Главная Случайная страница


Полезное:

Как сделать разговор полезным и приятным Как сделать объемную звезду своими руками Как сделать то, что делать не хочется? Как сделать погремушку Как сделать так чтобы женщины сами знакомились с вами Как сделать идею коммерческой Как сделать хорошую растяжку ног? Как сделать наш разум здоровым? Как сделать, чтобы люди обманывали меньше Вопрос 4. Как сделать так, чтобы вас уважали и ценили? Как сделать лучше себе и другим людям Как сделать свидание интересным?


Категории:

АрхитектураАстрономияБиологияГеографияГеологияИнформатикаИскусствоИсторияКулинарияКультураМаркетингМатематикаМедицинаМенеджментОхрана трудаПравоПроизводствоПсихологияРелигияСоциологияСпортТехникаФизикаФилософияХимияЭкологияЭкономикаЭлектроника






Die zweite Schau 6 page





 

Die erste Nacht, die ich in klarem Bewußtsein durchlebe, liegt hinter mir.

Nein, es war kein Zufall, daß mich so tiefe Müdigkeit überfallen hatte! Aber in dieser Müdigkeit wuchs in mir der eiserne Entschluß hoch, den ersten Angriff zu wagen. Den Schlaf wollte ich überwinden, der da heranschlich, – den Mörder der "Schwerzuweckenden", – indem ich ihn wie Gift vertriebe durch Gegengift. Darum rief ich das "Gegengift": die Fürstin Chotokalungin; sie und nicht mehr Jane.

Aber sie kam nicht, wie ich es erwartet hatte. Sie gehorchte mir nicht. Sie blieb hinter dem Vorhang meiner Sinne. – Ich fühlte deutlich ihr Lauern hinter dem Vorhang...

Am Ende war es gut so. Ganz besonders gut. Denn durch dieses Warten auf die Feindin konzentrieren sich alle meine Kräfte desto mächtiger auf sie; und ich fühlte von Herzschlag zu Herzschlag den Haß in mir wachsen, der den "Drachenblick" schärft, – – wie ich glaubte!

 

Doch in jener Nacht habe ich eine furchtbare Lehre empfangen dank dem Geschick, das mir diese Lehre rechtzeitig gab: Über sein Ziel hinauswachsender Haß schwindet!

Nur der Haß hielt mich wach in jener Nacht. Und nur zunehmender Haß erneute diese Wirkung des Wachhaltens, genau wie nur verdoppelte Dosis eines Giftes einen erschlafften Körpers wieder aufzupeitschen vermag. Dann aber stand ich vor dem Augenblick, wo mir die Kraft zu neuer Verdoppelung des Hasses versagte, und da begann der Haß zu schwinden wie Flugsand zwischen offenen Fingern. Und mit ihm verrann mein Wachsein in immer dichteren, immer näheren Nebeln des geistigen Zerfließens und der unbeschreiblichsten Müdigkeit, die eine Schwester ist allen trägen Verzeihens und Verzichtens und der unterschiedslosen Wollust. – Ob Assja bei mir war? Gesehen habe ich es nicht!

 

Die letzte Stunde vor Tagesanbruch bin ich halb besinnungslos von Stube zu Stube getobt. Nichts mehr aus den Geheimnissen und Vorschriften der Willensbeherrschung schien mir vertrauenswürdig und verläßlich genug. Elend und gedemütigt habe ich mich in herzklopfender Angst nur noch dem dumpf mechanischen Trieb überlassen, den Schlaf abzuwehren, der mir jeden Augenblick die Mohnmaske übers Gesicht zu stülpen suchte und mich vor Sonnenaufgang nicht besiegen durfte, – indem ich in rastloser Unruhe hin und her lief, um die Gewalt über meinen Leib nicht zu verlieren.

 

 

So, nur so hab ichs gezwungen, nicht als Wehrloser in die Fallstricke der lauernden Feindin zu fallen. –

Als die Morgenröte sich fahlgelb auf meinen Fensterscheiben malte, brach ich mitten in meiner krampfhaften Unrast zusammen und erwachte erst am späten Nachmittag wieder auf meiner Ottomane, zerschlagen am Leib und mit gebrochenen Kräften meiner allzu übermütig gewesenen Seele. – – Man kann also auch unterliegen und zugrunde gehen an übertriebenem Widerstand, begriff ich.

Ich habe drei Tage lang Zeit, mir diese Lehre einzuhämmern, kam mir ein innerer Wissen irgendwie zu Gefühl.

Da ich das Werk begonnen habe, muß ich es auch zu Ende führen: so lautete die Anweisung Lipotins...

 

Lipotin! Stundenlang muß ich nachdenken über ihn und seine Absichten. – Ist er je mein Freund gewesen, als er mir so beflissen Ratschläge gab und mich auf Tantrarezepte hinwies?...??

 

Wann sind diese letzten Worte, die mit dem dreifachen Fragezeichen enden, von mir geschrieben worden? Die Zeit hat keine Statt mehr dort, wo ich bin. Die Menschen auf der besonnten Erde würden vielleicht sagen: es war vor drei, vier Tagen. Möglicherweise sind es ebensoviel Jahre...

 

 

Für mich hat die Zeit keinen Sinn mehr; und ebenso keinen Sinn mehr hat das Schreiben. Darum sei es nun mit dieser Niederschrift getan, die das Vergangene aufbewahrt und das Vergangene zu seinem Ziel in der ewigen Gegenwart des Baphomet führt. – Und so, in der Klarheit des Endes wohnend, trage ich die Erzählung der letzten Irrtümer und erdhaften Geschehnisse ein.

 

Am dritten Abend nach jenem Tage des sieglosen Erwachens war ich zum andern Male "bereit."

Oh, wie gewitzigt kam ich mir vor, diesmal nicht mit dem "feuergefährlichen Panzer des Hasses" angetan, auf die Feindin zu warten. Mit stolzem Selbstvertrauen verließ ich mich auf meinen in Vajroli Mudra gestählten Willen und baute auf die Erkenntnis, die ich wähnte mir erworben zu haben in den letzten "drei Tagen", was den verborgenen Sinn dieser verhüllten Methode betrifft. Mit klarem Denken alles zu erfassen, das war mir nicht gelungen, aber mit Instinkt und Gefühl es zu durchschauen, glaubte ich, sei mir geglückt. Der Fürstin Assja Chotokalungin in Gleichmut, – ja nicht ohne Güte zu gedenken, war mein Bemühen. Nicht mit Strenge rief ich sie: ich lud sie ein zu gleichsam billigem Vergleich.

 

 

Sie kam – nicht.

Ich wachte; ich suchte sie wie das vorige Mal zu spüren, als die hinter dem Vorhang meiner Sinne lauernde Verführerin. Sie war auch dort nicht. Überall in den drei Welten lag ein sanftes Schweigen.

 

Ich übte Geduld, denn Ungeduld, das fühlte ich bald, wollte mich zum Haß verleiten, und auf diesem Kampfpatz war ich ihr nicht gewachsen.

 

 

Nichts geschah. Dennoch wußte ich: in dieser Nacht fällt die Entscheidung!

 

Wunderliche Bilder und Gedanken beschlichen mein Gehirn um die zweite Stunde nach Mitternacht; als sei meine Seele ein wasserheller Spiegel geworden, sah ich darin mit schmerzendem Mitgefühl Assja Chotokalungins Schicksal und sie selbst als erbarmungsloses Opfer inmitten an mir vorüberziehen: die einst so fröhliche Gastgeberin, immer zu Scherz und harmlosem Geplänkel geneigt, das verwöhnte Kind aus großem Hause, zur problematischen Frau erst geworden nach nervenzerrüttender Flucht aus den Klauen der bolschewistischen Tscheka, hinausgejagt in das Leben der Vertriebenen und Heimatlosen. Ein Schicksal unter vielen – gewiß! –, aber ein Schicksal mit welchem Wandel doch des Glücks und nach welchen Erlebnissen voll Grauen! Und trotz allem: im Grunde eine tapfere, unverwüstlich dem Leben zugewandte Frau, die eine dunkle Veranlagung – die Erbschaft wilden Blutes – zum beklagenswerten Opfer dämonischer Mächte gemacht und in ein frühes grausames Ende hinabgestoßen hatte! – Gebüßt, gebüßt war doch längst, was da an Erbschuld über sie verhängt gewesen sein mochte! Ein armes Medium war sie gewesen im schlimmsten Fall, so sagte ich mir, ein Medium durch Schicksalsverflechtung, die wir gerechten Menschen hinterdrein so gerne "Schuld" nennen. – – – Groß und gewaltig schoß da der Gedanke in mir auf: erlösen will ich sie durch die Stärke meines Willens, meines zuvor gesicherten Willens! Das soll der Sinn der geheimnisvollen Vajroli Mudra sein: einziehen will ich sie in mich, auf daß sie genese von allem Haß. Nicht hassen werde ich sie, aber auch nicht lieben, damit ich zugleich mit mir eine arme Seele befreien kann. – –

 

 

Das war die letzte Vorstellung gewesen, die mir aus dem Denken kam, denn gleich darauf lag Assja Chotokalungin neben mir und schaute aus den Kissen meines Bettes empor zu mir mit den Zügen und Blicken der glücklichen, siebzehnjährigen, jungfräulichen, verwöhnten Prinzessin aus dem Schlosse Jekaderinodar. – Und die unschuldige Kind umklammerte mich als ihren Retter; – und das Seltsamste war: als ihren Retter vor sich selbst, vor der Assja, die im bösen Bann der pontischen Isaïs als ihre verpflichtete Priesterin stand...

Wie sonderbar, daß sie nicht zu wissen schien, sie sei selber jene Assja? Als Hilfesuchende an meiner Brust vor jener anderen gab sie sich ganz hin...

 

Dann war der Sukkubus plötzlich verschwunden. Mein Leib war elend und schwach und entnervt wie nach unvorstellbaren, korybantischen Orgien, die ebensogut ein Jahr wie eine Nacht gewährt haben mochten, aber ich achtete es nicht, denn Melodien umklangen mich mit Äolsharfentönen. Worte fanden sich dazu und liefen wie süßes Gift durch mein Blut. Dann, wie ein Lied aus frühen Kindheitstagen, durchzitterte mich plötzlich ein Vers und ließ mich nicht mehr los:

 

 

Aus dem abnehmenden Mond –
Aus der silbertauenden Nacht – –
Schau mich an,
Schau mich an,
Die du immer mein gedacht – – –
Die du immer dort gewohnt!...

 

 

Noch hatte ich diesen Reim auf unermüdlichen Lippen, da stand Lipotin am Fußende meines Lagers, reckte den rotumwundenen Hals wie ein durstiger Storch und lauschte und lächelte und nickte.

 

Dann sagte er leise, und die Worte klangen in der Kanüle wider gleich Schrotperlen, die auf eine Glasplatte träufeln, und die Luft zischte hörbar zur Seite unterm Halstuch hervor:

 

"Ehüm, Verehrtester, ehüm – – sind wir also doch der Schwächere gewesen?! Tut mir leid, wertester Gönner, tut mir aufrichtig leid. Aber ich kann nur dem Stärkeren dienen. Sie wissen, es ist das eine meiner Charaktereigentümlichkeiten. Ich kehre mit Bedauern zur Gegenpartei zurück. Ihnen das zu sagen, ist alles, was ich tun kann. Sie werden dieses Maß von treuer Gesinnung zu würdigen verstehen! – Nach landläufigen Begriffen sehe ich Sie – 'verloren'. Nichtsdestoweniger beglückwünsche ich Sie zu Ihrem Sieg als... ehüm... als Kavalier! – Gestatten Sie, daß ich mich hiermit von Ihnen verabschiede; das Geschäft ruft, so glaube ich wenigstens. Wie ich im Kaffeehaus gehört habe, soll ein reicher Fremder aus Chile die Ruine Elsbethstein gekauft haben. Vielleicht sind noch andere altertümliche Dolche dort vergraben. Doktor Theodor Gärtner soll der Herr heißen. Habe den Namen übrigens nie gehört. Also, Verehrtester!" – er winkte mir mit der Hand – "also: sterben Sie wohl!"

 

 

Ich war unfähig, mich zu erheben, unfähig zu irgendeiner Antwort. Las noch von seinen süßen Lippen die Worte: "Die Dugpas lassen Sie bestens grüßen", dann verbeugte er sich zeremoniell an der Türe, und ich glaubte in seinen Augen alles höhnische Triumphleuchten der Hölle gesehen zu haben, das die menschliche Phantasie sich nur auszumalen vermag.

Ich habe Lipotin niemals wiedergesehen.

 

"Theodor Gärtner!" – Das war das erste Wort, das mich aus meiner Betäubung emporriß. Theodor Gärtner? Er ist doch im Stillen Ozean ertrunken! Oder bin ich wahnsinnig gewesen, als Lipotin seinen Namen nannte?... Von Schwäche und Schwindel ergriffen, fiel ich immer wieder auf mein Lager zurück, und als ich mich endlich doch mit unsäglicher Mühe erhob, stand in mir die Überzeugung fest, daß das Spiel verloren und ich einem Untergang, unbekannt welcher Art und nur desto grausiger auftauchend aus den Tiefen meines Ahnungsgefühls, unrettbar verfallen war. Die Totenmaske meines Vetters John Roger schwebte für eine Sekunde vor meinem innern Blick.

Oh, wie unsäglich leicht, wie lächerlich mühelos hatte mich die dämonische List der schwarzen Isaïs besiegt! – –

Unnötig, den Abgrund der Schmach, der betrogenen Eitelkeit männlichen Kraftgefühls und, schlimmer als das: den Abgrund der eigenen Dummheit zu schildern, der mir entgegengähnte.

Sollte ich Jane rufen? Ich fühlte, wie mein Herz flehte, ich möchte es tun, aber ich überwand mich und schwieg. Ich darf sie nicht stören im Reich des ewigen Lebens, denn vielleicht könnte es doch sein, daß sie mich hört, sagte ich mir. Vielleicht störe ich sie auf in einem Traum, sie sei für ewig dort vereint mit mir, – vielleicht reiße ich sie herab durch meinen Schrei in die Erbarmungslosigkeit des unendlichen Lebens fern von dem ihrigen, herab in den Bannkreis der Erde, wo die Liebe nichts vermag und der Haß alles.

So blieb ich regungslos hingestreckt, zurückgesunken wieder auf mein Bett, und erwartete die Nacht. Heller als sonst schien lange noch die Sonne in mein Zimmer, und ich dachte bei mir: wäre ich doch wie Josua, der sie hat stillstehen gemacht. – – –

Wieder um die zweite Stunde der Finsternis lag Assja bei mir, und alles spielte sich ab genau wie in der Nacht vorher. Auch die Selbstbelügung faßte mich wieder, ich sei ein Erlöser... und alles, alles andere!...

Von nun an gehörte die Liebe meiner Sinne ganz und gar dem Sukkubus. Und der verzweifelte Kampf meiner Seele und meiner Vernunft mit dem Lockgespenst dieser meiner vergifteten Sinne ließ mich alle Martern und Qualen der Anachoreten und Heiligen, die das entsetzliche Prüfungsfeuer der Versuchung erlitten haben als immerwährenden Tod des Verdurstens, ohne Barmherzigkeit auskosten bis auf jenen letzten Grund, wo entweder das Gefäß in Scherben geht oder Gott selber den Kerker zerschlägt. Gott ließ mich den Kerker im allerletzten Augenblick zerschlagen; aber ich werde in kurzen Worten aufzeichnen, wie das geschah.

 

 

Zuvor kam die Hölle.

In allen Gestalten kam Assja Chotokalungin – auch bei Tag – in allen Reizen und betörenden Kräften ihrer wilden und zarten Seele und mit allen Lockungen ihrer einer königlich nackten irdischen Schönheit immer leuchtender entwachsenden Herrlichkeit.

 

Assja Chotokalungin war allerorten. – Ich fand nach unsäglichen Mühen gewisse Worte der Bannung, und da verließ sie mich mit der Schwermut der unverstandenen Geliebten, ohne Vorwurf, nur Verzeihung erbitternde Trauer in den Augen; es kostete mich unbeschreibliche Anstrengung, mein Herz zu verhärten und diesen Blick um Erlösung standzuhalten...

 

Doch bald darauf wurde sie sichtbar in allen Dingen um mich her, die spiegelnd das Licht zurückwarfen: in der Politur der Schränke, in der Wasserfläche meines Trinkbechers, im Glanz einer Messerklinge, in den opalblinden Fensterscheiben, im Schimmer der Karaffen, in den Prismen meines Kronleuchters und in der Glasur der Ofenkacheln. – Verhundertfacht war meine Qual, denn Assja war wie zurückgewichen in eine andere Ebene meiner Sinne und dennoch beständig in sengender Nähe. Hatte ich sie vorher zu vertreiben gesucht mit meinem Willen, so kehrte sich mein Wille jetzt um in mir und – – ich sehnte mich nach ihr: ich wurde zerrissen von zwiespältigen Sehnsüchten, von denen die eine sie wegwünschte, die andere sie herbeiflehte...

 

 

Da trat ich, übermannt von brennender Sinngier, vor den florentinischen grünen Spiegels Lipotins, den ich bis dahin mit einem Tuch und abgewendeten Gesichtes verdeckt gehabt aus dumpfer Angst, Assja könnte mir daraus leibhaftig entgegentreten, wie einst Theodor Gärtner, – enthüllte ihn und blickte, nicht länger mehr Herr meiner selbst, hinein:

Sie stand darin wie lebend, breitete die nackte Brust nach mir, und ihre Augen flehten um Gnade mit dem süßen Blick der himmlischen Jungfrau. Ich fühlte mit Grauen und Entsetzen: dies muß mein Ende sein! –

 

Mit letzter Kraft raffte ich mich auf und schlug in wildem Grimm und in Verwirrung zugleich mit geballter Faust in das Glas, daß es in tausend Splitter zerklirrte.

Doch mit den Scherben drang mir ihr Bild vielhundertfach durch Wunden ins Blut und sengte und brannte darin wie Nesselfeuer. Und in den spiegelnden Flächen der zerborstenen Scheibe auf dem Boden verstreut rings um mich her: Assja, Assja, die Nackte, die Saugende, Verzehrende, Gierige, zahllos vervielfacht. Und sie löste sich von den Bildern wie eine Badende, die aus dem Wasser steigt, trat lächelnd von allen Seiten wie ein Sirenenheer der Verführung auf mich zu mit dem wohligen Atem ihrer hundert Leiber...

 

Die Luft um mich wurde zum Geruch ihrer Haut, und das war das traumhaft Süßeste, Versengendste und Frühlingslieblichste, was ich mich entsinnen kann, je in meinem Leben eingesogen zu haben. – Ein Kind weiß, wie Gerüche betäuben und selig einschlafen machen...

 

Und dann, dann fing Assja-Isaïs an, mich einzuhüllen in ihre Aura, in ihren Astralleib. Unverwandt schaute sie mich an mit dem funkelnden Unschuldsblick des Reptils, das es für die Pflicht seiner Art hält, zu töten... Sie drang mir mit der Essenz ihres Wesens unter die Haut und umwuchs mich, durchwuchs mich. – Wo war da noch Rettung, Abwehr, Widerstand!

 

 

Abermals sank ich in den Zauberbann der Melodie, die von innen und außen her in mein Ohr drang:

Aus dem abnehmenden Mond,
Aus der silbertauenden Nacht
Schau mich an – – –

 

Ich fühlte: es ist mein Sterbelied... da riß ein jäher Gedanke mich vom Rande des Grabes zurück, das die Schwelle der "achten Welt" genannt wird von den Wissenden und vollkommene Zerstörung bedeutet, – der Gedanke: noch habe ich den Dolch meiner Ahnen, der Hoël Dhats!...

 

Ob wohl ein Gedanke Feuer erzeugen kann? Feuer schläft rings um die Menschheit her, verborgen, unsichtbar, und doch überall. Ein geheimes Wort vielleicht, und... im Nu kann es erwachen und die gesamte Welt verschlingen.

 

 

Als habe der bloße Gedanke an den Dolch das Feuer gerufen, so schlug urplötzlich aus dem Boden vor mir eine Flamme auf, riesenhaft, zischend wie explodierender Mehlstaub, daß das ganze Zimmer in Glut getaucht war... Mitten hinein habe ich mich gestürzt: hindurch, nur hindurch, und sollte ich lebendig verbrennen! Hindurch: den Dolch will ich fassen und haben! –

 

Wie ich hindurch gelangt bin durch diese Mauer von Feuer, ich weiß es nicht, aber hindurch bin ich gekommen in mein Schreibzimmer! Habe den Dolch aus dem Tulakästchen gerissen. Hab seinen Griff umklammert, wie einst John Dee, als er bereits im Sarg gelegen. Habe den Bartlett Green, der vor mir aufschoß und ihn mir entwinden wollte, zurückgestoßen mit einem Hieb, der ihm das gräßliche Birkauge traf, daß er taumelnd zurücksank... Bin die Treppe hinabgerast durch ein Funkenmeer und erstickenden, würgenden Rauch. – – Hab mich mit der vollen Wucht meines Körpers gegen die verschlossene Türe geworfen, daß sie krachend aus der Füllung flog...

Kalte, frische Nachtluft wehte mir entgegen. Mein Bart und mein Haupthaar versengt; die Kleider kohlten und glimmten.

 

 

Wohin? Wohin soll ich mich wenden?

Hinter mir höre ich donnernd brennende Balken stürzen, ergriffen von dem übernatürlichen, magisch erweckten unlöschbaren Feuer... Nur fort, nur fort von hier! Den Dolch halte ich fest in der Hand. Mehr gilt er mir als irgendein Leben in dieser oder in jener Welt – – da: vor mir steht wie eine Vision und will mich aufhalten vor meinem Sprung in die Rettung: die königlich milde Frau, die ich gesehen habe als Erscheinung in den verwilderten Parkgründen von Elsbethstein, und jubeln will ich:

 

Das ist Elisabeth, die Königin in meinem Blute, die Elisabeth John Dees, die holdselig Wartende und Gesegnete! – – und ich sinke nieder vor ihr auf die Knie, unbekümmert, ob das Feuer der Dugpas nach mir greift... Da als ginge vom Dolch in meiner Faust ein erkennender, durchschauender Gedanke in mein Hirn über: klar weiß ich und plötzlich kalt bewußt: eine Maske ist es, ein Irrlicht, ein Bild nur, gestohlen von den Trügerischen der Finsternis, vorgestellt, hingespiegelt, um mich zurückzureißen ins Verderben...

 

Die Augen geschlossen, habe ich mich durch das Phantom gestürzt. Bin gerannt wie ein Gehetzter von der wilden Jagd; ergriffen und erhellt von einer leuchtenden Ahnung: hin, hin nach Elsbethstein! Gezogen bin ich – Flügel an den strauchelnden Füßen, gehalten, beschirmt von unsichtbaren Händen, ohne den furchtbaren Lauf meines Körpers zu hemmen, ohne das Bersten der Pulse zu achten, bis ich oben stehe auf der Zinne der Burg...

 

Hinter mir: der Himmel wie Blut, als lohe die ganze Stadt unter dem Feueratem der Hölle...

 

So zog einst auch John Dee, der Ruhelose, von Mortlake, und hinter ihm brannte seine Vergangenheit mit allen ihren Würden und Werten, mit allen ihren Irrtümern und allen ihren Verdiensten: so zieht es mir durch den Sinn.

Eins aber besitze ich, was er verloren hatte: den Dolch! – Heil ihm, meinem Ahnen John Dee, daß er in mir wieder auferstanden ist und "Ich" sein kann.

Date: 2015-09-05; view: 268; Нарушение авторских прав; Помощь в написании работы --> СЮДА...



mydocx.ru - 2015-2024 year. (0.008 sec.) Все материалы представленные на сайте исключительно с целью ознакомления читателями и не преследуют коммерческих целей или нарушение авторских прав - Пожаловаться на публикацию