloß die Vitrine und drängte mit ein paar nichtssagenden Worten zum Verlassen des Sammlungssaals. Kaum daß sie noch die halbernst hingeworfenen Worte Lipotins mit abgewandtem Gesicht entgegennahm, der ihr auf einmal zurief: "Unser verehrter Freund, was soll er nun von mir halten? Daß ich Ihnen, teure Fürstin, einmal nur so andeutungsweiseberichtete, einen gewissermaßen Erbberechtigten an den Hinterlassenschaften der höchst respektabeln Familie der Hoël Dhats, entdeckt zu haben, wird er mir nun dahin deuten, ich hätte geplant, ihn eines mutmaßlichen Familienerbstücks zu berauben, das zu ihm zurückgekehrt sein müßte nach Art des Heckgroschens im Märchen! – Ich bin aber daran völlig unschuldig, mein verehrter Gönner, obschon mich die fürstliche Familie der Chotokalungins seit nun bald vierzig Jahren mit dem ehrenvollen Auftrag bedrängt, das abhanden gekommene Erbsammelstück auf der ganzen bewohnten Erde zu suchen und wieder herbeizuschaffen, koste es, was es wolle. Ganz abgesehen davon, daß schon meine Vorfahren bereits in den Zeiten Iwans des Schrecklichen in ähnlicher Weise für die Ahnen der Frau des Hauses dienstbar gewesen sind! – – Aber alles das hat natürlich mit meiner hohen Schätzung Ihrer Person, achtbarster Gönner, nicht das geringste zu tun. Übrigens: damit ich mich nicht verplaudere, wo ich doch sehe, daß unsere gütige Wirtin ein wenig angegriffen ist durch das Zeigen der Sammlung, so möchte ich Ihnen, Fürstin, nur kurz bemerken, daß meine Nase mich alten Antiquar, was instinktives Wittern anbelangt, noch nie betrogen hat. Als ich vorhin das Etui, das einst den Dolch enthielt, wieder nach Jahren zu Gesicht bekam, da sagte mir ein so deutliches Vorgefühl, wir würden in der allernächsten Zeit die Waffe wieder aufstöbern, daß ich Ihnen beinahe ins Wort gefallen wäre" – er wandte sich an mich: – "Sie müssen nämlich wissen, Verehrtester, es ist eine Schrulle von mir, ein Aberglaube, den mein Beruf mit sich bringt, es ist eins der Geheimnisse der Vererbung durch eine kaum abzusehende Kette meiner Ahnen und Urahnen hindurch, – alle damit beschäftigt gewesen, Kuriositäten, Altertümer, Überbleibsel alter Segnungen und Flüche aufzustöbern, – die mich befähigt, wie ein Trüffelhund zu wittern, wenn etwas von mir Gesuchtes in der Nähe ist, sei es nun räumlich nahe, sei es zeitlich in die Nähe gerückt. Ob nun ich in die Nähe des gesuchten Dinges komme, oder ob die Dinge, von mir angezogen durch Wunsch, oder wie Sie es nennen wollen, mir zureisen? – Mir ists gleich: ich spüre, ich rieche, wenn sie und ich zusammentreffen werden. Und ich, teuerste Fürstin, ich – möge mich doch Mascee, der Magister des Zaren, bei lebendigem Leibe strafen! – ich – rieche den Dolch, die Lanzenspitze Ihrer Väter... Ihrer beiderseitigen Väter, meine Herrschaften, wenn ich so zu sagen mir erlauben darf... ich rieche... ich wittere in der Nähe..."
Mit diesem Geschwätz Lipotins, dessen ironische und auch, wie mir schien, ein wenig plumpe zweideutige Anspielung für mich etwas Peinliches, Beklemmendes hatte, waren mir aus dem Saal und wieder im Vorzimmer des Hauses angelangt, und dort machte es sehr den Eindruck, als wünschte die Fürstin, uns zu entlassen.
Das entsprach durchaus meinen Wünschen; ich wollte soeben mit meinen Danksagungen zugleich auch meine Absicht, zu gehen, aussprechen, da begann die Fürstin lebhafter, als nach dem unverhofft raschen Abbruch im Sammlungssaal zu erwarten gewesen war, sich zu entschuldigen wegen ihres launischen Betragens; nur sei sie selbst jetzt von unbegreiflicher Müdigkeit befallen worden und eine unpassende Schläfrigkeit strafe sie für begangene Neckerei. Sie erklärte sich ihren Zustand als Folge der dumpfen Kampferluft, die in selten gelüfteten Museen unvermeidlich ist; sie wies den naheliegenden Rat, sich zur Ruhe zurückzuziehen, jedoch fast unwillig zurück und rief: "Was ich brauche, ist frische Luft! Ich glaube, es geht Ihnen nicht viel anders als mir? Was macht Ihr Kopfweh, mein Freund? – Wenn ich nur wüßte, wohin ich Sie bitten dürfte; mein Auto steht jeden Augenblick bereit..."
Da unterbrach sie Lipotin, klatschte in die Hände und jubelte: "Warum fahren denn die Herrschaften nicht hinauf zu den Geisern, wenn Sie schon einen Lincoln haben?"
"Geiser? Was für Geiser? Hier bei uns? Leben wir denn in Island?" fragte ich verblüfft.
Lipotin lachte: "Sie haben noch nicht gehört, daß vor einigen Tagen draußen am Fuße des Gebirges plötzlich heiße Quellen aus der Erde hervorgebrochen sind? Ganz in der Nähe der Ruine Elsbethstein. – Die Bevölkerung bekreuzigt sich, denn eine alte Prophezeiung soll damit in Erfüllung gegangen sein. Wie sie lautet, weiß ich nicht. Merkwürdig jedenfalls, daß diese heißen Springbrunnen mitten im Burghof von Schloß Elsbethstein emporrauschen, wo einst die sogenannte englische Elsbeth, die Herrin der Burg, wie es heißt, vom Wasser des Lebens getrunken hat. Eine gute Vorbedeutung übrigens für die Heilbäder, die dort natürlich bald entstehen werden."
Lipotins nur so obenhin gescherzte Worte erregten in mir ein wirres Echo von halb verwischten Einfällen; ich wollte ihn fragen, was er denn von einer "englischen Elsbeth" wisse, da mir, einem Hiergeborenen, durchaus nichts bekannt sei von einer so oder ähnlich klingenden Sage, die mit Ruine Elsbethstein sich verknüpfe, – aber es ging alles viel zu schnell, und zudem spürte ich immer noch eine unverkennbare Müdigkeit und Denkträgheit, wie sie eine überstandene Ohnmacht, ich möchte beinahe sagen: "Vergiftung" mit sich zu bringen pflegt. Das rasche Hin und Her der Rede ging über mich hinweg, und erst die lebhafte Bitte der Fürstin, ob ich nicht Lust hätte, in ihrem Wagen eine Nachmittagsfahrt hinaus nach Ruine Elsbethstein mitzumachen, bei welcher Gelegenheit am besten ein dumpfer Kopf ausgelüftet würde, riß mich wieder ins Gespräch. Das einzige, was mich zögern ließ, war der Gedanke an Jane, da ich ihr meine Rückkehr zu ungefähr ebenderselben Stunde versprochen hatte. Der Gedanke an sie überfiel mich in dieser Minute überhaupt mit ganz eigentümlicher Gewalt, und jählings schien mir Zeit und Notwendigkeit gekommen, zum erstenmal offenkundig auszusprechen, was eigentlich doch das natürliche Ergebnis meiner jüngsten Erlebnisse und neu gewonnenen Überzeugungen war. Ich überlegte daher kaum, sondern sagte unvermittelt: "Diese Einladung zu einer Fahrt ins Freie, Gnädigste, kommt mir in der Tat wie gerufen, denn sie wird meinen beschämend ungehorsamen Nerven gewiß ungemein wohl tun; dennoch muß sich meine Unbescheidenheit Ihrer Nachsicht anvertrauen, Fürstin, wenn ich Sie bitte, mich entweder zu entschuldigen, oder zu dieser Fahrt auch meine... Braut mitzunehmen, die mich zu dieser Stunde erwartet." Date: 2015-09-05; view: 271; Нарушение авторских прав |