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Die erste Schau 2 page





 

Wir sprechen von den Mühsalen der unwissenden Menschen um die Geheimnisse Gottes und der irdischen Bestimmung.

"Man muß dem Himmel Gewalt antun", sage ich und verweise den Rabbi auf den Kampf Jakobs mit dem Engel.

Der Rabbi erwidert:

"Recht haben Euer Ehren. Gott wird bezwungen durch Gebet."

"Ich bin ein Christ; ich bete mit dem Herzen und aus allen Kräften meiner Seele."

"Und worum, Euer Ehren?"

"Um den Stein!"

Der Rabbi wiegt das Haupt langsam, melancholisch, wie ein ägyptischer Sumpfreiher.

 

"Gebet will gelernt sein!"

"Was wollt Ihr damit sagen, Rabbi?"

"Ihr betet um den Stein. Recht haben Euer Ehren. Der Stein ist ein gut Ding. – Hauptsache ist nur, daß Euer Gebet in Gottes Ohr trifft!"

"Wie sollte ich es nicht?" rufe ich aus. – "Bete ich ohne Glauben?"

"Glauben?" wackelt der Rabbi heraus. – "Was nützt mir der Glauben ohne Wissen?"

"Ihr seid ein Jud, Rabbi", fährt es mir heraus.

 

Der Rabbi funkelt mich an.

"Ä Jüd. Wahr gesprochen, Euer Ehren. – Warum fragt Ihr dann einen Juden um die... Geheimnisse?! – Beten, Euer Ehren, ist überall in der Welt nur eine Kunst."

"Da habt Ihr gewiß die Wahrheit gesprochen, Rabbi", – sage ich und verbeuge mich, denn mein verfluchter Christenhochmut reut mich.

Der Rabbi lacht nur mit den Augen.

"Schießen könnt Ihr Gojim mit der Armbrust und mit dem Gewehr. Ä Wunder, wie ihr zielt und trefft! Ä Kunst, wie Ihr schießt! Aber könnt Ihr auch beten? Ä Wunder, wir ihr da falsch zielt und wie selten ihr... trefft!"

 

 

"Rabbi! Ein Gebet ist doch keine Kugel aus dem Rohr!"

"Wieso nicht, Euer Ehren? Ein Gebet ist ein Pfeil in Gottes Ohr! Wenn der Pfeil trifft, so ist das Gebet erhört. Jedes Gebet wird erhört, – muß werden erhört, denn das Gebet ist unwiderstehlich,... wenn es trifft."

 

"Und wenn es nicht trifft?"

"Dann fällt das Gebet wie ä verlorener Pfeil wieder herunter, trifft manchmal noch was Falsches, fällt auf die Erde wie Onans Kraft – oder... es wird abgefangen vom 'Andern' und seinen Dienern. Die erhören dann das Gebet auf... ihre Weise!"

"Und von welchen 'Andern'?" frage ich mit Angst im Herzen.

"Von welchem 'Andern'?" äfft der Rabbi. "Von dem, der immer zwischen Oben und Unten wacht. Vom Engel Metatron, dem Herrn der tausend Gesichter..."

Ich verstehe und schaudere: Wenn ich nun – falsch bete –?

Der Rabbi achtet meiner nicht. Sein Blick geht irgendwohin in die Ferne. Er fährt fort:

"Man soll nicht beten um den Stein, wenn man nicht weiß, was er bedeutet."

"Der Stein bedeutet die Wahrheit!" werfe ich ein.

"Die Wahrheit –?" spöttelt der Rabbi genau so wie der Kaiser. Ich meine, ich müßte ihn fortfahren hören: "Bin ich Pilatus...?" – Aber der hohe Adept sagt nichts.

 

"Was denn sonst bedeutet der Stein?" dränge ich unsicheren Herzens.

"Das müssen Euer Ehren drinnen wissen, nicht auswendig!" sagt der Rabbi.

"Ich weiß wohl: der Stein ist innerlich zu finden, – aber... er wird dann auch von außen bereitet und heißt: das Elixir."

 

 

"Gib acht, mein Sohn", flüstert der Rabbi, auf einmal den Ton seiner Stimme gegen mich ändernd, daß es mir durch Mark und Bein geht. – "Gibst du acht, wenn du um den Stein betest und bittest! Gib acht auf den Pfeil, auf das Ziel und auf den Schuß! Das daß nicht den falschen Stein bekommst, den falschen Stein auf den falschen Schuß! Das Gebet kann etwas Furchtbares werden."

"Ist es denn so schwer, richtig zu beten?"

 

"Ungeheuer schwer ist es, Euer Ehren! Recht haben Euer Ehren. Ungeheuer schwer ist es, Gott ins Ohr zu treffen."

"Wer lehrt mich das richtige Beten?"

"Recht beten... das kann nur einer, der bei seiner Geburt geopfert worden ist und geopfert hat... Einer, der nicht nur beschnitten ist, sondern auch weiß, daß er beschnitten ist, und den Namen kennt hinwärts und herwärts..."


Ärger quillt in mir hoch: der jüdische Hochmut schimmert durch den Riß, wo die Worte des Rabbis zerreißen. Ich falle ein:

"Ich will Euch sagen, Rabbi, ich bin zu alt und zu weit in der Lehre der Weltweisen, um mich beschneiden zu lassen."

Aus unbegreiflicher Tiefe seiner Augen lächelt der Adept.

"Nicht lassen beschneiden lassen wollt ihr Euch, Euer Ehren! Das ists! Nicht lassen beschneiden will sich der wilde Apfelbaum. Was trägt er?! Holzessigäpfel."

 

 

Ich spüre einen doppelten Boden unter den Worten des Rabbis. Unklar ahne ich, es wird hier ein Schlüssel gezeigt, ich brauche jetzt nur zuzugreifen. Aber der Unmut über die hochmütige Rede des Juden hat im Augenblick noch die Oberhand in mir. Ich entgegne mit Trotz:

"Mein Gebet geschieht nicht ohne Weisung und Lehre. Ich selbst mag den Pfeil schief auflegen; aber ein Engel hält mir den Bogen und lenkt mein Geschoß."

 

Rabbi Löw horcht auf:

"Ein Engel? Was für ein Engel ist das?"

Ich beschreibe ihm den Engel vom westlichen Fenster. Ich mache ihm mit Anstrengung ein Bild vom Grünen Engel, der uns berät und auf übermorgen endlich die Offenbarung der Formel verheißen hat.

Da plötzlich befällt das Gesicht des Rabbis ein wahnwitziges Lachen. Ja: es ist ein Lachen, ich kann es nicht besser bezeichnen, und doch ist es anders als menschliches Lachen; es ist wie das rasende Flattern des ägyptischen Ibis, wenn er eine Giftschlange in der Nähe sichtet. – In dem wirren Haarkranz, der silbrig schimmernd auf und nieder tanzt auf dem Vogelkopf des Rabbis, verkrampft sich das kleine gelbe Gesicht wie zu einem einzigen Faltenstern, in dessen Mitte ein schwarzes rundes Loch lacht, lacht, lacht; ein einzelner langer gelber Zahn hüpft widerwärtig in der schwarzen Höhle... irrsinnig! muß ich denken. – "Irrsinnig!"

 

 

Unruhe, nicht zu beseitigende Unruhe treibt mich die Schloßstiege hinan. – Man kennt mich jetzt hier oben im deutschen Viertel als den Alchimisten aus England, der Zutritt zur Burg und ihrer Umgebung hat. Meine Schritte werden zwar immer belauert, aber ich kann hier oben umherlaufen, wie ich will; und ich brauche diese stillen Gassen und Baumwege; ich brauche Abgeschiedenheit und Entfernung von Kelley, dem Blutsauger an meiner Seele. – – Ich verwirre mich in dem Gassengewinkel. Ich stehe vor einem der an die Hradschinfenster angeklebten Häuser und erblicke über einem spitzbogigen Toreingang: Jesus am Brunnen bei der Samariterin, in Stein gehauen. Auf dem Brunnentrog steht geschrieben:

 

 

Deus est spiritus.

– Deus est spiritus. – Gott ist Geist. – Ja, Geist ist Er und nicht Gold! – Gold will Kelley, Gold will der Kaiser, Gold will... will auch ich nur Gold?! Mein Weib Jane hat mir mein Söhnlein Arthur auf den Armen entgegengetragen und zu mir gesprochen: "Womit soll ich dein Kind erhalten, wenn der letzte Taler aus dem Beutel ist?" – Und ich sah, daß der Schmuck, den sie am Halse früher getragen hatte, nicht mehr vorhanden war. Jane hatte Stück um Stück ihres Besitzes verkauft, um uns zu retten vor dem Schuldturm, vor der Schande, vor dem Untergang.


 

 

Deus est spiritus. – Ich habe geistig und leiblich gebetet. Hab ich den Pfeil in Gottes Ohr geschossen? Hat der Rabbi recht? Sitzt immer der Rabbi am Brunnen des ewigen Lebens und belehrt die Wasserschöpferin, die müde Seele? Gold fließt nicht, Goldgebet fliegt nicht. – Ich frage, gedankenlos, ein Weib, das aus dem Hoftor tritt:

 

"Wie heißt mans hier?" – Ich will den Namen der Gasse kennen.

Das Weib, das wohl gesehen hat, woher mein Blick kam, antwortet:

"Zum goldenen Brünnlein, Herr", und geht weiter.

 

Kaiser Rudolf im Belvedere. Er lehnt an einem der hohen Glaskasten, darinnen ein Nordlandsmensch, in Felle gewickelt, kreuz und quer mit Lederriemen umschnürt, an denen Schellen dicht aufgereiht hängen, sich zu schaffen macht. Die wächserne Puppe mit den schräg öligen Glasaugen hält in viel zu kleinen Händen Triangel und unverständliches Gerät. "Ein Schamane", sagt eine Stimme in mir.

 

Neben Rudolf ragt ein Mann in schwarzer Soutane auf. Mit Mühe beugt er sich und sichtlich ungern zu geziemender Haltung vor der Majestät. Ein rotes Käpplein auf dem Hinterhaupt verrät den Kardinal. Ich weiß sofort, wer es ist: das ist, in seiner ganzen Länge und mit den unbeweglich zu starrem Lächeln emporgezogenen Mundwinkeln, der päpstliche Legat, Kardinal Malaspina. Der Kardinal spricht mit oftmals muschelscharf sich schließenden Lippen ruhig und bestimmt auf den Kaiser ein. Langsam werden mir seine Worte verständlich:

 

"Und also kann Eurer Majestät der unvernünftige Vorwurf der Menge nicht erspart bleiben, daß Sie die Schwarzkünstler begünstigen und denen, die im Verdacht – im begründeten Verdacht sogar – der Teufelsbrüderschaft stehen, freien Aufenthalt, ja noch größere Gunst in Eurer Majestät katholischen Ländern zugestehen."

 

Der Kaiser wirft den Geierkopf vor.

"Gewäsch! Der Engländer ist ein Goldmacher; und das Goldmachen, mein Freund, ist eine Sache der natürlichen Kunst. Ihr haltet den Menschengeist nicht auf, ihr Priester, der durch die unheiligen Geheimnisse der Natur nur desto ehrfurchtsbereiter zu den heiligen Geheimnissen Gottes vordringt..."

"– um einzusehen, daß es Gnade war", ergänzt der Kardinal. Des Kaisers gelbe Augen verlöschen völlig hinter dem trägen Leder der Augendeckel. Nur die schwere Unterlippe bebt vor heimlichem Spott. Der Kardinal zieht die feinen Mundwinkel noch höher in sicherer Überlegenheit:


 

 

"Wie auch über das Goldmachen zu urteilen sei: dieser englische Edelmann samt seinem abenteuerlichen Genossen hat öffentlich bekannt, daß es ihm eben nicht um Gold und Silber zu tun ist, sondern um die Macht zu zaubern mit seinem Leib und den Tod zu überwinden mit seinem Willen. Ich habe davon allergenaueste Berichte. Ich klage darum im Namen unseres obersten Herrn Jesus Christus und des heiligen Stellvertreters auf Erden diesen John Dee und seinen Gesellen der teuflischen Künste, der schwarzen und mit dem zeitlichen und ewigen Tode bedrohten gotteslästerlichen Magie an. Das weltliche Schwert kann sich seines Amtes nicht entschlagen. Es wäre zum Nachteil der Christenheit. Eure Majestät weiß genau, was auf dem Spiele steht!"

 

 

Rudolf knöchelt gegen die Scheiben des Glaskastens, – murrt:

"Soll ich alle Narren und Heiden in die vatikanischen Kerker und auf die Holzstöße eures Pfaffendünkels liefern? Der heilige Vater kennt mich und weiß, was für ein eifriger Sohn und Verteidiger des Glaubens ich bin; aber er soll mich nicht zum Büttel seiner Büttel machen, die mir auf Schritt und Tritt auflauern. Es könnte sonst so weit kommen, daß ich wohl gar noch das Todesurteil über Rudolf von Habsburg, des Heiligen Römischen Reiches Kaiser, mit eigener Hand unterschreiben müßte – wegen schwarzer Magie?!"

 

"Euer Majestät setzen selbst die Grenzen aller weltlichen Dinge. Sie urteilen selbst und verantworten selbst vor Gottes Gericht, wessen Rudolf von Habsburg würdig ist..."

"Keine Unverschämtheiten, Pfaffe!" zischt der Kaiser.

Der Kardinal Malaspina biegt sich zurück wie eine vom Adler gehackte Schlange. Sein gekniffener Mund lächelt:

 

"Die Diener des Herrn haben vom Meister aller Meister gelernt, bespien und geschlagen, dennoch Gottes Lob allein auf den Lippen zu tragen."

 

"Und den Verrat im Herzen!" stößt der Kaiser nach.

 

Der Kardinal verbeugt sich tief und langsam:

 

"Wir verraten, wo wir können, die Finsternis an das Licht, die Schwachheit an die Majestät, den Betrüger an die Wachsamkeit des gerechten Richters. John Dee und sein Anhang ist der Ketzerei in ihren ärgsten Auswüchsen entsprossen. Er trägt das Stigma der Gotteslästerung, der Schändung heiliger Gräber und des Umgangs mit überwiesenen Bundesgenossen des Teufels. Es würde dem Heiligen Vater zu Rom leid tun müssen, wenn er dem weltlichen Arm vorzugreifen und in aller Öffentlichkeit den verflossenen Prozeß dieses John Dee zum peinlichen Schaden kaiserlicher Autorität forma juris vor alle Welt zu bringen sich genötigt sähe."

 

Der Kaiser wirft einen flammenden Haßblick zum Kardinal hinüber. Er wagt keinen Schnabelhieb mehr. Der Adler hat die Schlange aus den Fängen verloren. Er zieht fauchend den gereckten Hals in die schwarzen Schultern zurück.

 

Die Hinterstube unseres Quartiers bei Doktor Hajek ists, in der ich stehe und weinend am Halse Kelleys liege.

"Der Engel hat geholfen! Der Engel sei gepriesen! Der Engel hat geholfen!! – –"

Kelley hält in Händen die offenen Schalen von St. Dunstans Kugeln; sie sind beide neu gefüllt bis zum Rand mit dem kostbaren roten und grauen Pulver. Der Grüne Engel hat es gebracht, gestern nacht in einer Sitzung, die Kelley allein mit Jane, ohne mich zu verständigen, veranstaltet hat. Nun halte ich den neuen Reichtum in zitternden Händen; aber was unendlich viel mehr ist: der Grüne Engel hat Wort gehalten!! Er hat mich und mein Gebet beim goldenen Brünnlein nicht betrogen! – Meine Gebete sind nicht zu Boden gefallen. Meine Gebete haben Gott ins Ohr getroffen. Sie haben den Grünen Engel vom Westlichen Fenster ins Herz getroffen! – O Jubel! O Gewißheit! – Der Weg war nicht umsonst, er war nicht irregegangen! In meinem Händen liegt das Zeugnis des wahren Bundes! –

Nun ist die Not des Leibes zu Ende! Nun beginnt die Not der Seele und der Sehnsucht gestillt zu werden!

 

Kelley sagt mir auf meine Frage nach dem Geheimnis, wie der Stein zu gewinnen ist, der Engel habe auch diesmal noch nicht geoffenbart; seine Gabe sei diesmal genug; Vertrauen und Glaube seien gerechtfertigt. Ein andermal werde uns auch das übrige zuteil nach Verdienst. Ausharren und Gebet! Es wird Gott den Seinen alles geben, darum sie ihn bitten und dessen sie bedürfen! –

Jane steht bleich und stumm, das Kind auf dem Arm, neben uns.

Ich frage sie, wie die gesegnete Sitzung verlaufen ist. Sie schaut mich aus verstörten Augen müde an und antwortet:

"Ich kann nichts sagen. Ich weiß nichts mehr. Es war – grauenvoll..."

Staunend blicke ich zu Kelley hinüber:

"Was ist mit Jane geschehen?"

"Der Engel erschien in unerträglichem Feuer", ist die stockende Entgegnung.

 

"Gott der Herr im brennenden Dornbusch!" – muß ich denken und umarme stumm und von heißer Liebe ergriffen mein tapferes Weib.

 

Vage Bilder ziehen gleich vernebelten, halbwach erneuerten Erinnerungen an mir vorüber. Viel Getümmel, Bankettieren, Händeschütteln und Fraternisieren mit hohen Herren, mit ketten- und spornklirrendem Adel, sammet- und seidengefütterten Diplomaten- und Gelehrtenvolk. Aufzüge durch die engen Gassen von Prag, überall Kelley voraus, aus offenem Silberbeutel unsinnig das Geld unter die geknäuelte johlende Menge verstreuend. Wir sind das Wunder, der Skandal, das Abenteuer von Prag. Tolle Gerüchte über uns schwirren bis zu unseren eigenen Ohren. Man hält uns für unsagbar reiche Engländer, die sich das Vergnügen machen, den Hof und die Bürgerschaft von Prag zu mystifizieren mit ihrem Vorgehen, Adepten und Alchimisten zu sein. – Das ist von allen den umlaufenden Sagen über uns noch die harmloseste und gutmütigste.

Lange ermüdende Auseinandersetzungen mit Kelley des Nachts nach rauschenden Festen. – Kelley taumelt, schwer vom Wein und aller Prasserei der böhmischen Küche, müd in sein Bett. Ich packe ihn, unfähig, das alltägliche Schauspiel dieser sinnlosen Verschwendung weiter zu ertragen, beim Hemdbund und schüttle dem Betrunkenen und schreie ihn an:

"Schwein! Prolet! In der Gosse von London aufgelesener Winkeladvokat! Besinne dich! Komm zu dir! Wie lange noch soll das so fortgehen? Das graue Pulver ist vertan! Das rote zur Hälfte auch!"

 

"Wird mir der Grüne... gr... üne Engel schon wieder eine neue Po... Portion nachschießen", rülpst der Patron.

Hochmut, Wollust, eselhafte Vergeudung des nie gekannten Reichtums, grobe und dumme Aufgeblasenheit, bäuerisches Protzentum: das sind die vom Golde des Engels aufgescheuchten Nachtvögel, die aus der dunklen Seele Kelleys, des Mannes mit den abgeschnittenen Ohren, empor ans Tageslicht flattern. In den Zeiten der Armut ein leidlicher Gesell, ein Virtuos im Hungern und im humorigen Sichdurchschlagen durch die Nöte des Leibes, ist er nun, zum zweitenmal im Wohlstand und Überfluß, nicht mehr zu bändigen und zu halten in seinem lostobenden, unmäßig schwelgenden Vergeudungstaumel. –

 

Gott will nicht, daß das Gold gemein werde auf Erden. Denn diese Welt ist die Stätte der Schweine.

 

Ich mag wollen oder nicht: es treibt mich in die engen Gassen der Judenstadt hinaus, der Moldau zu, in die Nähe des Rabbis, der meinen Glauben an den Engel so irrsinnig lachend verhöhnt hat, – der mich mit seinem gelben Zahnstummel aus aller Feierlichkeit meines heißen Glaubens aus seiner Stube hinausgelacht hat.

Ich stehe vor einem der uralten turmhohen Durchlaßhäuschen des finsteren Ghettos. Einen Augenblick lang weiß ich nicht, welchen Weg ich einschlagen soll, da flüstert mir aus dem schwarzen Torbogen eine Stimme zu:

"Hierher. Hier führt Eure Straße Euch zu dem erwünschten Ziel!" – und ich folge dem unsichtbaren Rufer.

Im finsteren Durchlaß fühle ich mich plötzlich von fremden Männern umringt. Man drängt mich flüsternd in einen Seitengang, durch eine eisenbeschlagene Türe in einen halbhellen, langen Verbindungsgang, dessen vermoderte Fußbodenplanken unter unsern Schritten stauben. Den Gang erhellen seltene, hoch oben angebrachte Lichtschlitze. Angst will mich überkriechen: in irgendeine Falle bin ich gegangen! – Ich bleibe stehen: was will man von mir? Die Gestalten, die sich um mich drängen, sind maskiert und bewaffnet. Einer macht den Anführer. Er hebt die Maske. Es ist ein ehrliches Soldatengesicht.

Er sagt: "Auf Befehl des Kaisers."

Ich weiche zurück.

"Verhaftet? Weshalb? Ich mache aufmerksam auf den Schutzbrief der Königin von England!"

 

Der Offizier schüttelt den Kopf. Er deutet vorwärts:

"Nicht von Verhaftung ist die Rede, Sir! Der Kaiser hat Gründe, Euren erwünschten Besuch geheimzuhalten. Folgt uns!"

Der Gang senkt sich zusehends in die Tiefe. Das letzte Tageslicht schwindet. Die Holzbohlen unter den Füßen hören auf. Glitschige, modrige Erde beginnt. Nasse, Schimmelgerüche aussendende, notdürftig geglättete Wände neben mir. – Mit einemmal Halt! Ein leises Raunen von meinem Begleiter. Ich mache mich auf eine plötzliche, unvorstellbare, grausame Todesart gefaßt. Längst hat sich mir das Gefühl aufgedrängt, daß wir uns in dem geheimen unterirdischen Gang befinden, von dem der Volksmund raunt, er zöge sich von der Altstadt her unter der Moldau hindurch zum Hradschin hinüber. Die Arbeiter, die ihn auf Befehl der Habsburger angelegt, seien in letzter Stunde darin bis auf den letzten Mann ersäuft worden, um das Geheimnis der Ausgänge nicht verraten zu können. –

Da plötzlich flammt eine Fackel auf; mehrere Fackeln entzünden sich; in ihrem Schein sehe ich, daß wir in einer Art Bergwerksstollen dahinschreiten. Von Zeit zu Zeit stützen mächtige Durchzugsbalken das aus dem natürlichen Stein gebrochene Gewölbe der Decke. Manchmal donnert von irgendwoher ein dumpfes Rollen. Es ist wie über unsern Köpfen. Lange, lange gehen wir so durch den unerträglich modrigen Gestank dieses Ganges. Zahllose Ratten huschen zwischen unsern Beinen dahin. Wir wecken mit jedem Schritt unheimliches Ungeziefer aus Schutt und Rissen der Wände. Fledermäuse versengen sich die schwappenden Flügel an den schwelenden Fackeln.

 

Endlich steigt der Weg wieder merklich bergan. Von fern ein blau aufblitzender Schein. Die Fackeln erlöschen. Das Auge, an die Dunkelheit gewöhnt, nimmt wahr, daß die Männer die Brandspäne in eiserne Ringe stecken, die da und dort in die Wand eingelassen sind. – Dann: wieder Holz unterm Fuß. Stärker bergan, zeitweilig von Stufen unterbrochen, steigt die Galerie. Gott weiß, wo wir sind, wo wir auftauchen werden. – Aber schon ist wieder Tageslicht um uns. Plötzlich: Halt! Zwei Männer heben mit Mühe eine eiserne Falltür. Wir steigen empor und stehen in einer engen, elenden Küche, aus deren Herd wir heraufgekommen sind wie aus einem Brunnenschacht. Es muß ein Katnerhaus sein oder dergleichen. Puppenwinzig ist der Raum und die Tür, durch die wir jetzt einen kleinen Flur betreten und sogleich danach noch eine andere winzige Kammer, in die ich allein eintrete. Meine Begleiter sind hinter mir geräuschlos verschwunden. – – –

Vor mir sitzt in einem mächtigen Ohrenstuhl, der fast die Hälfte des kleinen Zimmers einnimmt: Kaiser Rudolf, genau so gekleidet wie damals, als ich ihm zum erstenmal im Belvedere entgegentrat.

Neben ihm liegt ein levkoienüberwachsenes Fenster im warmen Goldschein der Nachmittagssonne. Es ist ein fast traulich zu nennendes Stübchen. Es fördert Behagen, Freude, heiteres Sichgehenlassen vom ersten Augenblick an. Fast muß ich lachen, wie ich mich umschaue in diesem Gemach, in dem ein Stieglitz im Käfig flöten sollte, – jetzt, nach dem düsteren unheimlichen Weg durch jenen mordhauchenden Gang unter der Moldau.

 

Der Kaiser nickt mir stumm zu und wehrt mit der fahlen Hand meiner Ehrfurchtsbezeugung. Er befiehlt mir, mich ihm gegenüber in einem gleichfalls bequemen Sessel niederzulassen. Ich gehorche. – Schweigen im Raum. – Draußen rauscht es von alten Bäumen. Ein Blick hinaus macht mich völlig verwirrt: das ist kein mir bekannter Ort in Prag. Wo bin ich? Bergwände heben sich jenseits der Baumwipfel, die kaum bis zur Höhe des Fensters heraufwinken. Wir sind demnach in einem Hause über einer schmalen Schlucht oder Bergfalte... "Hirschgraben!" – meldet sich eine innere Stimme.

 

 

Der Kaiser richtet sich in seinem Sessel langsam auf.

"Ich habe Euch zu mir kommen lassen, Magister Dee, weil ich erfahre, daß Eure Goldmacherei Fortschritte gemacht hat, falls Ihr nicht doch zwei ganz abgefeimte Betrüger seid..."

 

Ich schweige und bekunde durch mein Schweigen meine Erhabenheit über Beschimpfungen aus einem Munde, der mir keine Genehmigung zu geben braucht. – Der Kaiser bemerkt, was ich damit ausdrücken will, und ruckt mit dem Kopf.

"Ihr könnt also Gold machen. Gut. Solche Leute suche ich lange; was verlangt Ihr?"

 

Ich schweige und schaue den Kaiser unverwandt an.

"Oder: was wollt Ihr?"

 

Meine Antwort ist:

"Eure Majestät wissen, daß ich, John Dee, Baronet of Gladhill, nicht den Ehrgeiz der Marktschreier und alchimistischen Scharlatane habe, von dem Gold, das die Tinktur bringt, ein liederliches Leben aufzuputzen. Vom kaiserlichen Adepten wollte ich Weisung und Rat. – Wir suchen den Stein der Verwandlung."

 

Rudolf legt das Haupt auf die Seite. Nun sieht er wahrhaftig so aus wie ein alter Steinadler, der den Kopf schief macht und, halb ehrfurchtgebietend, halb unaussprechlich komisch und melancholisch zugleich, mit Resignation zum Himmel emporschaut, von dem ihn eiserne Gitterstäbe trennen. – "Gefangener Aar", muß ich unwillkürlich denken.

Endlich erwidert der Kaiser:

"Ketzerei, Sir! – Das Heiltum, das uns verwandeln soll, ist in den Händen der Stellvertreter Gottes auf Erden und heißt: das Sakrament des Brotes."

 

Halb drohend klingt das, wie versteckter Spott.

 

"Der echte Stein, Majestät, – so wenigstens wage ich zu vermuten – hat mit der Oblate nur das eine gemeinsam, daß er sowenig mehr wie sie, wenn sie die Konsekration erfahren hat, ein Stoff dieser Welt ist..."

"Das ist Theologie!" sagt der Kaiser müde.

 

"Es ist Alchimie!"

"Dann müßte der Stein ein magisches injectum sein, das unser Blut verwandelt", flüstert Rudolf nachdenklich.

 

"Und warum nicht, Majestät? Wo doch das aurum potabile nur ein Trank ist, den wir unserem Blut zuführen!"

"Ihr seid ein Narr, Sir", unterbricht der Kaiser unwirsch, "nehmt Euch in acht, daß Euch nicht Euer erbeteter Stein eines Tages schwer im Leibe liegt!"

 

 

Wie kommt es nun, daß mir bei diesen Worten des Kaisers die Warnungen des Rabbi Löw vor den fehlgehenden Gebeten jäh aufgefallen? – – Ich antworte nach langer Pause:

"Wer unwürdig ißt, der isset und trinket sich das Gericht! spricht der Herr."

Kaiser Rudolf schnellt den Hals hoch. Mir ist, als hörte ich ihn gleichsam mit dem Schnabel happen:

"Ich rate Euch gut, Sir, machet es wie ich: trinket nichts und esset nichts, was Ihr nicht zuvor einen andern habet proben lassen. Die Welt ist voll von Hinterlist und Giften. Weiß ich, was mir der Pfaffe im Kelch reicht? Kann nicht der Leib des Herrn... meine Himmelfahrt wollen? Es wäre nicht neu – –! Grüne Engel und schwarze Hirten – es ist alles von derselben Bruthölle ausgeheckt. – – Ich warne Euch, Sir!"

 

Ein Schauer überläuft mich. Mir kommt zu Bewußtsein, was man mir da und dort – schon auf dem Weg nach Prag – zugeraunt hat und was ich aus Andeutungen, sehr vorsichtigen Andeutungen des Doktors Hajek entnehmen konnte: der Kaiser ist nicht immer einwandfrei bei Verstande... er ist vielleicht... wahnsinnig. –

Ein lauernder Blick streift mich schräg.

"Nochmals, ich warne Euch, Sir. Wenn Ihr Euch verwandeln wollt – verwandelt Euch rasch. So möchte ich raten. Die heilige Inquisition interessiert sich lebhaft für Eure – Verwandlung. Es möchte sich nur fragen, ob dies Interesse ganz Eurem Geschmack entspricht! Und ob ich in der Lage bin, Euch vor der Anteilnahme dieser wohltätigen Institution zu schützen. – – Ihr müßt wissen: ich bin ein einsamer alter Mann. Ich habe da nicht viel zu sagen..."

 

Es ist, als wollte der Adler einschlafen. Mir hebt es die Brust; Kaiser Rudolf, der mächtigste Mensch auf der Erde, – der Monarch, vor dem Könige und Prälaten zittern, nennt sich einen alten, ohnmächtigen Mann!? – – Ist das Schauspielerei, ist es Tücke?

 

Der Kaiser liest zwischen fast geschlossenen Lidern hervor meine Gedanken mir vom Gesicht ab. Er hüstelt höhnisch:

"Werdet selbst König, Sir! Dann werdet Ihr merken: es ist eine lange Mühsal. Wer sich nicht selbst gefunden hat und doppelhäuptig geworden ist wie der Adler meines Hauses, der soll die Hände nicht nach Kronen ausstrecken, – es seien nun Kronen dieser Erde oder Kronen der Adeptschaft."







Date: 2015-09-05; view: 273; Нарушение авторских прав



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