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Der Nachbarin Haus





 

MARTHE (allein):

Gott verzeih's meinem lieben Mann,

Er hat an mir nicht wohl getan!

Geht da stracks in die Welt hinein

Und läßt mich auf dem Stroh allein.

Tät ihn doch wahrlich nicht betrüben,

Tät ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.

 

(Sie weint.)

 

Vielleicht ist er gar tot! — O Pein! —

Hätt ich nur einen Totenschein!

 

Margarete kommt.

 

MARGARETE:

Frau Marthe!

 

MARTHE:

Gretelchen, was soll's?

 

MARGARETE:

Fast sinken mir die Kniee nieder!

Da find ich so ein Kästchen wieder

In meinem Schrein, von Ebenholz,

Und Sachen herrlich ganz und gar,

Weit reicher, als das erste war.

 

MARTHE:

Das muß Sie nicht der Mutter sagen;

Tät's wieder gleich zur Beichte tragen.

 

MARGARETE:

Ach seh Sie nur! ach schau Sie nur!

 

MARTHE (putzt sie auf):

O du glücksel'ge Kreatur!

 

MARGARETE:

Darf mich, leider, nicht auf der Gassen

Noch in der Kirche mit sehen lassen.

 

MARTHE:

Komm du nur oft zu mir herüber,

Und leg den Schmuck hier heimlich an;

Spazier ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber,

Wir haben unsre Freude dran;

Und dann gibt's einen Anlaß, gibt's ein Fest,

Wo man's so nach und nach den Leuten sehen läßt.

Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr;

Die Mutter sieht's wohl nicht, man macht ihr auch was vor.

 

MARGARETE:

Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen?

Es geht nicht zu mit rechten Dingen!

 

(Es klopft.)

 

Ach Gott! mag das meine Mutter sein?

 

MARTHE (durchs Vorhängel guckend):

Es ist ein fremder Herr — Herein!

 

Mephistopheles tritt auf.

 

MEPHISTOPHELES:

Bin so frei, grad hereinzutreten,

Muß bei den Frauen Verzeihn erbeten.

 

(Tritt ehrerbietig vor Margareten zurück.)

 

Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!

 

MARTHE:

Ich bin's, was hat der Herr zu sagen?

 

MEPHISTOPHELES (leise zu ihr):

Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;

Sie hat da gar vornehmen Besuch.

Verzeiht die Freiheit, die ich genommen,

Will Nachmittage wiederkommen.

 

MARTHE (lacht):

Denk, Kind, um alles in der Welt!

Der Herr dich für ein Fräulein hält.

 

MARGARETE:

Ich bin ein armes junges Blut;

Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:

Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.

 

MEPHISTOPHELES:

Ach, es ist nicht der Schmuck allein;

Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf!

Wie freut mich's, daß ich bleiben darf.

 

MARTHE:

Was bringt Er denn? Verlange sehr —

 

MEPHISTOPHELES:

Ich wollt, ich hätt eine frohere Mär! —

Ich hoffe, Sie läßt mich's drum nicht büßen:

Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen.

 

MARTHE:

Ist tot? das treue Herz! O weh!

Mein Mann ist tot! Ach ich vergeh!

 

MARGARETE:

Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht!

 

MEPHISTOPHELES:

So hört die traurige Geschicht!

 

MARGARETE:

Ich möchte drum mein' Tag' nicht lieben,

Würde mich Verlust zu Tode betrüben.

 

MEPHISTOPHELES:

Freud muß Leid, Leid muß Freude haben.

 

MARTHE:

Erzählt mir seines Lebens Schluß!

 

MEPHISTOPHELES:

Er liegt in Padua begraben

Beim heiligen Antonius

An einer wohlgeweihten Stätte

Zum ewig kühlen Ruhebette.

 

MARTHE:

Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen?

 

MEPHISTOPHELES:

Ja, eine Bitte, groß und schwer:

Laß Sie doch ja für ihn dreihundert Messen singen!

Im übrigen sind meine Taschen leer.

 

MARTHE:

Was! nicht ein Schaustück? kein Geschmeid?

Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels spart,

Zum Angedenken aufbewahrt,

Und lieber hungert, lieber bettelt!

 

MEPHISTOPHELES:

Madam, es tut mir herzlich leid;

Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.

Auch er bereute seine Fehler sehr,

Ja, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr.

 

MARGARETE:

Ach! daß die Menschen so unglücklich sind!

Gewiß, ich will für ihn manch Requiem noch beten.

 

MEPHISTOPHELES:

Ihr wäret wert, gleich in die Eh zu treten:

Ihr seid ein liebenswürdig Kind.

 

MARGARETE:

Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.

 

MEPHISTOPHELES:

Ist's nicht ein Mann, sei's derweil ein Galan.

's ist eine der größten Himmelsgaben,

So ein lieb Ding im Arm zu haben.

 

MARGARETE:

Das ist des Landes nicht der Brauch.

 

MEPHISTOPHELES:

Brauch oder nicht! Es gibt sich auch.

 

MARTHE:

Erzählt mir doch!

 

MEPHISTOPHELES:

Ich stand an seinem Sterbebette, Es war was besser als von Mist,

Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ

Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte.

«Wie«, rief er,»muß ich mich von Grund aus hassen,

So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen!

Ach, die Erinnrung tötet mich

Vergäb sie mir nur noch in diesem Leben!»

 

MARTHE (weinend):

Der gute Mann! ich hab ihm längst vergeben.

 

MEPHISTOPHELES:

«Allein, weiß Gott! sie war mehr schuld als ich.»

 

MARTHE:

Das lügt er! Was! am Rand des Grabs zu lügen!

 

MEPHISTOPHELES:

Er fabelte gewiß in letzten Zügen,

Wenn ich nur halb ein Kenner bin.

«Ich hatte«, sprach er,»nicht zum Zeitvertreib zu gaffen

Erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen,

Und Brot im allerweitsten Sinn,

Und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen.»

 

MARTHE:

Hat er so aller Treu, so aller Lieb vergessen,

Der Plackerei bei Tag und Nacht!

 

MEPHISTOPHELES:

Nicht doch, er hat Euch herzlich dran gedacht.

Er sprach:»Als ich nun weg von Malta ging

Da betet ich für Frau und Kinder brünstig;

Uns war denn auch der Himmel günstig,

Daß unser Schiff ein türkisch Fahrzeug fing,

Das einen Schatz des großen Sultans führte.

Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,

Und ich empfing denn auch, wie sich's gebührte,

Mein wohlgemeßnes Teil davon.»

 

MARTHE:

Ei wie? Ei wo? Hat er's vielleicht vergraben?

 

MEPHISTOPHELES:

Wer weiß, wo nun es die vier Winde haben.

Ein schönes Fräulein nahm sich seiner an,

Als er in Napel fremd umherspazierte;

Sie hat an ihm viel Liebs und Treus getan,

Daß er's bis an sein selig Ende spürte.

 

MARTHE:

Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern!

Auch alles Elend, alle Not

Konnt nicht sein schändlich Leben hindern!

 

MEPHISTOPHELES:

Ja seht! dafür ist er nun tot.

Wär ich nun jetzt an Eurem Platze,

Betraurt ich ihn ein züchtig Jahr,

Visierte dann unterweil nach einem neuen Schatze.

 

MARTHE:

Ach Gott! wie doch mein erster war,

Find ich nicht leicht auf dieser Welt den andern!

Es konnte kaum ein herziger Närrchen sein.

Er liebte nur das allzuviele Wandern

Und fremde Weiber und fremden Wein

Und das verfluchte Würfelspiel.

 

MEPHISTOPHELES:

Nun, nun, so konnt es gehn und stehen,

Wenn er Euch ungefähr so viel

Von seiner Seite nachgesehen.

Ich schwör Euch zu, mit dem Beding

Wechselt ich selbst mit Euch den Ring!

 

MARTHE:

O es beliebt dem Herrn zu scherzen!

 

MEPHISTOPHELES (für sich):

Nun mach ich mich beizeiten fort!

Die hielte wohl den Teufel selbst beim Wort.

 

(Zu Gretchen.)

 

Wie steht es denn mit Ihrem Herzen?

 

MARGARETE:

Was meint der Herr damit?

 

MEPHISTOPHELES (für sich):

Du guts, unschuldigs Kind! (Laut.) Lebt wohl, ihr Fraun!

 

MARGARETE:

Lebt wohl!

 

MARTHE:

O sagt mir doch geschwind! Ich möchte gern ein Zeugnis haben,

Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben.

Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen,

Möcht, ihn auch tot im Wochenblättchen lesen.

 

MEPHISTOPHELES:

Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund

Wird allerwegs die Wahrheit kund;

Habe noch gar einen feinen Gesellen,

Den will ich Euch vor den Richter stellen.

Ich bring ihn her.

 

MARTHE:

O tut das ja!

 

MEPHISTOPHELES:

Und hier die Jungfrau ist auch da?

Ein braver Knab! ist viel gereist,

Fräuleins alle Höflichkeit erweist.

 

MARGARETE:

Müßte vor dem Herren schamrot werden.

 

MEPHISTOPHELES:

Vor keinem Könige der Erden.

 

MARTHE:

Da hinterm Haus in meinem Garten

Wollen wir der Herren heut abend warten.

 

STRAßE (II)

 

Faust. Mephistopheles.

 

FAUST:

Wie ist's? Will's fördern? Will's bald gehn?

 

MEPHISTOPHELES:

Ah bravo! Find ich Euch in Feuer?

In kurzer Zeit ist Gretchen Euer.

Heut abend sollt Ihr sie bei Nachbar' Marthen sehn:

Das ist ein Weib wie auserlesen

Zum Kuppler — und Zigeunerwesen!

 

FAUST:

So recht!

 

MEPHISTOPHELES:

Doch wird auch was von uns begehrt.

 

FAUST:

Ein Dienst ist wohl des andern wert.

 

MEPHISTOPHELES:

Wir legen nur ein gültig Zeugnis nieder,

Daß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder

In Padua an heil'ger Stätte ruhn.

 

FAUST:

Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen müssen!

 

MEPHISTOPHELES:

Sancta Simplicitas! darum ist's nicht zu tun;

Bezeugt nur, ohne viel zu wissen.

 

FAUST:

Wenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen.

 

MEPHISTOPHELES:

O heil'ger Mann! Da wärt Ihr's nun!

Ist es das erstemal in eurem Leben,

Daß Ihr falsch Zeugnis abgelegt?

Habt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt,

Vom Menschen, was sich ihm in den Kopf und Herzen regt,

Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben?

Mit frecher Stirne, kühner Brust?

Und wollt Ihr recht ins Innre gehen,

Habt Ihr davon, Ihr müßt es grad gestehen,

So viel als von Herrn Schwerdtleins Tod gewußt!

 

FAUST:

Du bist und bleibst ein Lügner, ein Sophiste.

 

MEPHISTOPHELES:

Ja, wenn man's nicht ein bißchen tiefer wüßte.

Denn morgen wirst, in allen Ehren,

Das arme Gretchen nicht betören

Und alle Seelenlieb ihr schwören?

 

FAUST:

Und zwar von Herzen.

 

MEPHISTOPHELES:

Gut und schön! Dann wird von ewiger Treu und Liebe,

von einzig überallmächt'gem Triebe —

Wird das auch so von Herzen gehn?

 

FAUST:

Laß das! Es wird! — Wenn ich empfinde,

Für das Gefühl, für das Gewühl

Nach Namen suche, keinen finde,

Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife,

Nach allen höchsten Worten greife,

Und diese Glut, von der ich brenne,

Unendlich, ewig, ewig nenne,

Ist das ein teuflisch Lügenspiel?

 

MEPHISTOPHELES:

Ich hab doch recht!

 

FAUST:

Hör! merk dir dies — Ich bitte dich, und schone meine Lunge-:

Wer recht behalten will und hat nur eine Zunge,

Behält's gewiß.

Und komm, ich hab des Schwätzens Überdruß,

Denn du hast recht, vorzüglich weil ich muß.

 

GARTEN

 

Margarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazierend.

 

MARGARETE:

Ich fühl es wohl, daß mich der Herr nur schont,

Herab sich läßt, mich zu beschämen.

Ein Reisender ist so gewohnt,

Aus Gütigkeit fürliebzunehmen;

Ich weiß zu gut, daß solch erfahrnen Mann

Mein arm Gespräch nicht unterhalten kann.

 

FAUST:

Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhält

Als alle Weisheit dieser Welt.

 

(Er küßt ihre Hand.)

 

MARGARETE:

Inkommodiert Euch nicht! Wie könnt Ihr sie nur küssen?

Sie ist so garstig, ist so rauh!

Was hab ich nicht schon alles schaffen müssen!

Die Mutter ist gar zu genau.

 

(Gehn vorüber.)

 

MARTHE:

Und Ihr, mein Herr, Ihr reist so immer fort?

 

MEPHISTOPHELES:

Ach, daß Gewerb und Pflicht uns dazu treiben!

Mit wieviel Schmerz verläßt man manchen Ort

Und darf doch nun einmal nicht bleiben!

 

MARTHE:

In raschen Jahren geht's wohl an

So um und um frei durch die Welt zu streifen;

Doch kömmt die böse Zeit heran,

Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen,

Das hat noch keinem wohlgetan.

 

MEPHISTOPHELES:

Mit Grausen seh ich das von weiten.

MARTHE:

Drum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten.

 

(Gehn vorüber.)

 

MARGARETE:

Ja, aus den Augen, aus dem Sinn!

Die Höflichkeit ist Euch geläufig;

Allein Ihr habt der Freunde häufig,

Sie sind verständiger, als ich bin.

 

FAUST:

O Beste! glaube, was man so verständig nennt,

Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn.

 

MARGARETE:

Wie?

 

FAUST:

Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie

Sich selbst und ihren heil'gen Wert erkennt!

Daß Demut Niedrigkeit, die höchsten Gaben

Der liebevoll austeilenden Natur —

 

MARGARETE:

Denkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur,

Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben.

 

FAUST:

Ihr seid wohl viel allein?

 

MARGARETE:

Ja, unsre Wirtschaft ist nur klein,

Und doch will sie versehen sein.

Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, stricken

Und nähn und laufen früh und spat;

Und meine Mutter ist in allen Stücken

So akkurat!

Nicht daß sie just so sehr sich einzuschränken hat;

Wir könnten uns weit eh'r als andre regen:

Mein Vater hinterließ ein hübsch Vermögen,

Ein Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt.

Doch hab ich jetzt so ziemlich stille Tage:

Mein Bruder ist Soldat,

Mein Schwesterchen ist tot.

Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not;

Doch übernähm ich gern noch einmal alle Plage,

So lieb war mir das Kind.

 

FAUST:

Ein Engel, wenn dir's glich.

 

MARGARETE:

Ich zog es auf, und herzlich liebt es mich.

Es war nach meines Vaters Tod geboren.

Die Mutter gaben wir verloren,

So elend wie sie damals lag,

Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach.

Da konnte sie nun nicht dran denken,

Das arme Würmchen selbst zu tränken,

Und so erzog ich's ganz allein,

Mit Milch und Wasser, so ward's mein

Auf meinem Arm, in meinem Schoß

War's freundlich, zappelte, ward groß.

 

FAUST:

Du hast gewiß das reinste Glück empfunden.

 

MARGARETE:

Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden.

Des Kleinen Wiege stand zu Nacht

An meinem Bett; es durfte kaum sich regen,

War ich erwacht;

Bald mußt ich's tränken, bald es zu mir legen

Bald, wenn's nicht schwieg, vom Bett aufstehn

Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,

Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn;

Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,

Und immer fort wie heut so morgen.

Da geht's, mein Herr, nicht immer mutig zu;

Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh.

 

(Gehn vorüber.)

 

MARTHE:

Die armen Weiber sind doch übel dran:

Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren.

 

MEPHISTOPHELES:

Es käme nur auf Euresgleichen an,

Mich eines Bessern zu belehren.

 

MARTHE:

Sagt grad, mein Herr, habt Ihr noch nichts gefunden?

Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?

 

MEPHISTOPHELES:

Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd,

Ein braves Weib sind Gold und Perlen wert.

 

MARTHE:

Ich meine: ob Ihr niemals Lust bekommen?

 

MEPHISTOPHELES:

Man hat mich überall recht höflich aufgenommen.

 

MARTHE:

Ich wollte sagen: ward's nie Ernst in Eurem Herzen?

 

MEPHISTOPHELES:

Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen.

 

MARTHE:

Ach, Ihr versteht mich nicht!

 

MEPHISTOPHELES:

Das tut mir herzlich leid! Doch ich versteh — daß Ihr sehr gütig seid.

 

(Gehn vorüber.)

 

FAUST:

Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,

Gleich als ich in den Garten kam?

 

MARGARETE:

Saht Ihr es nicht, ich schlug die Augen nieder.

 

FAUST:

Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm?

Was sich die Frechheit unterfangen,

Als du jüngst aus dem Dom gegangen?

 

MARGARETE:

Ich war bestürzt, mir war das nie geschehn;

Es konnte niemand von mir Übels sagen.

Ach, dacht ich, hat er in deinem Betragen

Was Freches, Unanständiges gesehn?

Es schien ihn gleich nur anzuwandeln,

Mit dieser Dirne gradehin zu handeln.

Gesteh ich's doch! Ich wußte nicht, was sich

Zu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte;

Allein gewiß, ich war recht bös auf mich,

Daß ich auf Euch nicht böser werden konnte.

 

FAUST:

Süß Liebchen!

 

MARGARETE:

Laßt einmal!

 

(Sie pflückt eine Sternblume und zupft die Blätter ab, eins nach dem andern.)

 

FAUST:

Was soll das? Einen Strauß?

 

MARGARETE:

Nein, es soll nur ein Spiel.

 

FAUST:

Wie?

 

MARGARETE:

Geht! Ihr lacht mich aus.

 

(Sie rupft und murmelt.)

 

FAUST:

Was murmelst du?

 

MARGARETE (halblaut):

Er liebt mich — liebt mich nicht.

 

FAUST:

Du holdes Himmelsangesicht!

 

MARGARETE (fährt fort):

Liebt mich — nicht — liebt mich — nicht —

 

(Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.)

 

Er liebt mich!

 

FAUST:

Ja, mein Kind! Laß dieses Blumenwort Dir Götterausspruch sein. Er liebt dich!

Verstehst du, was das heißt? Er liebt dich!

 

(Er faßt ihre beiden Hände.)

 

MARGARETE:

Mich überläuft's!

 

FAUST:

O schaudre nicht! Laß diesen Blick,

Laß diesen Händedruck dir sagen

Was unaussprechlich ist:

Sich hinzugeben ganz und eine Wonne

Zu fühlen, die ewig sein muß!

Ewig! — Ihr Ende würde Verzweiflung sein

Nein, kein Ende! Kein Ende!

 

(Margarete drückt ihm die Hände, macht sich los und läuft weg. Er steht einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.)

 

MARTHE (kommend):

Die Nacht bricht an.

 

MEPHISTOPHELES:

Ja, und wir wollen fort.

 

MARTHE:

Ich bät Euch, länger hier zu bleiben,

Allein es ist ein gar zu böser Ort.

Es ist, als hätte niemand nichts zu treiben

Und nichts zu schaffen,

Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,

Und man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt.

Und unser Pärchen?

 

MEPHISTOPHELES:

Ist den Gang dort aufgeflogen. Mutwill'ge Sommervögel!

 

MARTHE:

Er scheint ihr gewogen.

 

MEPHISTOPHELES:

Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.

 

EIN GARTENHÄUSCHEN

 

Margarete springt herein, steckt sich hinter die Tür, hält die Fingerspitze an die Lippen und guckt durch die Ritze.

 

MARGARETE:

Er kommt!

 

FAUST (kommt):

Ach, Schelm, so neckst du mich! Treff ich dich!

 

(Er küßt sie.)

 

MARGARETE (ihn fassend und den Kuß zurückgebend):

Bester Mann! von Herzen lieb ich dich!

 

(Mephistopheles klopft an.)

 

FAUST (stampfend):

Wer da?

 

MEPHISTOPHELES:

Gut Freund!

 

FAUST:

Ein Tier!

 

MEPHISTOPHELES:

Es ist wohl Zeit zu scheiden.

 

MARTHE (kommt):

Ja, es ist spät, mein Herr.

 

FAUST:

Darf ich Euch nicht geleiten?

 

MARGARETE:

Die Mutter würde mich — Lebt wohl!

 

FAUST:

Muß ich denn gehn? Lebt wohl!

 

MARTHE:

Ade!

 

MARGARETE:

Auf baldig Wiedersehn!

 

(Faust und Mephistopheles ab.)

 

MARGARETE:

Du lieber Gott! was so ein Mann

Nicht alles, alles denken kann!

Beschämt nur steh ich vor ihm da

Und sag zu allen Sachen ja.

Bin doch ein arm unwissend Kind,

Begreife nicht, was er an mir findt.

 

(Ab.)

 

WALD UND HÖHLE

 

FAUST (allein):

Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,

Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst

Dein Angesicht im Feuer zugewendet.

Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,

Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht

Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,

Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust

Wie in den Busen eines Freunds zu schauen.

Du führst die Reihe der Lebendigen

Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder

Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.

Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,

Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste

Und Nachbarstämme quetschend niederstreift

Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert,

Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst

Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust

Geheime tiefe Wunder öffnen sich.

Und steigt vor meinem Blick der reine Mond

Besänftigend herüber, schweben mir

Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch

Der Vorwelt silberne Gestalten auf

Und lindern der Betrachtung strenge Lust.

 

O daß dem Menschen nichts Vollkommnes wird,

Empfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,

Die mich den Göttern nah und näher bringt,

Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr

Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,

Mich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts,

Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.

Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer

Nach jenem schönen Bild geschäftig an.

So tauml ich von Begierde zu Genuß,

Und im Genuß verschmacht ich nach Begierde.

 

Mephistopheles tritt auf.

 

MEPHISTOPHELES:

Habt Ihr nun bald das Leben gnug geführt?

Wie kann's Euch in die Länge freuen?

Es ist wohl gut, daß man's einmal probiert

Dann aber wieder zu was Neuen!

 

FAUST:

Ich wollt, du hättest mehr zu tun,

Als mich am guten Tag zu plagen.

 

MEPHISTOPHELES:

Nun, nun! ich laß dich gerne ruhn,

Du darfst mir's nicht im Ernste sagen.

An dir Gesellen, unhold, barsch und toll,

Ist wahrlich wenig zu verlieren.

Den ganzen Tag hat man die Hände voll!

Was ihm gefällt und was man lassen soll,

Kann man dem Herrn nie an der Nase spüren.

 

FAUST:

Das ist so just der rechte Ton!

Er will noch Dank, daß er mich ennuyiert.

 

MEPHISTOPHELES:

Wie hättst du, armer Erdensohn

Dein Leben ohne mich geführt?

Vom Kribskrabs der Imagination

Hab ich dich doch auf Zeiten lang kuriert;

Und wär ich nicht, so wärst du schon

Von diesem Erdball abspaziert.

Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen

Dich wie ein Schuhu zu versitzen?

Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein

Wie eine Kröte Nahrung ein?

Ein schöner, süßer Zeitvertreib!

Dir steckt der Doktor noch im Leib.

 

FAUST:

Verstehst du, was für neue Lebenskraft

Mir dieser Wandel in der Öde schafft?

Ja, würdest du es ahnen können,

Du wärest Teufel gnug, mein Glück mir nicht zu gönnen.

 

MEPHISTOPHELES:

Ein überirdisches Vergnügen.

In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen

Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,

Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,

Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,

Alle sechs Tagewerk im Busen fühlen,

In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,

Bald liebewonniglich in alles überfließen,

Verschwunden ganz der Erdensohn,

Und dann die hohe Intuition —

 

(mit einer Gebärde)

 

Ich darf nicht sagen, wie — zu schließen.

 

FAUST:

Pfui über dich!

 

MEPHISTOPHELES:

Das will Euch nicht behagen; Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen.

Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,

Was keusche Herzen nicht entbehren können.

Und kurz und gut, ich gönn Ihm das Vergnügen,

Gelegentlich sich etwas vorzulügen;

Doch lange hält Er das nicht aus.

Du bist schon wieder abgetrieben

Und, währt es länger, aufgerieben

In Tollheit oder Angst und Graus.

Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne,

Und alles wird ihr eng und trüb.

Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,

Sie hat dich übermächtig lieb.

Erst kam deine Liebeswut übergeflossen,

Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;

Du hast sie ihr ins Herz gegossen,

Nun ist dein Bächlein wieder seicht.

Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,

Ließ es dem großen Herren gut,

Das arme affenjunge Blut

Für seine Liebe zu belohnen.

Die Zeit wird ihr erbärmlich lang;

Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn

Über die alte Stadtmauer hin.

«Wenn ich ein Vöglein wär!«so geht ihr Gesang

Tage lang, halbe Nächte lang.

Einmal ist sie munter, meist betrübt,

Einmal recht ausgeweint,

Dann wieder ruhig, wie's scheint,

Und immer verliebt.

 

FAUST:

Schlange! Schlange!

 

MEPHISTOPHELES (für sich):

Gelt! daß ich dich fange!

 

FAUST:

Verruchter! hebe dich von hinnen,

Und nenne nicht das schöne Weib!

Bring die Begier zu ihrem süßen Leib

Nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!

 

MEPHISTOPHELES:

Was soll es denn? Sie meint, du seist entflohn,

Und halb und halb bist du es schon.

 

FAUST:

Ich bin ihr nah, und wär ich noch so fern,

Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren

Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn,

Wenn ihre Lippen ihn indes berühren.

 

MEPHISTOPHELES:

Gar wohl, mein Freund! Ich hab Euch oft beneidet

Ums Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.

 

FAUST:

Entfliehe, Kuppler!

 

MEPHISTOPHELES:

Schön! Ihr schimpft, und ich muß lachen. Der Gott, der Bub' und Mädchen schuf,

Erkannte gleich den edelsten Beruf,

Auch selbst Gelegenheit zu machen.

Nur fort, es ist ein großer Jammer!

Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer,

Nicht etwa in den Tod.

 

FAUST:

Was ist die Himmelsfreud in ihren Armen?

Laß mich an ihrer Brust erwarmen!

Fühl ich nicht immer ihre Not?

Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehauste?

Der Unmensch ohne Zweck und Ruh,

Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste,

Begierig wütend nach dem Abgrund zu?

Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen,

Im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld,

Und all ihr häusliches Beginnen

Umfangen in der kleinen Welt.

Und ich, der Gottverhaßte,

Hatte nicht genug,

Daß ich die Felsen faßte

Und sie zu Trümmern schlug!

Sie, ihren Frieden mußt ich untergraben!

Du, Hölle, mußtest dieses Opfer haben.

Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen.

Was muß geschehn, mag's gleich geschehn!

Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen

Und sie mit mir zugrunde gehn!

 

MEPHISTOPHELES:

Wie's wieder siedet, wieder glüht!

Geh ein und tröste sie, du Tor!

Wo so ein Köpfchen keinen Ausgang sieht,

Stellt er sich gleich das Ende vor.

Es lebe, wer sich tapfer hält!

Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.

Nichts Abgeschmackters find ich auf der Welt

Als einen Teufel, der verzweifelt.

 

Date: 2015-12-13; view: 355; Нарушение авторских прав; Помощь в написании работы --> СЮДА...



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