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Die erste Schau 4 page
Die Leiter ist mit armdicken Klammern in die Felswand eingeschmiedet, denn es ist kein gemauerter Raum, in den wir hinabsteigen: es ist eine steinerne Höhle, ein Krater vielleicht aus grauer Vorzeit, der sich durch strudelndes Wasser gebildet haben mag? Auf ihm steht das Haus des Doktors Hajek.
Aber die Luft ist trocken, nicht naß und dumpf wie in den Grotten. Tot und dürr ist sie wie die Wüstenluft, daß bald die Zunge mir am Gaumen klebt trotz der schrecklichen Kälte, die zunimmt Schritt vor Schritt, wie es mehr und mehr in die Tiefe geht. Von unten herauf bis zur gewölbten Mauerdecke des Abgrunds haucht ein erstickender Geruch nach trockenen Pflanzen und den fremdländischen Drogen, die der Leibarzt hier aufzubewahren pflegt, empor und ein quälender Husten befällt mich. Die Wände sind mattschwarzes, glattgemeißeltes Gestein.
Ich kann nur ahnen, wo sie sind: die lautlose Finsternis verschlingt Geräusch wie auch den spärlichen Schein unserer Kienlichter. Mir ist, als stiege ich in den grenzenlosen Raum des Weltalls selbst hinab. Wohl dreißig Fuß mag die Kellerdecke über uns liegen, da fasse ich festen Fuß. Versinke bis zum Knöchel in einer weiche, schwarzen, aschigen Bodenschicht, die aufstäubt bei jedem Schritt.
Fahl wie Schemen leuchten da und dort die Umrisse von Dingen auf: von einem breiten Tisch, von Fässern und Pflanzensäcken aus der dicken Finsternis. Ich stoße mit der Stirn gegen einen im Raum hängenden aufklirrenden Gegenstand: eine Ampel aus Steingut. Sie baumelt an einer eisernen Kette, die in undurchdringliche Nacht emporläuft. Kelley zündet die Ampel an; ihr elendes Licht erhellt unsere Gestalten kaum bis zur Hälfte.
Allmählich schimmert ein grauer brusthoher Steinwürfel vor mir auf; wir treten hinzu und sehen eine gemauerte Einfriedung, wohl eine Manneslänge im Geviert, aus deren Innerem ein Schacht wie ein Abgrund uns entgegengähnt. "Sankt Patricks Loch", muß ich denken. Doktor Hajek hat mir von diesem Schacht erzählt und von dem Geraun aus dem Volksmund, das darüber umläuft. Seine Tiefe ist nicht abzumessen; es heißt in ganz Böhmen, er führe senkrecht hinab zum Mittelpunkt der Erde in einen kreisrunden meergrünen See, in dem Gäa, die Mutter der Finsternis, hause auf einer Insel. Fackeln, hinabgelassen, erlöschten, wie sich immer und immer wieder gezeigt habe, alsbald schon in geringer Tiefe, erstickt von giftigen Gasen der Dunkelheit.
Mein Fuß stößt an einen faustgroßen Stein; ich hebe ihn auf und werfe ihn hinab in den Schlund. Wir beugen uns über die Brustwehr und lauschen. Lauschen, lauschen: nicht das mindeste Geräusch, das verriete, der Stein habe Grund erreicht. Lautlos ist er in der Tiefe verschwunden, wie in das leere Nichts aufgelöst.
Plötzlich beugt sich Jane so schnell und weit vornüber, daß ich sie am Arm fasse und zurückreiße.
"Was tust du?" schreie ich; die Luft ist so unbeschreiblich trocken, daß die Worte fast tonlos aus meiner Kehle kommen. Jane antwortet nicht. Ihr Gesicht ist verzerrt.
Dann sitze ich neben ihr an dem wurmstichigen Tisch auf einer Kiste und halte ihre Hand, die wie zu Tod und Eis erstarrt ist in der uns umfangenden gräßlichen Kälte. Kelley ist mit der seltsamen Ruhelosigkeit, die als Vorzeichen die unsichtbare Nähe des Engels verkündet, auf einen Stapel von Säcken hinaufgeklettert und sitzt dort hoch oben mit gekreuzten Beinen, das Kinn vorgestreckt mit dem spitzigen Bart, den Kopf ins Genick gedrückt und die Augäpfel nach innen gedreht, daß nur noch das Weiße darin glitzert wie milchiges Glas. Er sitzt so hoch, daß der Schein der brennenden Ampel, deren Flamme unbeweglich steht, als sei sie gespenstisch eingefroren, von unten her seine Züge matt erhellt und den Schatten seiner Nase nach aufwärts fallen macht auf seine Stirn wie ein verkehrtes schwarzes Dreieck oder ein kantiges Loch tief hinein in seinen Schädel.
Ich warte, daß seine Atemzüge länger werden, um die Beschwörung des Engels vorzunehmen, wie ich das kenne seit den Tagen von Mortlake her.
Meine Augen sind gebannt in die Finsternis vor mir gerichtet; ein inneres Gefühl raunt mir zu, von der Stelle her, wo die Brustwehr des Schachtes steht, müsse mir eine Erscheinung kommen. Ich warte auf einen grünen Lichtschimmer, aber es ist, als würde die Dunkelheit dort nur noch tiefer und dichter. Und dichter und tiefer wird sie, da ist längst kein Zweifel mehr.
Sie ballt sich zusammen zu einem Klumpen von unbegreiflicher, unfaßbarer, unvorstellbarer Schwärze, daß äußerste Blindheit des Auges dagegen Helle zu nennen wäre. Die Finsternis, die im Raume liegt, erscheint mir plötzlich dagegen wie grau. Und der schwarze Klumpen nimmt die Umrisse einer weiblichen Gestalt an, die gleich darauf als wabernder Rauch über dem Abgrund des Schachtes schwebt und bebt.
Ich kann nicht sagen: ich sehe sie; mit dem leiblichen Auge sehe ich sie nicht: ich sehe sie mit einem inneren Organ, dem der Name "Auge" nicht zukommt. Immer deutlicher und schärfer nehme ich sie wahr, trotzdem nicht der kleinste Schein der Ampel auf sie fällt: ich sehe sie schärfer, als ich je etwas Irdisches gesehen habe. Es ist eine weibliche Gestalt, obszön und doch von einer wilden, sinnesverwirrenden, fremdartigen Schönheit; ihr Kopf ist der einer riesigen Katze: ein Kunstwerk – kein lebendes Wesen – ein Götzenbild ägyptischen Ursprungs wohl, will mich befallen, denn das Hirn schreit mir zu: das ist die schwarze Isaïs des Bartlett Green; aber das grauenhafte Gefühl gleitet machtlos an mir ab, so furchtbar im Bann hält mich der Anblick des verzehrend schönen Bildes. Mir wird, als müsse ich aufspringen hin zu ihr, der Dämonin, um mich – kopfüber hinabzustürzen in den bodenlosen Abgrundtrichter zu ihren Füßen, sinnesverwirrt vor... vor...
ich habe keinen Namen für den wilden Selbstvernichtungstrieb, der nach mir krallt. Da schimmert ein fahlgrüner Schein auf irgendwo im Raum; ich kann die Quelle des Lichtes nicht finden: der matte Glanz ist überall um uns her. – –
Die Gestalt der Katzengöttin ist verschwunden. Die Atemzüge Kelleys sind langsam, ruhevoll und laut geworden. Der Augenblick ist gekommen, daß ich die Beschwörungsformel sagen muß, wie sie mir mitgeteilt worden von den Geistern vor vielen Jahren schon, – Worte einer mir unbekannten barbarischen Sprache sinds, aber ich weiß sie auswendig wie das Vaterunser; sie sind mir lange, lange in Fleisch und Blut übergegangen. O Gott, wie lange schon! Ich will sie laut hersagen, aber eine unsagbare Angst befällt mich. Geht dieses Angstgefühl von Jane aus? Ihre Hand zittert – nein, sie bebt! Ich raffe mich auf: es muß sein! Hat nicht Kelley heute morgen gesagt, jetzt in der Nacht um die zweite Stunde werde der Engel uns einen großen Befehl geben und... und das letzte, so namenlos heiß ersehnte, seit so vielen Jahren mit brennendem Herzen erflehte Geheimnis enthüllen?! – Ich öffne den Mund und will das erste Wort der Zitation hervorstoßen, da sehe ich die Gestalt des Rabbi Löw wie in weiter Ferne ragen, die Hand erhoben und darin das Opfermesser.
Und gleich darauf taucht wiederum über dem Schacht für weniger als einen Augenblick die schwarze Göttin auf; in ihrer linken Hand hält sie einen kleinen ägyptischen Frauenspiegel und in der rechten ein Ding wie aus Onyx, das aussieht, als sei es eine Speerklinge oder die Spitze einer Lanze oder ein aufwärts gerichteter Dolch. Gleich darauf sind beide Gestalten verschlungen von einem grellen grünen Glanz, der von Kelley herstrahlt und auf mich herabfällt. Geblendet schließe ich die Augen. Mir ist, als schlösse ich sie für immer, um nie mehr das Licht dieser Erde zu schauen, aber es ist nicht Todesangst, es ist das Empfinden, gestorben zu sein; und ruhigen, erstorbenen Herzens sage ich laut die Beschwörungsformel. Als ich aufblicke, ist... Kelley verschwunden! Wohl sitzt noch jemand dort oben auf dem Säckestapel, und die gekreuzten Beine sind die Kelleys – ich erkenne sie deutlich in dem grünen Licht an den plumpen Schuhen des Landstreichers, – aber der Leib, die Brust und das Gesicht sind verwandelt. Verwandelt auf rätselhafte, unbegreifliche Weise: der Engel, der Grüne Engel ists, der da oben kauert mit gekreuzten Beinen, wie... wie... die alten Mendäer Persiens den sitzenden Teufel abbilden. Viel kleiner ist der Engel, als ich ihn jemals gesehen habe, aber seine Züge, die drohenden, furchtbar erhabenen Züge sind es, die mir so wohl bekannten. – Der Körper wird strahlend und durchscheinend gleich einem ungeheuren Smaragd, und die schrägstehenden Augen leuchten wie lebendige Mondsteine; die schmalen feinen Mundwinkel sind hochgezogen in starrem, schönem, rätselvollem Lächeln.
Die Hand in der meinen ist leichenhaft still geworden. Ist Jane tot? – Sie wird so tot sein, wie ich es bin, sagt mir ein Gedanke. Sie wartet wie ich, das weiß ich, das fühle ich: auf einen furchtbaren Befehl.
Wie wird dieser Befehl sein? – frage ich mich. Nein: ich frage mich nicht, denn in mir ist ein Wissen, wie er lauten wird, aber ein "Wissen", das nicht bis empor dringt in mein erkennbares Gehirn. – – – Ich... lächle. Da kommen aus dem Munde des Grünen Engels Worte... Höre ich sie? Verstehe ich sie?... Es muß wohl so sein, denn das Blut steht still in mir: das Opfermesser, das ich bei dem Rabbi Löw gesehen habe, wühlt in meiner Brust, in meinen Eingeweiden, in meinem Herzen, in meinen Knochen, zerreißt mir Sehnen, Haut und Hirn. Eine Stimme zählt dabei wie ein Marterknecht laut und langsam, grauenvoll langsam, in meine Ohr von eins bis zweiundsiebzig. – – –
Hab ich jahrhundertelang in namenlos peinvoller Totenstarre gelegen? Bin ich dann erst aufgewacht, um die entsetzlichen Worte des Engels zu hören? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: ich halte die eiskalte Frauenhand in er meinen und bete wortlos, Jane möchte gestorben sein! – In mir brennen wie Feuer die Worte des Grünen Engels fort: "Da ihr Gehorsam geschworen habt, so will ich euch endlich das Geheimnis aller Geheimnisse offenbaren, doch müßt ihr zuvor das letzte Menschentum von euch streifen, damit ihr werdet, wie die Götter sind. Dir, John Dee, getreuer Knecht, befehle ich: du sollst dein Weib Jane meinem Diener, Edward Kelley, ins Brautbett legen, damit auch er ihrer teilhaftig werde und sich ihrer erfreue als irdischer Mann eines irdischen Weibes, denn ihr seid Blutsbrüder und zusammengeschmiedet, wie auch Jane, dein Weib, zu einem Dreibund, der ewiglich bestehe im Reiche der Grünen Welt! Freu dich, John Dee, und jauchze!" – – – Wieder und wiederum wühlt ohne Unterlaß in meiner Seele und in meinem Leibe das furchtbare Opfermesser, und ich brülle in mich hinein das Gebet, den verzweifelten Schrei nach Erlösung von Leben und Bewußtsein.
Von zuckenden Schmerzen geweckt, fahre ich empor: ich sitze verkrümmt in meinem Schreibtischstuhl, vor mir in erstorbenen Fingern immer noch krampfhaft den Kohlekristall John Dees haltend. Zerschnitten hat auch mich das Opfermesser! Zerschnitten in zweiundsiebzig Teile! – Und die Schmerzen, die unsinnigen Schmerzen werfen ihre Wellen, messerscharfen Lichtbändern gleich, durch unendliche Räume, unendliche Zeiten, treffen auch mich, gehen durch mich hindurch... Lichtjahre lang, von Sternenferne zu Sternenferne, so will es mir scheinen. – – –
Weiß der Kuckuck, ob die Schmerzen in meinen Gliedern von der unbequemen Haltung kamen, in der ich mich beim Erwachen aus dem magischen Halbschlaf vorfand, oder ob Lipotins verdammtes Räuchergift schuld war, das ich eingeatmet hatte: einerlei, mir war recht elend zumute, als ich mich taumelnd aus meinem Sessel erhob. Allzu lebhaft klang auch das seltsame Begebnis nach, das ich in meiner Versunkenheit – oder wie ich dies Hineingehen in den merkwürdigen Kohlekristall, dies Betreten der Vergangenheit durch das schwarzglänzende Tor des " Lapis praecipuus manifestationis " nennen soll – halb wie ein Zuschauer, halb aber auch wie der Täter aller jener Handlungen durchgemacht hatte. – –
Ich brauche Zeit, um mich in die Gegenwart zurückzufinden. Die schneidenden Schmerzen glühen noch immer durch mein Fleisch. Es bleibt mir gar kein Zweifel: das, was ich da im "Traum" (lächerliches Wort!) – was ich da in magischer Rückschau erlebt habe, das ist von mir erlebt worden damals, als ich... John Dee war mit Haut und Knochen und mit Seele und Wissen meiner selbst. –
Ich mag mich jetzt nicht mehr aufhalten mit Grübeleien, obschon sie mich unaufhörlich, selbst bis in den Schlaf hinein, überfallen. – Es genüge für heute, daß ich mir notiere, was ich für die wichtigste Einsicht dieser Stunde halte:
Wer wir sind, wir Menschen, wissen wir nicht. Wir sind uns nur selber gegenwärtig und Gegenstand unserer Erfahrung in der gewissen "Verpackung", die uns aus einem Spiegel entgegenschaut und die wir unsere Person zu nennen belieben. Oh, wie beruhigt sind wir, wenn wir nur das Paket kennen mit der Aufschrift darauf: Absender: die Eltern; Empfänger: das Grab; Paketsendung aus "Unbekannt" nach "Unbekannt", mit verschiedenem Postvermerk, als "Wertsendung" deklariert, oder als... "Muster ohne Wert", je nachdem – je nach der Meinung unserer Eitelkeit. Kurz: was wissen wir Pakete von dem Inhalt der Sendung? Mir scheint, als transfiguriere sich der Inhalt nach dem Belieben der Kraftquelle, von der seine fluide Substanz ausgeht. – Ganz andere Wesen sind das, die durch uns hindurchscheinen!... Die Fürstin Chotokalungin zum Beispiel?! – O gewiß ist sie das nicht, was ich den letzten Taten manchmal in der tollen Überreiztheit meines Gehirns von ihr gedacht habe; ganz gewiß ist sie... kein Gespenst! Ganz gewiß ist sie eine Frau von Fleisch und Blut; wie ich ein Mann bin von Fleisch und Blut und ein Kind meiner Eltern, wie nur einer unter den Lebenden. – – – Aber die schwarze Isaïs sendet ihre Strahlen aus dem jenseitigen Kosmos durch diese Mittlerin und verwandelt sie in das, was sie von Anbeginn ihres Wesens an war. Ein jeder Sterbliche hat seinen Gott und seinen Dämon: und in ihm leben und weben und sind wir, nach dem Worte des Apostels, von Ewigkeit zu Ewigkeit. – – In mir lebendig ist: John Dee; was verschlägts, wer John Dee ist? Wer bin ich? – Es ist da Einer, der den Baphomet gesehen hat und das doppelte Gesicht erwerben soll, oder zugrunde gehen! Jane fiel mir plötzlich ein – – das heißt: Johanna Fromm. – Daß das Spiel des Schicksals sich bis auf Namen erstreckt! – – Aber auch dies geschieht nur nach dem Gesetz; sind unsere Namen doch eingetragen in das Buch des Lebens!
Ich fand Jane – so will ich sie hinfort nennen, statt Johanna – nicht mehr schlafend. Sie saß aufrecht in ihrem Bett und lächelte sonderbar vor sich hin, derart in sich versunken, daß sie mein Eintreten gar nicht wahrnahm. Schön saß sie in ihren Kissen; mir hob sich das Herz; und um so wunderbarer mischte sich in mir gegenwärtige Zuneigung und uralt herüberwehende Melodie zweiter verschlungener Tonreihen, als ich fast mit Schrecken erkannte, wie ähnlich die gegenwärtige Johanna Fromm der soeben in Prag – – in dem Prag Kaiser Rudolfs – verlassenen Jane ist!
Ich saß dann bei ihr auf der Kante ihres Bettes und küßte sie. Mir kam gar kein anderer Gedanke zu Sinn, als daß ich alter Junggeselle, der ich doch bin, der selbstverständliche, durch untrennbar alte Bande der schicksalsgeheiligten Ehe mit meiner Frau verbundene Gatte Johannas sei. Auch Jane nahm meine Gegenwart hin mit der Vertraulichkeit des in sicherer Gewohnheit ruhenden Weibes. Und dennoch nicht so, wie ich wollte. Sie wehrte mit sanfter Hand meiner näher zudringenden Zärtlichkeit. Ihr Gesicht blieb freundlich, aber zugleich entfernte ein sonderbarer Ernst ihr Gefühl spürbar immer mehr dem meinen. Ich bestürmte sie mit Fragen, ich suchte vorsichtiger und immer behutsamer den Weg zu ihrer Seele, zu den Quellkammern ihrer Leidenschaft. – – Umsonst. "Jane", rief ich, "auch ich bin betäubt von dem Wunder dieses... dieses Wiederfindens" – ein Schauer lief mir leise über den Rücken – "aber nun öffne dich endlich der lebendigen Gegenwart! Nimm mich, wie du mich zu finden bestimmt warst! Laß uns leben! Vergessen! – Und uns... erinnern!"
"Ich erinnere mich!" – ihre Lippen lächelten leise.
"So vergiß!" "Auch dies, Liebster. – Ich... vergesse – – –" Eine würgende Angst quoll mir in der Kehle, als entrinne mir eine sterbende Seele:
"Johanna! – Jane!! – Welche Wege der Vorsehung, die uns wieder vereinigen!" Sie schüttelte langsam den Kopf. "Nicht Wege der Vereinigung. – Wege des Opfers, Liebster!" Kalt prickelte mir die Kopfhaut. War Janes Seele mit auf der Reise meines Geistes in die Vergangenheit gewesen? Ich stammelte: "Das ist der Betrug des Grünen Engels!" "Oh, nein, Liebster, das ist die Weisheit des hohen Rabbi Löw." – Und dabei lächelte sie mir so tief und nah in die Augen, daß mir Tränen, Ströme von Tränen den Blick verdunkelten. Ich weiß nicht, wie lange ich an ihrer still atmendem Brust lag und mich ausweinte und meine zum Reißen gespannten Nerven an ihrer tiefen Ruhe erquickte wie ein Kind an der Brust der Mutter... Endlich verstand ich ihr flüsterndes Zureden, indessen ihre Hand unablässig über mein Haupt strich: "Es ist nicht leicht, sich auszurotten, Liebster! Wurzeln bluten; es tut weh. Es ist aber doch nur das Vergängliche. Drüben ist alles anders. Ich glaube es wenigstens, Liebster. Ich habe dich zu sehr geliebt... einmal;... es ist ja so unwesentlich, wann;... die Liebe weiß ja auch nichts von der Zeit. Auch sie ist Bestimmung, nicht wahr? – Nun ja, ich habe dich verraten... ich habe dich damals verraten, o Gott..." – ihren Körper erschütterte ein kurzer, fürchterlich in gebändigtem Schmerz aufzuckender Krampf, aber sie fuhr mit unbegreiflich tapferer Beherrschung fort:
"... es war wohl meine Bestimmung. Denn mein Wille, Liebster, mein Wille war es nicht. Es war, wie wir Jetzigen sagen können: es war wie die Weichenzunge an der Schiene. Ein so unansehnliches Ding, und doch treibt es mit seiner unscheinbaren Existenz und Macht den Schnellzug aus einer Richtung und entführt ihn unaufhaltsam, unabwendbar in die abgegabelte Ferne, dort hinaus, wo kein Rückweg mehr ist in die Heimat. – Siehe, Liebster: damals war mein Verrat an dir die Weichenzunge. Dein rasender Schicksalsflug ging rechts – der meine links; was soll die einmal abgezweigten Bahnen wieder vereinen? – Dein Weg führt zur – 'Anderen'. Mein Weg führt..."
"Zur 'Anderen' führt mein Weg?" – ich raste auf; ich lachte; ich entrüstete mich; jetzt war ich Sieger! – "Johanna, wie kannst du das von mir glauben! Eifersüchtige, kleine Jane! Und du glaubst, die Fürstin könnte dir gefährlich werden?!"
Johanna fuhr jäh aus den Kissen und starrte mich verständnislos an. "Fürstin? Welche Fürstin meinst du? – Ach so, die Russin! Ich habe vergessen gehabt, daß sie... daß sie noch lebt." – Dann wurde ihr Blick nachdenklich, fast entzückt, und sie sagte plötzlich laut vor sich hin:
"Um Gottes willen, an sie habe ich noch nicht gedacht!" – und sie klammerte sich mit solcher Heftigkeit des Entsetzens an meine beiden Arme, daß ich in dem Schraubstock ihrer Angst erschrocken keiner Bewegung fähig war. Ich verstand nicht, was sie meinte und wovor sie sich fürchtete. Ich sah fragend in ihr Gesicht. "Warum diese Furcht, Johanna, liebe kleine Törin...?" "Auch das ist also noch zu bestehen!" flüsterte sie vor sich hin – "oh, ich weiß jetzt, was geschehen muß!"
"Weniger als gar nichts weißt du!" rief ich und fühlte scheu, daß ich ins Leere hinaus lachte. Sie sagte:
"Liebster, dein Weg zur Königin ist noch nicht frei. Ich... werde ihn dir frei machen!"
Ein ungewisser Schreck – ich hätte nicht sagen können, wovor – ging durch mich hindurch wie ein minutenlang flammender Blitz. Ich wollte reden; ich konnte nicht. Still sah ich auf Jane. Sie lächelte traurig auf mich nieder. Ich glaubte sie mit einemmal dunkel zu verstehen und war wie gelähmt. Ich habe Jane allein gelassen. Es war ihr Wunsch gewesen.
Nun sitze ich wieder an meinem Schreibtisch und suche mir Rechenschaft zu geben, indem ich meine Aufzeichnungen fortsetze: War das Eifersucht? Weibliches Spiel der Vorsicht gegenüber gefühlter, eingebildeter Gefahr?
Ich könnte mir einreden: Janes ausgesprochener Wille, auf mich zugunsten eines Phantoms, einer romantischen Einbildung zu verzichten, sei ein Wille mit heimlichem Vorbehalt. Denn wo ist diese "Andere", diese Königin?! Wer holt mir dir Vision des Baphomet herüber aus der Welt der Träume in die Gegenwart dieses gesegneten Jahres? Mag alles das eine Mission sein, ein geistiges Ziel, ein Symbol der Lebensvertiefung, das ich heute noch nicht ganz zu verstehen vermag, – gleichviel, und wie ich es auch ehre, was hat es zu tun mit der schönen Gegenwart einer geliebten Frau?! Denn ich liebe, liebe Jane, das ist nun entschieden; sie ist der reine gute Gewinn aus dem seltsamen Spiel des Schicksals, das mir die Erbschaft Vetter Rogers ins Haus geworfen hat wie Strandgut aus einem Schiffbruch.
Jane wird mich den Weg zur "Königin" entweder vergessen machen, oder sie wird mir diesen Weg ins Jenseits ebnen mit ihrer Güte und ihren seltsamen seelischen Fähigkeiten. – – – So bliebe also nur noch die Fürstin Chotokalungin? Wenn ich so spöttle, prüfe, Mannesüberlegenheit spüre, so taucht Johannas Gesicht immer wieder störend und ernst vor mir auf: dies geschlossene Gesicht, das ein Ziel zu sehen scheint, ein Ziel, das ich nicht einmal ahnen kann. Mir ist, als habe diese Frau einen bestimmten festen Plan, als wisse sie etwas, was ich nicht weiß... als sei sie die Mutter und ich nicht viel mehr als... als ihr Kind. – –
Ich hätte vieles nachzutragen. Ich muß es zusammendrängen, denn die Zeit am Schreibtisch gilt mir fast wie verloren in diesen Wirbeln des Lebens...
Vorgestern unterbrach mich der Kuß Janes in meiner Schreiberei – ein Kuß der auf einmal unhörbar hinter mich getretenen, liebsten Frau. Sie plauderte wie eine wohlberatene, umsichtig nach langer Abwesenheit die Herrschaft des Hauses wieder an sich nehmende verständige Gattin. Ich neckte sie darum ein wenig, und sie lachte harmlos und vertraulich. Meine Arme zuckten beständig nach ihr und ihrer mütterlichen Liebkosung. Plötzlich, zusammenhanglos, befestigte sich ihr klares Gesicht wieder zu dem seltsamen Ernst, den ich an ihr vorhin nach ihrem Erwachen wahrgenommen hatte, und sie sagte ruhig:
"Liebster, es ist nötig, daß du die Fürstin aufsuchst." "Was ist das, Jane?" rief ich erstaunt. "Du schickst mich zu dieser Frau?"
"Auf die ich doch so eifersüchtig bin, Liebster, nicht wahr?!" – Über dem Lächeln ihres Mundes stand ein grübelnder Ernst. Ich begriff nicht. Ich weigerte mich, einen solchen Besuch zu machen. Wozu auch? Wem zuliebe? Jane – ich nenne sie nur noch "Jane", und es ist jedesmal ein tiefes Atemholen dabei, wie ein Kraftsaugen aus kühlen Brunnen der Vergangenheit –, Jane gab nicht nach. Sie häufte Gründe auf Gründe und Einfälle auf Einfälle, unsinnige Einfälle: ich sei der Fürstin Genugtuung schuldig; aber auch ihr, Jane, sei daran gelegen, daß meine Beziehungen zu der Fürstin aufrechterhalten würden, und zwar mehr, als sie sagen könne. Schließlich zieh sie mich sogar der Feigheit. Was bei mir den Ausschlag gab. Feigheit? Nur das nicht! Ist schon eine alte Rechnung John Dees zu begleichen oder meines Vetters Roger, so soll sie bezahlt werden auf Heller und Pfennig. Ich sprang auf und sagte es Jane. Da... glitt sie zu meinen Füßen nieder, rang stumm die Hände und... weinte.
Als ich auf dem Wege zur Fürstin Chotokalungin war, dachte ich darüber nach, wie sonderbar sich Jane immer wieder zu verwandeln pflegt. Wenn sie, von Dingen unserer Vergangenheit berührt, sich als Jane Fromont, John Dees einstige Gattin, fühlt, verändert sich ihr ganzes Wesen ins Unterwürfige, ins Dienende und ein wenig Larmoyante; spricht hingegen die Frau Johanna Fromm aus ihr, so geht eine unerklärliche Kraft von ihr aus, eine Bestimmtheit und eine mütterliche Festigkeit und Güte, die mich bezwingt. Unter solchen Gedanken war ich, ehe ichs mich versah, bei der einsam gelegenen Villa draußen an den ersten Hängen des Gebirges angelangt, die von der Fürstin Chotokalungin bewohnt wird. Eine leichte Beklemmung befiel mich, als ich die elektrische Klingel berührte, obschon ein rascher Blick auf Vorgarten und Haus mich darüber beruhigen mußte, daß mich hier schwerlich etwas Unerwartetes überraschen würde. Das Haus war eines der gewöhnlichsten seiner Art, vor etwa dreißig Jahren gebaut und sicherlich durch viele Spekulantenhände gegangen. Die Fürstin soll es nur gemietet haben, weil es eben jederzeit für Geld zur Verfügung stand: Eine Allerweltsvilla in einem kleinen Allerweltsgarten am Rand der Großstadt.
Der Türdrücker knackte. Ich trat ein und wurde unter dem vorspringenden Milchglasdach der Eingangstür bereits erwartet. Das Licht muß wohl irgendwie von oben durch das weißliche Glas fallen und mit widerlichem Reflex Gesicht und Hände des Dieners so fahl bläulich färben, sagte ich mir und schob einen Schreck damit beiseite, den mir der Anblick eines Menschen in dunkler Tscherkessentracht einjagen wollte. Es war ein Mann von unverkennbar mongolischem Typus. Unter fast geschlossenen Lidern kaum ein Auge zu erkennen! Auf meine Anrede, ob die Fürstin zu sprechen sei, keine Antwort, nur ein kurzes zuckendes Nicken, ein Niederklappen des Oberkörpers, ein orientalisches Kreuzen der Arme über der Brust, alles so, als ob ich jemand hinter dieser leblosen Puppe unsichtbar stünde und sie an den Fäden zupfte. Dann verschwand dieser leichenbläuliche Türhüter hinter mir, und ich sah mich in dämmrigem Flur von zwei anderen, lautlos gegenwärtigen Gesellen empfangen, die mir Mantel und Hut abnahmen und mich wie ein Postpaket abfertigten, geschäftig, sorgsam, stumm und automatenhaft. "Postpaket" – jawohl: Postpaket! Ich kam mir vor wie der lebendig gewordene Vergleich, den ich selber noch vor kurzem in meiner Niederschrift als Symbol des irdischen Menschens gebraucht hatte.
Inzwischen riß einer der beiden kurdischen Teufel die Flügeltüre auf und nötigte mich mit einer überaus kuriosen Handbewegung ein. "Ist das wahrhaftig ein Mensch?" – kam mir ein toller Gedanke zu Sinn, als ich an dem Diener vorüberschritt, vielleicht ist dieser ausgezogegne, erdfahle, mumienhaft mit Grabgeruch behaftete Bursche ein... Lemure! – Ich verwies mir den verrückten Einfall sofort: selbstverständlich hat die Fürstin als Asiatin altes, mongolisches Personal, vorzüglich dressierte östliche Automaten, es ist doch selbstverständlich! Man muß nicht alles mit romantischen Augen sehen und Abenteuer sich zurechtphantasieren, wo keine sind. Date: 2015-09-05; view: 300; Нарушение авторских прав |