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Burg Elsbethstein





 

"Hast du den Dolch?"

"Ja."

"Das ist gut."

Theodor reicht mir beide Hände hin. Ich ergreife sie, nicht anders, als wie ein Sinkender nach der Hand des Retters faßt. Und sogleich fühle ich den belebenden Strom von Wärme und Güte, der von ihnen auf mich überfließt; und die Angst, die mich eng wie ein Mumienleib umwickelt hält, beginnt sich zu lockern.

Ich sehe einen Schein von Lächeln in den Zügen meines Freundes:

"Nun, hast du die schwarze Isaïs besiegt?" – die Frage kommt wie nebensächlich und ohne jeden beunruhigenden Unterton aus seinem Munde; dennoch umdröhnt sie mein Ohr wie die Posaune des Gerichtes, und ich beuge mich tief.

"Nein."

"So wird sie auch hierher in unser Reich kommen, denn sie ist beständig da, wo sie noch ein Recht einzufordern hat."

Die Bänder der Angst ziehen wieder an: –

"Unmenschliches habe ich versucht!"

 

"Ich kenne deine Versuche."

"Meine Kraft ist zu Ende."

"– Und du hast wirklich geglaubt, daß schwarze Kunst die Verwandlung bewirkt?"

"Vajroli Tantra?!" – rufe ich und starre Theodor Gärtner an.

"Ein letzter Gruß der Dugpas, dich zu zerstören! Wenn du wüßtest, welche Kraft dazu gehört, Vajroli Tantra zu üben, ohne zugrunde zu gehen! Nur Asiaten bringen so etwas fertig! – Genug, daß du zweimal gereichtes Gift überstanden hast. Das hast du aus eigener Kraft getan, und darum bist du der Hilfe wert."

 

"Hilf mir!"

Theodor Gärtner wendet sich und winkt mir, ihm zu folgen.

Jetzt erst öffnen sich gleichsam meine äußeren Sinne langsam der Umgebung, in der ich mich vorfinde.

Das ist ein Turmgemach. In der Ecke ein mächtiger Kamin und davor der große Herd der alchimistischen Laboranten. Ringsum der ganze Raum erfüllt von Regalen, auf denen die Utensilien und Werkzeuge der Meister in dieser Kunst ordentlich und rein umherstehen.

 

Ist das John Dees Küche? Langsam dämmert mir die Erkenntnis: ich bin "drüben" im jenseitigen Reich der Ursachen. Der Raum hier ist dem irdischen so ähnlich und unähnlich zugleich, wie das Gesicht des Kindes dem des Greises gleicht. – Beklommen frage ich:

 

 

"Sag mir offen, Freund, bin ich tot?"

Theodor Gärtner zögert eine Weile, lächelt dann verschmitzt und sagt doppelsinnig:

"Im Gegenteil! Jetzt bist du ein Lebendiger." – Er ist im Begriff gewesen, den Raum zu verlassen, und lädt mich nun mit einer Bewegung seiner Hand ein, ihn zu begleiten.

Wie ich so an ihm vorüberschreite, er die Türklinke hält, begegnet mir mit ihm das gleiche, was mir zuvor den Raum so altbekannt und vertraut hat erscheinen lassen: mir ist, als ob ich dieses Gesicht schon früher, viel, viel früher als in diesem Leben gesehen haben müßte. – – Doch lenken mich alsbald andere Eindrücke von erneuten Grübeleien ab. Wir gehen über den Schloßhof der Burg. Nirgends Spuren des Verfalles, nirgends das bekannte Bild der Ruine. Auch nirgends, so scharf ich auch Ausschau halte, Spuren der heißen Sprudel und ihrer gemauerten Fassung. Ich staune und kann einen fragenden Blick auf meinen Führer nicht unterlassen. Er nickt lächelnd und erklärt mir:

 

"Elsbethstein ist ein uraltes Stigma der Erde. Hier fließen seit Erdäonen die Quellen irdischen Schicksals. Aber die Quellen, die du einst gesehen hast, waren nur Vorzeichen dafür, daß wir wiedergekommen sind und Besitz genommen haben von altem Wohnrecht. Die heißen Wasser, auf die sich schon die blinde Gier der Menschen zu stürzen gedachte, sind wieder versiegt. Was jetzt hier los ist, daß bleibt den Menschen unsichtbar; sie haben Augen und – sehen nicht."

 

 

Staunend blicke ich umher. Hohe Walmdächer schließen die vertrauten Umrisse der ehemals leeren Mauern der Wohnburg ab. Schöne Hauben krönen die Türme und Warten, und all das nicht wie neuerbaut und wiederhergestellt, sondern von dem stillen, unberührten Hauch und der natürlichen Verfärbung des Alters umzogen. "Dies soll die Stätte deines Wirkens werden, wenn... wir beisammen bleiben", sagt mit flüchtiger Bewegung der Hand Theodor Gärtner und wendet sich ab. Trotz der scheinbaren Gleichgültigkeit seiner Worte zieht Beklemmung wie eine dunkle Wolke durch meine Brust.

 

 

Dann führt mich mein Freund in den alten Garten zwischen Burg und äußerem Mauerkranz.

Weit draußen sehe ich wieder den schönen Strom und das gedehnte, fruchtbar gebreitete sonnige Land, das ruhend gebettet liegt, – aber Garten und Fernsicht gemahnen mich stürmisch an Uraltbekanntes hinter dem Sichtbaren, so, wie uns allen ja das Erlebnis bekannt ist, daß wir plötzlich angesichts irgendeiner Geländelinie, einer gleichgültigen Begebenheit oder irgendeines Gesprächs schmerzlich gewaltsam meinen müssen: das haben wir schon einmal erlebt, schon einmal viel intensiver genossen.

Und plötzlich bleibe ich stehen, fasse Theodor Gärtners Hand und rufe:

"Das ist Mortlakecastle, wie ich es im Kohlenstein gesehen habe, und es ist es auch wieder nicht! – Denn es schimmert nur hervor aus Elsbethstein, aus der Ruine über dem Strom, auf der du der Herr bist. – Und du bist auch nicht Theodor Gärtner allein, sondern..."

 

Da legt er mir fröhlich lachend die Hand auf den Mund und führt ich in das Haus zurück.

Dann läßt er mich allein. Wie lang? Ich weiß es nicht zu sagen. Mir ist, wenn ich auf diese Zeit der einsamen Ruhe zurückblicke, als hätte ich auf mir unfaßbare Weise Fuß gefaßt in einer Heimat, die mir fremd geworden war seit Äonen.

 

 

Ich weiß von jener Rückschau her nichts zu sagen über den Ablauf von Zeit. Tageslauf unterschied ich später wohl, denn einmal lag Sonne über dem magischen Kreisgang unserer Gespräche und einmal Nacht, und es warfen duftende Wachskerzen große Schatten an hohe, rätselhaft verschwebende Wände. – –

 

Es mochte wohl zum drittenmal Abend geworden sein oben auf Elsbethstein, da unterbricht Theodor Gärtner ein langes Gespräch über freundliche, im ganzen aber unbedeutende Dinge. Von ungefähr, als handle es sich um die gleichgültigste und unwichtigste Sache der Welt, bemerkt er plötzlich:

"Nun wird es Zeit, daß du dich bereit hältst."

Ich schrecke auf. Unbestimmte Angst kriecht mich an.

"Du willst sagen... das heißt...?" – stottere ich hilflos.

"Drei solche Tage hätten auch Simson genügt, seine abgeschnittenen Haare sich erneuern zu lassen. Schau in dich! Deine Kraft ist bei dir!" –

Theodor Gärtners langer, so gänzlich unbesorgter Blick gibt mir fast sofort eine wunderbare Ruhe. Ich folge, ohne zu verstehen, seiner Aufforderung und schließe die Augen zur Sammlung. Kaum habe ich es getan, da erblicke ich mit dem innern Gesicht den Baphomet über mir, und das weiße, kalte Licht des Karfunkels blendet mich.

Von da an bin ich ruhig und mit meinem Schicksal einverstanden, mag es mich nun zu dem erschauten Siege geleiten oder mich vor den Augen der Unbeirrbaren verwerfen.

 

 

Ich frage gelassen:

 

"Was soll ich tun?"

"Tun? – Du sollst können!"

"Wie gelange ich zu diesem Können?"

"Zum Können gelangt man nicht durch Fragen oder Wissen in den Bereichen, in denen man seinem Schicksal begegnet. – Tue – ohne zu wissen."

"Ohne vorher zu wissen, was ich tun soll? Das..."

 

"Das ist das Schwerste." – Theodor Gärtner steht auf; er gibt mir die Hand... sagt wie zerstreut:

 

"Der Mond steht über dem Horizont. – Nimm die Waffe, die du dir wiedergewonnen hast. Geh hinunter in den Park. Dort wird dir begegnen, was dich von Elsbethstein vertreiben will. Wenn du die Wallmauer durchschreitest, findest du den Weg nach Elsbethstein nicht mehr zurück, und wir sehen uns nicht wieder. – Doch ich hoffe, daß es nicht so enden wird. Geh jetzt. Das ist alles, was ich dir zu sagen habe." – –

 

Er wendet sich mit keinem Blick nach mir zurück, als er sodann in die Dunkelheit des Raumes hineinschreitet und hinter flackernden Wandleuchtern verschwindet. Ich glaube, fern eine ins Schloß fallende Tür zu hören. – Dann ist Totenstille um mich her, und ich horche auf den Sturmschlag meines Herzens.

Soeben tauchte der Mond über eines der Burgdächer hervor, das zu dem großen Fenster hereinsieht.

Ich stehe im Burggarten, fest in der Faust den Dolch des Hoël Dhat und dennoch nicht wissend, wozu er mir dienen soll, und schaue in die Sterne. Sie schweben in der stillen Luft ohne jedes Flimmern, und diese unerschütterliche Ruhe im Weltenraum sinkt auf mich nieder mit spürbarer Kraft. Mit nichts ist mein Geist beschäftigt als mit der Abwehr des Fragens.

 

"Magie ist Tun ohne Wissen." – Der Sinn dieser Worte meines Freundes durchdringt mich, und auch aus ihnen kommt eine große Ruhe.

 

 

Wie wäre es möglich zu sagen, wie lange ich auf der zauberhaft von Mondlicht durchhellten Wiese gestanden bin! – Fern oder nah, schwer in dem smaragdenen Halblicht zu unterscheiden, steht eine mächtige Baumgruppe, zu schwarzer Masse geballt.

Von dieser Baumgruppe her kommt plötzlich ein schwankender Schein.

Er ist wie durchsichtiger Nebel, dem das Mondlicht lebendig wechselnden Schimmer verleiht. Mein Blick läßt die Erscheinung nicht mehr los: es ist eine Gestalt, leicht und bald zögernd, bald bewegter durchs Gebüsch schreitend, – sie ist dieselbe, die schon einmal, im heißen Mittagslicht, fernvorbei an mir ihr sehnsuchtsweckendes Bild gezeigt hat! Das ist der königliche Gang, das ist die unbeschreiblich geheimnisvolle Majestät der erwarteten Herrin von Elsbethstein: Königin Elisabeth, die Rätselvolle! – –

Und wie angezogen von meinem aufbrennenden Wunsch, kommt die Erscheinung näher; – vergessen und ausgelöscht ist in mir im Nu jegliche Erinnerung an die Absicht und den Zweck meines Weilens auf der nächtlichen Wiese des Gartens. Mit einem innern Jubelruf, dessen herzzerreißende Stärke in mir selbst wohl nicht mehr völlig zum Bewußtsein kommt, eile ich, bald beschleunigten Schrittes, bald wieder zögernd vor Bangigkeit, das allzu holdselige Bild möchte sich vor meiner Annäherung zurückziehen, in Nebel auflösen, sich als Trug meiner Sinne erweisen, – der Erscheinung entgegen.

Aber sie bleibt.

Sie zögert bei meinem Zögern, sie eilt bei meiner Beeilung – und dann steht die Majestätische, die Mutter, die mir übers Blut hinaus bestimmte, die Göttin John Dees, des Ahnherrn, vor mir und lächelt Verheißung und die Erfüllung uralten Sehnens.

 

Jetzt breite ich die Arme aus. Jetzt nickt sie lächelnd, ich möge ihr folgen – – jetzt streift ihre schmale, silberübergossene Hand den Dolch in der meinigen, und meine Finger wollen sich öffnen, ihr zu geben, was ihr gebührt als Geschenk.

 

 

Da blitzt ein anderer Glanz als Mondlicht von oben herein über mich. ohne Besinnen weiß ich den Baphomet über mir und den Kronkarfunkel: er blendet mich nicht, sondern ergießt sein ruhiges, kaltes, scharfes Licht. Zugleich geht ein Lächeln über die Züge der geheimnisvollen Herrin dicht vor meinem Gesicht, aber ich fühle, wie dies verzehrende, unaussprechliche Wonnen auf die Jahrtausende hinaus verheißende Lächeln einen heimlichen Kampf kämpft mit dem eisklaren Glanz des Karfunkels über mir. – Und an diesem unsäglich winzigen Lächeln der Siegesgewißheit stutzt für die Dauer eines Fittichschlags der Engelboten Gottes mein Geist, und ich wache auf aus Betäubung, – sehe, daß mir die Gabe des raumlosen Blickes verliehen ist, daß ich schauen kann, vorwärts und rückwärts im Raum wie der doppelhäutige Baphomet. Und ich sehe Frau Welt vor mir mit arglistigem Lächeln und mit dem gestohlenen Antlitz der Heiligen, – sehe sie von rückwärts aufgerissen und vom Nacken bis zu den Fesseln ihrer Füße nackt und als ein wimmelndes Grab von Nattern, Kröten, Lurchen und eklem Ungeziefer. Und während von vorn Wohlgeruch und alle Lieblichkeit und Hoheit der Göttin sich in Gestalt und Zügen abspiegeln, dringt Fäulnisgeruch aus ihrer mir abgekehrten Seite und das unauslöschlich der Seele mit unnennbarem Grauen sich einprägende Geheimnis der hoffnungslosen Verwesung. – – –

 

 

Da greift meine Hand den Dolch fester, und mein Auge und mein Herz werden leichter und froh. Freundlich sage ich zu dem Gespenst:

"Gehe, Isaïs, vom Feld der Beschwörung! – Zum zweitenmal betrügst du einen Enkel des Hoël Dhat mit der Gestalt der erwählten Herrin nicht! Gib das Spiel auf und laß dir genügen, daß du einmal im Park von Mortlake Meisterin geblieben bist. Der Irrtum ist gesühnt!"

Und indessen ich noch so spreche, geht ein Heulen und Sausen über die Wiese von einem unversehenen Windstoß, und der Mond tritt bleigrau hinter Wolken. Aus dem Windstoß scheint ein verzerrtes Gesicht in wild verzogenen Umrissen vorbeizuwirbeln, mir in Kniehöhe, einen gräßlichen Wutblick von unten herauf mir ins Gesicht bleckend, – und ein roter Bart fegt mir im Wind um die Haut; ich erkenne den alten Kameraden, Bartlett Green, den ersten Versucher John Dees.

Ein wilder Spuk bricht los. Die schwarze Isaïs wandelt blitzschnell Gestalt um Gestalt, immer verführerischer die eine als die andere, immer nackter, immer schamloser verausgabend ihre letzten Hilfskräfte. Aber immer wirkungsloser, immer elender und armseliger sich hinabwälzend in die jämmerlichen Harlekinaden der Dirne. – –

 

Dann Friede in der Luft und Stille über mir und das klare unbewegte Leuchten der Sterne. Aber als ich mich umsehe, da finde ich kaum einen Schritt von dem kleinen Pförtchen, das in die Mauer gebrochen ist und von wo der Pfad rasch und jäh hinaus und hinab in die Fremde führt.

 

Da erst kommt mir zum Bewußtsein, wie nahe ich schon der Grenze gewesen bin, die nach Theodor Gärtners Wort auf ewig die Welt von Elsbethstein abschneidet von der Welt der schwarzen Isaïs. Denn indessen ich geglaubt hatte zu stehen, hatte die Dämonin mich gezogen; und es war der allerletzte Augenblick gewesen, daß die Gnade des Baphomet mich zurückhielt und rettete. – Wohl mir, daß ich seiner würdig erachtet bin! – –

Vor mir steht Theodor Gärtner wieder und nennt mich: Bruder.

Ich höre ihn sprechen, und wenn auch viele Worte untergehen in dem Brausen des Jubels, der in mir ist, so verstehe ich doch alles, was er sagt und befiehlt. – Ich fühle: vor mir dehnt sich die güldene Kette von Wesen des Lichts, und ein Glied wird gelöst, um mich, das neue Glied, einzufügen. Ich weiß auch: es ist kein symbolischer Ritus, wie er als Abglanz von den Menschen des irdischen Schattenreichs da und dort in Konventikeln als "Mysterium" vollzogen wird, sondern es ist ein wirkendes, lebendiges, lebenspendendes Begebnis in einer andern Welt. – – "Aufgenommen, berufen, erwählt wirst du sein, John Dee!" – so schlagen im ruhigen Gesang meines Blutes die Pulse. – – –

 

 

"Breite die Arme aus, Aufrechtstehender!"

 

Ich breitete die Arme waagrecht.

 

Gleich darauf sind die Hände da, von rechts und von links, die nach den meinen fassen, und ich spüre mit hohem Glück, wie die sichere Kette sich schließt. Zugleich mit diesem Glücksgefühl erfahre ich tief im innersten Gewissen seinen Grund: wer in dieser Kette steht, ist unverletzbar; ihn trifft kein Hieb, ihn drängt keine Not, daß nicht Ungezählte in der Kette von diesem Hieb und von dieser Not mitgetroffen würden. Und so verteilt sich über tausendfache Kraft, über tausendfach erprobte Wehr – der Hieb, die Not, alles Gift der Dinge und der Dämonen...

Noch während dies herrliche Wonnegefühl des für immer Geborgenseins und der Verbundenheit mich überrascht und mit noch zunehmenden Schaudern mich beglückt, ist eine Stimme im Saal, die sagt:

 

"Leg ab das Kleid deiner Straße!"

Iuch gehorche mit Freuden. Wie Zunder fallen die noch vom Brande meines irdischen Hauses versengten Kleider der Straße. Wie Zunder. – Ein flüchtiges Verwundern und Besinnen in mir: so fallen die Kleider der Straße, einerlei, zu welchem Ziel die Straße geführt hat! Wie Zunder sind einst auch die Kleider der Fürstin Chotokalungin zerfallen...

In diesem Augenblick trifft ein kurzer Schlag wie von einem leicht geschwungenen Hammer meine Stirn. Er schmerzt nicht; eher wohltuend ist er, denn mit einem Male sprühen Lichtgarben aus meinem Hinterhaupt hervor... endlose Lichtgarben, die den Himmel mit Sternen füllen... und der Blick in dieses Sternenmeer von Licht ist Seligkeit...

 

Widerwillig nur und zögernd kehrt mir die Besinnung wieder.

Weiße Gewänder umhüllen mich. Ein Lichtstrahl trifft von unten her auf meinen gesenkten Blick: auch mein Gewand trägt auf der Stelle der Brust die golden blitzende Rose.

Freund Gardener ist bei mir, und ringsum in dem geisterhaft hohen Saal ist ein leises Summen wie von Bienenschwärmen.

Weißleuchtende Gestalten umziehen mich, von der Ferne näherdringend. Deutlicher, rhythmischer, tönender wird das Summen und Rauschen im Raum. Dunkler Gesang wird Stimme und Chor:

 

 

Die wir vor alten
Zeiten uns trafen,
Dunkle Gewalten
Nicht zu verschlafen,
Rettende Tat –
Die wir geschmiedet,
Bruder, die Lanze,
Daß dir umfriedet
Von ihrem Glanze
In unsern Räumen
Reife die Saat –
Wir, die Verketteten,
Grüßen erneut
Dich den Geretteten,
Sieger von heut!
Der sich Bewzingende
Löst sich vom Ding.
Der nicht mehr Ringende
Werde zum Ring!

 

Wie viele Freunde! muß ich denken, geleiteten dich, da du nicht wußtest in der Nacht, wohin dich retten vor der Angst!

Zum erstenmal überkommt mich der Wunsch des Mitteilens und verwebt sich mit der fein schleiernden Schwermut, die nun wieder bei mir ist wie zuvor, und deren in Untiefen wurzelnden Grund ich nicht weiß.

 

Aber Gardener nimmt mich bei der Hand und führt mich zurück, der ich versunken bin in meine unsicher vorwärtstastenden Gedanken. Mir unbewußt, auf welchen Wegen, haben wir den Garten wieder erreicht und das niedrige Tor, das in den Burghof führt. Da bleibt der Laborant stehen und deutet auf die Blumenbeete, die heißen Duft ausatmen:

"Ich bin Gärtner. Das ist mein Beruf, obschon du in mir den Alchimisten und Chemiker sahst. Dies ist nur eine Rose von vielen, die ich aus den Scherben gehoben und ins Freiland versetzt habe." –

Wir schreiten durch die Pforte in der Mauer und stehen vor dem Turm.

Mein Freund fährt fort:

"Du warst immer kundig der goldmachenden Kunst" – und wieder geht ein Lächeln über seine Züge, ebenso gutmütig wie durch leisen Spott sanft tadelnd, daß ich die Augen niederschlage, – "und darum ist dir der Ort deines Wirkens angewiesen, an dem du bald bereiten wirst können, wonach sich seit Anbeginn deiner Geburt deine Seele gesehnt hat."

 

 

Wir ersteigen den Turm... es ist der Turm von Elsbethstein und ist es doch ganz und gar nicht mehr. Langsam gewöhnt sich mein Geist an das Ineinanderspiel von Symbolen und einem viel höhern Sinn aller Dinge in diesen Bezirken des Geborgenseins, der Heimat.

 

Die Wendeltreppe führt breit und über dunkel glänzende Porphyrstufen hinauf zu der vertrauten alchimistischen Küche. Es berührt mich wunderlich, wie hier statt der alten, finstern, verfallenen Holztreppe die steinerne Pracht Platz finden konnte. Da empfängt uns die Küche: ein mächtiges Gewölbe, in dem sich der Blick verliert und an dessen blauen Gewanden die funkelnden Sternbilder kreisen. Die der Nachthimmel selber ist über mir und tief drunten auf der Erde brennen die Essen der Arbeit...

 

Der Herd steht in voller Glut des Schaffens. Er scheint mir ein Abglanz der Welt. Zischendes versprüht, Dunkles glüht auf, Farbiges verdampft, Gewölktes lichtet sich, furchtbare Kräfte der Vernichtung, mühsam an Ketten gelegt und von schmiedeeisernen Tiegeln umschlossen, schicken ein dämonisches Brodeln empor, – Weisheit der Retorten und Öfen hält sie in Bann.

"Dies ist dein Arbeitsfeld, daß viel Gold deiner Sehnsucht erstehe, aber Gold, – – das die Sonne ist. Wer das Licht mehrt, ist ja einer der Vornehmsten unter den Brüdern."

Große Belehrung wird mir zuteil. Das Wissen um mich her wird hellstrahlende Sonne. Das Leuchten der Sonne zerstört in mir alles zwergenhafte Wissen. Wie ein winziges Irrlichtchen spult noch eine matte Frage mir durchs Hirn:

 

 

"Freund, sag mir, ehe ich für immer aufhören werde zu fragen: wer war, wer ist – – der Engel vom Westlichen Fenster?"

"Ein Echo, sonst nichts! Er hat mit Recht von sich gesagt, er sei unsterblich; weil er nie gelebt hat, war er unsterblich. Was nie gelebt hat, weiß nichts vom Tod. Das Wissen, die Macht, der Segen und der Fluch, der von ihm ausging, ist von euch ausgegangen. Er war die Summe der Fragen, des Wissens und des magischen Könnens, das verborgen in euch gewohnt hat und von dem ihr nicht ahntet, daß es euer war. Weil jeder von euch den "Engel" bestaunt als eine Offenbarung. Er war der Engel vom Westlichen Fenster, denn der Westen ist das grüne Reich der toten Vergangenheit. Es gibt viel solcher Engel im Gefilde des Reichs der Keime und um Reich der Verwesung: besser wärs für die Menschheit, kein solcher Engel käme herüber, aber die Hoffnung hat auch Irrstege. Hinter dem Engel vom Westlichen Fenster hat für dich der Bartlett Green gestanden. Jetzt hat er aufgehört, seit dein Fragen aufgehört hat..." Gardener wendet sich wieder den Geräten zu: – "Alles ist nur rein vinculum, wie die Alten gesagt haben. Einer der Unsrigen hat dies "alles" ein Gleichnis genannt. – Diese Instrumente scheinen nur zu kochen. Es geschieht nichts, wenn die Werkzeuge toben. – Dieser Globus hier: ein vinculum, sonst nichts. Wenn dein Nichtwissen vollkommen geworden sein wird, dann wirst du alle diese Dinge hier zu handhaben verstehen im Sinne des Goldes! – Dann wird dein Finger eine Stelle dieser Erdkugel berühren und Ströme der Versöhnung werden ausstrahlen von der Wärme deines Fingers an jenem Ort; und Wirbelstürme der Vernichtung werden dort aufbrechen, wie aus geistigem Vulkan geschleudert, von der Kälte deiner läuternden Hand. Darum hüte beizeiten dein Feuer! – Bedenke: die Menschen werden ihrem Gott zur Last legen, was du tust, und Engel aus dem Westen erschaffen. So mancher, der nicht berufen war, aber den Weg ging, ist auf solche Art in die Form eines 'Engels' hineingestorben."

 

 

"Das – alles – ist mir – aufgetragen?!" – stammelt aus mir die Furcht und der Schauer der Verantwortung.

 

Der Adept sagt ruhig:

"Das ist die Größe des Menschen in jeder Menschengeburt, die geschieht: nicht mehr Wissen, alles Können. Gott hat nie sein Wort gebrochen noch gemindert."

"Wie soll ich Schicksal zetteln, ohne Kenntnis und Herrschaft des Gewebes?!" – das ist ein letzter Aufschrei des Verzagens, der tief in der Menschenbrust gesäten Saat der Feigheit, der Götzengemahlin des Übermuts...

Gardener sagt nichts mehr, führt mich die Porphyrtreppe hinab, geleitet mich zu dem Pförtchen in der Mauer. Er deutet zum Garten. Dann verschwindet er...

Eine Sonnenuhr an der weißen Mauerwand in Mittagsglut und ein Springbrunnen, der mit geruhigem Singen sein unermüdliches Wasserspiel in die Höhe treibt, das sind die Dinge, auf denen jetzt mein Blick ruht. – Das Licht der Sonne treibt aus rostigem Eisenzeiger, der tot in der Mauer ankert, den dunklen Strich seines Schattens hervor. Und der Schatten macht: – Zeit.

 

 

Schatten macht Zeit! – Und Klingklang des Springbrunnens begleitet den Zeitschatten mit dem spielerischen Wichtigtun seines Plätscherns. Wassergeplätscher ist alles Tun in der Zeit des Schattens. –- Vincula ringsum; vincula sind alle Dinge; selbst Raum und Zeit sind vincula, in denen sich die Zeitbilder bewegen...

 

Tief in Gedanken und in nie durchschaute Landschaften des wirkenden Geistes versunken, wende ich mich ab und wandle weiter durch die Blumenbeete dem Eibengewölbe zu, das das verlassene Grab überschattet. – Wieder zaubert die Sonne eine seltsame Tiefe in die so nahe Ferne des Gartenhintergrundes. Wieder ist mir, als flirre von dort her ein leuchtendes Gewand. – – Furcht ist mir fern, Lust ist mir fern, als ich das Leuchtende, Vorüberhuschende verweilen, sich verdeutlichen, sich langsam zu mir wenden sehe – so, wie Spiegelbild dem Gespiegelten folgt, – und dennoch: nichts von Spiegel mehr! Die dort herschreitet, schwebenden Ganges, ist ein Lichtwesen, das den Schatten der Bilder nicht mehr weiß.

 

 

Festen Schrittes gehe ich vor mich hin; und sicheren Schrittes naht mir, nicht länger von goldenen Märchengittern verborgen und gehalten, die Königin. Im Näherkommen wird ihr Blick deutlich und unverwandt, klar, heiter, ruhevoll ist er in den meinen verhängt. Ich gehe Elisabeth entgegen, der Kometenkraft auf anderer Bahn durch Jahrtausende, durch Jahrmillionen vielleicht. – – Wie arm sind solche Gedanken, denn sie sprechen in den Gleichnissen des Zeitschattens und des Springbrunnengeplätschers!

 

 

Und ich fühle kometenheiß die endliche Berührung der Bahn und... Elisabeth steht vor mir. Nahe. Jetzt so nahe, daß Auge sich mit Auge zu berühren scheint; so nahe jetzt, daß Elisabeth unsichtbar für mein Sinnenauge geworden ist und unsichtbar auch dem vorübergleitenden Haupte des Baphomet. – – Alle meine Fibern und Nerven und Gefühle und Gedanken wissen, daß Schnitt und Vermählung der beiden Kometen sich vollzogen haben. – Nirgends mehr suche ich, nirgends mehr finde ich;... die Königin ist in mir. In der Königin bin ich: Kind, Gemahl, Vater seit Anbeginn. – – – Das Weib ist nicht mehr! Und der Mann ist nicht mehr, so jubeln in mir Chöre von seligen Gedanken.

 

 

Und doch: in einem letzten Winkel dieser unerhört besonnten Landschaft meiner Seele dämmert ein kleiner, kaum fühlbarer Schmerz: Jane! Soll ich sie rufen? Darf ich sie rufen? – Ich kann sie rufen, weiß ich, denn wunderbare geheimnisvolle Kräfte fühle ich in mir keimen, seit Elisabeth in mich eingezogen ist. Und schon sehe ich ein blasses, liebes Gesicht sich aus den Schatten meiner Schwermut heben: – Jane!

 

 

Da steht der Laborant Gardener neben mir und sagt mit kaltem Vorwurf:

"Wars dir doch nicht genug an der Qual, die dir der Engel vom Westlichen Fenster bereitet hat? – Dir kann kein Engel mehr schaden, aber störe nicht das Gleichgewicht der Natur!"

"Ist Jane... weiß sie von mir?... Kann sie mich sehen?"

"Du Bruder, bist mit rückwärts gekehrtem Gesicht über die Schwelle der Einweihung geschritten, denn du bist bestimmt, ein Helfer der Menschheit zu sein, wie wir alle in der Kette. Darum wirst du bis zum Ende der Zeiten die Erde sehen können, denn durch dich hindurch strahlt alle Kraft aus dem Reiche des ewigen Lebens. Was aber dies Reich des ewigen Lebens ist, das können 'wir aus der Kette' nicht erfahren, denn wir stehen mit dem Rücken gegen jenen strahlenden unerforschlichen gebärenden Abgrund: Jane aber hat mit dem Antlitz voraus die Schwelle des ewigen Lebens überschritten. Ob sie uns sieht? Wer weiß das?!"

"Ist sie glücklich – dort?"

"Dort? – Keine Bezeichnung paßt für jenes Nicht-Etwas, für das wir das beschämend falsche Wort: 'Reich des ewigen Lebens' haben! – Und glücklich?" – Gardener lächelt mich an. "Hast du mich wirklich im Ernst gefragt?!"

 

 

Ich schäme mich.

"Nicht einmal uns, die wir doch nur ein schwacher Abglanz des ewigen Lebens sind, können die armen Menschenkinder sehen, die da draußen am Ring des unendlichen Lebens irren; wie sollten wir sehen oder auch nur ahnen können, was uns so fern und so nah ist, wie der mathematische, raumentwordene Punkt der Linie, der Fläche und dem dreifältig umgrenzten Körper nah ist und dennoch unfaßbar fern: die Ewigkeit des Reiches des unbekannten, unerkennbaren Gottes?!" fährt Gardener fort. "Jane ist den weiblichen Weg des Opfers gegangen. Er führt dahin, wohin wir ihr nicht folgen können und auch nicht folgen wollen, denn wir sind alle Alchimisten in dem Sinne, daß wie hierbleiben, um zu verwandeln. Sie aber ist auf dem Wege der Weiblichkeit dem Sein und dem Nichtsein entronnen, indem sie deinetwegen alles, was sie war, abgestreift hat. Wäre sie nicht hiergewesen, du stündest nicht hier!"

"Die Menschen werden... mich... nicht mehr sehen können?!" fragte ich erstaunt.

Gardener lacht fröhlich: "Willst du wissen, was sie über dich denken?"

Keine Neugier plätschert mit noch so leiser Welle an den seligen Strand von Elsbethstein. Dennoch, da der Freund, fast übermütig wie ein Kind, mir lachenden Auges zunickt, regt sich auch in mir ein Nachflackern der Teilnahme an den Irrtümern der Welt:

 

 

"Nun?"

Theodor Gärtner bückt sich zur Erde, hebt einen Klumpen verrotteten Lehm vom Wegesrand: "Da! Lies!"

 

"Lesen?"... Im nächsten Augenblick ist die nasse gelbe Erde in seiner Hand ein... Zeitungsfetzen geworden. – Ein unbeschreiblich sinnloses Phantom von einem Gegenstand aus unermeßlich ferner Sphäre. Nicht mit Worten zu sagen, wie mich diese Materialisation aus dem Gespensterreich der Menschen lächerlich und traurig und erschütternd zugleich anmutet.

 

Dann hat sich Gardener den Rosenbeeten wieder zugewandt und schneidet und bindet die Ranken auf.

Ich lese:

 

"Städtisches Intelligenzblatt."

Date: 2015-09-05; view: 337; Нарушение авторских прав; Помощь в написании работы --> СЮДА...



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