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Die zweite Schau 1 page





Kaum war ich mit Jane in meiner Wohnung angelangt, da bat ich sie um die Erlaubnis, mir die sonderbare Gabe des irrsinnigen Gärtners genauer betrachten zu dürfen.

Ich untersuchte die dolchartige Waffe auf das sorgfältigste. Schon der erste Blick belehrte mich, daß Klinge und Heft nicht ursprünglich zusammengehört hatten. Die Klinge war offenbar schon in sehr alter Zeit am Senkzapfen abgebrochen und die Spitze einer Lanze gewesen. Etwas Fremdartiges charakterisierte das mir unbekannte Metall; es sah fettig aus – gar nicht wie Stahl –, glänzte matt, fast wie Flintstein oder graubläulicher andalusischer Feuerstein. – Und dann das edelsteinbesetzte Heft! Es konnte kein Zweifel herrschen: dieses leicht mit Zinn legierte Kupfer zeigte alle Merkmale südwestkarolingischer oder frühmaurischer Metallurgie. Karneole, Kalaite, und da: in verschlungenem, schwer zu deutendem Ornament drachenähnliche Wesen. Drei Fassungsringe. Zwei davon leer, die Steine ausgebrochen. Im dritten Ring ein Saphir... Über den Häuptern der Drachen ein krönender Stein. Unwillkürlich mußte ich an einen karfunkelhellen Kristall denken...

 

Ich sagte mir: dieser Dolch paßt zu der Beschreibung in der Vitrine der Fürstin wie nur irgendeiner. Kein Wunder, daß sie so aufgeregt war, als sie ihn erblickte.

 

Die ganze Zeit über stand Jane hinter mir und schaute mir über die Schulter.

"Was interessiert dich so sehr, Liebster, an diesem alten Brieföffner?"

"Brieföffner?" – Zuerst verstand ich nicht; dann mußte ich laut auflachen über die weibliche Ahnungslosigkeit, eine vielleicht tausendjährige Stoßwaffe kurzweg ein Falzbein zu nennen.

 

">Du lachst mich aus, Liebster? Warum?"

 

"Mein Liebling, du irrst ein wenig: das ist kein Brieföffner, sondern ein maurischer Dolch."

 

 

"Du glaubst mir nicht, Jane?"

"Warum soll ich nicht? – Nur ist mir eingefallen, es müsse ein Brieföffner sein."

"Wie kommst du bloß auf diesen sonderbaren Einfall?"

 

"Ja, du hast recht, es ist – es ist ein Einfall. Es ist mir eingefallen."

"Was ist dir eingefallen?"

"Daß es ein Brieföffner ist! Ich habs doch gleich gewußt."

Ich sah Jane an; sie starrte auf den Dolch. Mich durchzuckte es plötzlich:

 

"Kennst du den Dolch... den... Brieföffner?"

 

"Wie sollte ich kennen, was man mir erst heute nachmittag... aber, laß nur, du hast ganz recht; wenn ich das Ding anschaue... und je länger ich es anschaue... je länger ich es anschaue.. desto deutlicher... meine ich... daß ich es kenne."

Mehr war aus Jane nicht herauszubringen.

 

Die Aufregung, die mich überfiel, war zu stark, als daß ich wagen durfte, mit Jane zu experimentieren. Ich hätte auch kaum gewußt, wie es anfangen. So viele Gedanken und Ahnungen bestürmten mich, daß ich Jane, um allein zu sein, bat, nach ihren Hausfrauenpflichten zu sehen, da ich eine dringende Schreibarbeit hätte, und sie unter Küssen entließ.

 

Kaum war sie draußen, stürzte ich wie wild über meinen Schreibtisch her und kramte und wühlte in den Papieren John Dees und in dem Stoß meiner Dokumente umher, um zu finden, wo mein Ahnherr etwa den Erbdolch seines Geschlechtes erwähnt haben möchte. Ich fand nichts dergleichen. Endlich fiel mir das grüne Hadernheft in die Hand; ich schlug es aufs Geratewohl auf und las:

Und in jener Nacht der schwarzen Versuchung habe ich verloren, was mein köstlichstes Erbteil war: meinen Talisman, den Dolch, – die Speerspitze des Ahnen Hoël Dhat. Ich habe es verloren auf der Wiese des Parkes bei der Beschwörung; und mir ist, als hätte ich es noch in der Hand gehalten nach Weisung des Bartlett Green, als das Gespenst auf mich zukam und ich ihm die Hand reichte. – Nach dem aber nicht mehr! – Also habe ich der schwarzen Isaïs bezahlt, was immer ich hernach von der schwarzen Isaïs empfing. – – – Es dünkt mich fast ein zu hoher Kaufpreis ihrer Betrügerei.

Ich grübelte vor mich hin: was bedeutet diese Wendung von "dem zu hohen Kaufpreis"? – Keine Möglichkeit, aus den Urkunden einen Fingerzeig zu gewinnen! Plötzlich kam mir ein Einfall: ich griff mit rascher Hand nach dem magischen Kohlenspiegel.

Aber es ging mir wie damals, als ich zum erstenmal versucht hatte, in seinen schwarzglänzenden Flächen zu lesen. Die Kohle in meiner Hand blieb tote Kohle.

Lipotin! – fiel mir da ein und sein Räucherpulver. Hastig sprang ich auf, fand auch bald nach kurzem Suchen die rote Kugel wieder, aber sie war leer, völlig leer und daher wertlos für mich.

Im selben Augenblick jedoch stieß ich auf die Onyxschale, in der ich damals das Räucherpulver verbrannt hatte. Ob Jane sie mit dem Ordnungssinn der Hausfrau hatte reinigen lassen? – Nein! In der Schale klebte noch mit harter Kruste der dunkelbraune Rückstand des magischen Präparates. Von dieser Minute an handelte ich fast wie unter Zwang; es war kein vernünftiges Überlegen, das mich nach dem Siegellämpchen greifen ließ. Hastig goß ich ein wenig daraus in die Schale. Der Spiritus flammte auf. Flüchtig kam mir der Gedanke: vielleicht ist der Unsinn, den ich da anstelle, nicht einmal so groß, vielleicht glimmt nochmals ein Rest nach...

Die Flamme erlosch schnell. Ein feines Glühen strahlte unter dem Aschenrest hervor. Dünner Rauchfaden stieg auf. –

 

Rasch neigte ich den Kopf über die Schale und atmete tief ein. Noch beißender als damals drang der Geruch in meine Brust. Widerwärtig! Kaum zu ertragen. Wie wird es mir möglich sein, freiwillig, ohne Hilfe, hinüber zu gelangen über die Schwelle des Erstickungstodes?! – Soll ich Jane rufen? Damit sie mir den Kopf, erbarmungslos wie damals der rotmützige "Lipotin", über die Schale hält, mich mit eisernem Griff, wenn ich ersticke, festhält? Ich biß die Zähne zusammen vor würgendem Ekel und mit Aufgebot aller Energie.... "Ich zwings!": der Wahlspruch meiner Ahnen fiel mir plötzlich ein! Die Devise der Dees!

 

Dann das furchtbare Rütteln der Todesschauer. Halbe Gedanken kreisen in meinem Blut: es ist ein Ertrinken wie in ganz flachem Wasser! – Ich zwings! – Selbstmord in einer Waschschüssel... nur hysterische Weiber bringen so was fertig, habe ich einmal – irgendwann – sagen hören oder gelesen... alle Achtung vor den hysterischen Weibern! Ich bin ein Mann, und mir will das verflucht schwer vorkommen? Verflucht schwer... ah! Rettung! Hilfe!... Da... ganz fern...: Der Rotkappenmönch... riesengroß... der Meister der Einweihung... gar nicht wie Lipotin sieht er aus... er habt die Hand... die linke Hand... er tritt hinter mich... blitzartig schnell tauche ich hinab in den Abgrund des Totenreiches. –

 

Als ich emportaumelte, schwere Schmerzen im Hinterhaupt, durch und durch vergiftet, wie ich fühlte, war die stinkende Schale nur mehr mit lockerer Asche gefüllt. Ich war kaum imstande, meine entflohenen Gedanken wieder einzufangen, dann aber trat immer deutlicher vor mein inneres Gesicht, was ich bezweckt hatte: rasch ergriff ich den Kohlespiegel und starrte hinein. Ich fühlte beruhigt: zum andern Male, aber aus eigener Kraft, hatte ich den Tod durchschritten! – – – –

 

Dann sah ich mich selbst sitzen in einem rückwärts fahrenden Automobil, das, die Karosserie voraus und Kühler und Motorhaube hinterdrein, mit gespenstischer Geschwindigkeit an unserm Strom dahinraste. Links und rechts neben mir saßen Jane und die Fürstin Chotokalungin. Beide schauten geradeaus; keine Wimper, kein Muskel in ihren Gesichtern bewegte sich.

 

Ruine Elsbeth flog vorüber. – Die Quellen des Lebens rauschten, sagte ich zu mir. Wolken feinen weißen Wasserdampfes stiegen aus dem Schloßhof da droben auf. Hoch auf dem Turm stand der alte verrückte Gärtner und winkte uns zu. Er deutete heftig in nordwestlicher Richtung und winkte dann wieder zu sich herauf, als wollte er sagen: Zuerst dorthin! Dann... zu mir!

"Zu dumm!" raunte eine Stimme in mir: "der Alte weiß nicht, daß ich mich zu meinem wahren Selbst – dem Sir John Dee – zurückgefunden habe!" Aber, wenn dem so ist, fiel mir plötzlich ein, wie ist es dann möglich, daß die Fürstin Assja Chotokalungin neben mir sitzt? Ich warf einen Blick auf sie: neben mir saß... die dunkelbronzene Göttin der pontischen Isaïsanbeter, lächelnd mir zugeneigt mit Spiegel und Lanze, nackt, nackt und sinnverwirrend in Haltung und Ausdruck, daß mir ein heißer Schauer überlief. – Wieder bohrte der hartnäckige Gedanke in mir: abermals greift die Lüsternheit der Teufelin nach mir! Muß ich denn, ums Himmels willen, muß ich denn, ob ich will oder nicht?! Bin ich nicht mehr Herr meiner Sinne?! Was zwingt mich, die Fürstin immer wieder und wieder in Gedanken so zu sehen, wie sie sich mir doch niemals darbot? Ich will nicht. Ich will nicht! Ich will das Schicksal meines toten Vetters John Roger nicht teilen. – –

 

Die straffe, jugendlich schimmernde Göttin warf mir einen unbeschreiblichen Blick zu. Unnahbare Hoheit der Göttin und lockende anbietende Verheißung des Weibes in einem Streifblick; leises wollüstiges Spannen der Brüste, lustverhaltenes Dehnen der Glieder, abgründiger Hohn in den rätseltiefen Mienen, verderbenglimmende Augenschlitze, Panthergeruch...

 

 

Das Automobil ist längst mit schneidenden Flugbootkiel in grüne Wellen hinabgezischt. Wir sausen durch grünes Wasser, nicht zu erkennen wie tief, nicht zu ermessen wie hoch über uns, nicht zu erschauen wo oben, wo unten.

Von den grünen Wassern ist nichts übriggeblieben als ein kleiner kreisrunder See, auf dem mein Blick jetzt mit gespannter Aufmerksamkeit ruht. Immer kleiner und kleiner schrumpft er zusammen, wie der fokusartig sich zusammenziehende Ring bei der Einfahrt in einen Tunnel. Ringsum tiefste Dunkelheit.

 

 

Dann habe ich das Gefühl, ich bin emporgetaucht.

 

Senkrecht emporgetaucht aus einem Brunnenschacht, der, umgeben von einer Brustwehr weißer Steinplatten, vor mir hinuntergähnt in unermeßlicher Tiefe. Über dem Brunnenrand verweht wie Hauch das schwarze Bronzebild der nackten pontischen Isaïs. Böse lächelnd deutet sie mit der abgebrochenen Lanzenspitze hinab. Den Spiegel hält sie erhoben, indessen sie zu sinken scheint; und es ist, als sei er der kreisrunde, grün blinkende See tief drunten im Brunnenschaft.

 

Is sie, die Göttin selbst, es gewesen, die mich hierher geleitet hat? Hierher? – Wo bin ich?

 

Die Frage ist noch nicht zu Ende gedacht, da zerschneidet mich ein wahnwitziger Schreck. Da: geradeaus vor mir in dem Halbdunkel – – – mein Weib Jane! Ich sehe ihren flackernden Blick. Sie trägt nach englischer Tracht ein Kleid aus der Zeit der Königin Elisabeth, und ich weiß, daß sie das Weib John Dees ist, – John Dees, der ich doch selber bin. Es ist der fürchterliche Kellerbrunnen im Hause meines Gastgebers, des Doktors Hajek in Prag, und sie – will sich hinabstürzen. Es ist die Nacht des Befehls des Grünen Engels, und Jane, mein einziges liebendes Weib Jane, habe ich, meinem Schwur getreu, mit brechendem Herzen dem Edward Kelley als Blutsbruder – o welch folternder Hohn! – zu gleichen ehelichen Rechten überlassen müssen. Sie hat es nicht überwunden.

 

Aber keine Zeit nachzudenken. Ich springe aus zusammenbrechenden Knien auf, will die verzweifelte Jane zurückreißen, gleite aus, schreie auf, sehe den stummen, den entschlossenen, den schon gestorbenen Wahnsinnsblick der geliebten, der geschändeten Frau – – und werde zum erstarrten Zeugen des gräßlichen Sturzes: des nimmermehr aus meiner Seele fortzubrennenden Abschieds meiner Jane von dieser Welt.

In zweiundsiebzig Teile zerschnitten ist mein Herz, geht es mir durch den Sinn. Meine Gedanken sind stumpf, wie bei einem geistig Gestorbenen. Der Schacht, der furchtbare Brunnenschacht! Ich ahne, gelähmt, da unten das kreisrunde grünliche Blinken des Spiegels der Isaïs...

Mit fühllosen Knien klimme ich das Eisengitter empor aus dem Keller. Jede Sprosse knirscht: "allein... allein... allein... allein..." Jemand streckt mir den Kopf durch die Mündung der Kelleröffnung entgegen: ein verzerrtes Gesicht, das Gesicht eines Verbrechers, der unter dem Galgen steht. Das Gesicht Kelleys, des Mannes mit den abgeschnittenen Ohren.

Flüchtig denke ich: er wird sich auf mich stürzen; er wird mich hinabstoßen; er wird mich in den Schacht werfen hinab zu Jane.

Es ist mir gleichgültig, ja ich sehne mich danach. – – –

Er rührt sich nicht. Läßt mich meinen halsbrecherischen Weg vollenden, läßt mich aus dem Abgrund herauskriechen und festen Boden gewinnen. Schritt vor Schritt weicht er vor mir zurück wie vor einem Gespenst. In mir ist jeder Trieb nach Rache erstorben, vor der er sich so fürchtet, der erbärmliche Feigling.

Er stammelt etwas von Rettenwollen... von unsinniger Aufgeregtheit der Weiber...

 

Tonlos sage ich: "Sie ist tot. Sie ist hinuntergegangen in den Abgrund, mir den Weg zu bereiten. Sie wird am dritten Tage wieder auferstehen, aufzufahren gen Himmel und sitzen zur Rechten Gottes, von wannen sie kommen wird, zu richten die Mörder im Diesseits und Jenseits..." – da höre ich meine Lippen die irrsinnigen Blasphemien stammeln und verstumme.

 

Gott, so denke ich mit lahmem Einfall, wird die Lästerungen einer zerstörten Seele nicht zurechnen. Ruhte ich doch schon im Frieden bei...

 

 

Kelley atmet befreit auf. Wird dreister. Er naht sich mit vorsichtiger, mit schmieriger Vertraulichkeit:

 

"Bruder, ihr Opfer – und das deinige – – es ist nicht umsonst gewesen. Der heilige Grüne Engel..."

Ich schaute mit brennenden Augen zu Kelley hinüber; das erste, das wieder weh tut an meinem erstorbenen Körper, sind die Augen. – "Der Engel!" will ich aufschreien, und eine wilde, wahnsinnige Hoffnung gleißt in mir auf: hat er den Stein gegeben? Dann... vielleicht... bei Gott sind alle Dinge möglich... Wunder sind einstens geschehen... warum sollten nicht abermals Wunder geschehen... Jairi Töchterlein ist vom Tode auferstanden!... Der Stein der Verwandlung kann Wunder wirken in der Hand eines, der den lebendigen Glauben bekommt durch ihn!... Jane! Ist sie weniger als Jairi Töchterlein?... Laut schreie ich: "Hat der Engel den Stein gegeben?"

Kelley wird eifrig:

"Nein, noch nicht den Stein..."

"Den Schlüssel des Buches?"

"N–nein; auch das noch nicht, aber: Rotes Pulver. Gold. Neues Gold. Und versprochen hat er noch mehr..."

Ein Schrei würgt sich mir aus gefoltertem Herzen:

 

"Hab ich um Gold mein Weib verkauft, du Hund?! – Bettelkrämer! Schleimiges Tier!"

Kelley springt zurück. Ich sehe meine geballten Fäuste kraftlos niederfallen. Nichts gehorcht mir mehr. Meine Hände wollen morden, aber sie sind gelähmt... Ich finde den Befehl nicht, der sie zum Gehorsam zwingt. Ein gallenbitteres Lachen schüttelt mich:

"Keine Sorge, Mann mit den abgeschnittenen Ohren, keine Furcht! Ich töte nicht das Werkzeug... den Grünen Engel will ich fragen von Angesicht zu Angesicht..."

Kelley mit Hast:

"Der Grüne Engel, Bruder, der Hochheilige kann alles. – Er kann, wenn er will, mir... nein, nein: dir, Bruder, dir, wenn du es so lieber hörst, die... verschwundene Jane wiederbringen."

Aus tierhaft starken Gelenken heraus springe ich, blindlings, ohne zu denken, vor. Meine Hände umklammern Kelley Hals:

"Stelle den Grünen Engel vor mich, Verbrecher! Stell ihn vor mein Angesicht, so will ich dich am Leben lassen!"

Kelley knickt in die Knie.

 

 

Verwischte, jagende Bilder, deren Zug kein Ende nehmen will. Sie rasen vorbei; kaum, daß ich sie fassen will, sind sie verweht und vergangen,. Klar dann wieder:

 

 

Kelly, in köstliche Gewänder gehüllt, die mit edelstem Rauchwerk besetzt sind, stolziert durch Prunkräume im Palais Rosenberg. Er nennt sich den Abgesandten Gottes, der berufen ist, das Geheimnis der dreifachen Verwandlung der Menschheit zu bringen: nicht den Unberufenen, sondern der kleinen Schar der Berufenen. Doch solle von nun an das göttliche Geheimnis einen unzerstörbaren Tempel auf Erden haben, und Rudolf, der Römische Kaiser, und einige wenige seiner Paladine sollen Tempelritter des neuen Grals sein.

Rosenberg führt Kelley an der Hand dem gefährlich erregten Kaiser zu, der in streng geheimgehaltener, abgelegener Kammer des Palais Rosenberg den Propheten erwartet.

Ich bin genötigt, mich der feierlichen Prozession anzuschließen; Kaiser Rudolf läßt nur uns beide und Rosenberg vor sich. Rosenberg, der als erster im Kniefall vor dem Kaiser niedergestürtzt, netzt ihm die Hände mit dem Strom seiner Freudentränen:

 

 

"Majestät, der Engel hat sich geoffenbart; er hat sich wahrhaftig geoffenbart", schluchzt er.

Der Kaiser vermag seine hohe Erregung kaum zu verbergen. Er hüstelt:

"Wenn dem so ist, Rosenberg, so wollen wir alle anbeten, denn wir haben ein Leben lang auf den Herrn gewartet." – Dann, finster und drohend zu uns gewendet:

"Ihr seid euer drei, als wie dereinst die Weisen, die Kunde und Gaben brachten dem neugeborenen Heil. Der da kniet, bringt mir die Kunde. Er sei dafür gesegnet. – Ihr zwei Weisen, wo habet ihr die Gaben?"

 

Kelley tut einen raschen Schritt vor und beugt nur das Knie:

"Hier, diese Gabe sendet der Engel der Majestät Kaiser Rudolfs!"

Er reicht in goldener Büchse ein mehr als doppelt so reichliches Quantum des roten Pulvers, als wir selbst besaßen, da wir einst in Prag einzogen, Rudolf hin.

 

Der Kaiser nimmt zögernd das kostbare Geschenk. Enttäuschung entspannt sein Gesicht:

 

"Aber das ist eine große Gabe. Aber es ist nicht das Geschenk der ersehnten Wahrheit. Jeder Knecht kann damit Gold machen." –

Er wendet den glühenden Blick auf mich. Von mir erwartet er nur die wahre, die erlösende Gabe der Weisen aus dem Morgenlande. Mich überläuft ein kalter Schauder, indem ich niederknie, denn meine Hände und mein Herz sind leer. – Da hebt neben mir Kelley wiederum die Stimme, und seine freche Sanftmut ist bewunderungswürdig:

"Es ist uns befohlen, der Majestät des Kaisers das ' glass ' des hohen Engels zu zeigen und zur Prüfung zu übergeben, das der Hochheilige seinem Diener John Dee, Esquire, aus dem Schatz seiner Gnaden dargereicht hat in der Nacht der ersten Berufung. Denn alle Einweihung hat ihre Schritte und ihre Grade."

 

Ich weiß nicht, woher: plötzlich fühle ich das ' glass ' – den goldgefaßten Kohlekristall des Bartlett Green – in meiner Hand. Ich reiche ihn stumm dem Kaiser hin. Er ergreift ihn hastig, beschaut ihn, läßt die Unterlippe fallen:

 

 

"Was solls damit?"

Der kniende Kelley starrt unverwandten Blickes auf die Stirnwurzel des Kaisers.

 

Rudolf, da er keine Antwort erhält, heftet widerwillig nochmals das Gesicht auf die schwarzspiegelnde Fläche des Kristalls. Kelley bohrt seinen Blick immer fester in des Kaisers Stirn. Die hellen Perlen der Anstrengung tropfen ihm unbeachtet von den Schläfen.

Der Kaiser sitzt wie gebannt, den Kristall in beiden Händen. Seine Pupillen erweitern sich. Sein Ausdruck ist der eines Schauenden. – Plötzlich: Staunen, aufzuckende Anteilnahme, Zorn, heftiges Erschrecken, zitternde Erwartung, banges Aufatmen, Triumph, stolze Freude, müdes Nicken des Geierkopfes und dann – – eine Träne!

Eine Träne im Auge Rudolfs!!

Das alles, in rascher Folge nacheinander, spielt sich auf dem Gesicht des Kaisers ab. – Eine kaum erträgliche Spannung über uns allen. Endlich sagt Rudolf:

"Ich danke euch, ihr Boten der Überwelt. Die Gabe ist in der Tat kostbar, und sie muß dem Geweihten genügen. Denn nicht ein jeder ist dort Kaiser, der hier die Krone trägt. Wir wöllen Uns bestreben." – Des Kaisers stolzes Haupt neigt sich. Mir können die Tränen nicht mehr im Halse gehorchen, wie ich die Majestät sich so in Demut neigen sehe vor dem Verführer mit den abgeschnittenen Ohren.

 

 

Volksgedränge auf dem engen Platz in Prag, genannt "Zum Großprior", vor der Malteserkirche. Die ganze Kleinseite scheint auf den Beinen zu sein. blitzende Waffen, gleißender Schmuck auf den Gewändern des hohen Adels, der aus offenen Fenstern der Paläste auf das herannahende Schauspiel niederschaut.

 

Aus der Malteserkirche hervor tritt ein Zug, der sich stattlich formiert:

Kelley, Freiherr von Böhmen, des heiligen Römischen Reiches erwählter neuer Paladin, hat soeben Schwertschlag und Stirnölung vor dem Altar der uralten Ritterkirche auf Befehl des Kaisers erhalten.

Jetzt setzt sich der Zug in Bewegung, voran drei schwarzgelbe Herolde, zwei von ihnen mit langgezogenen Trompeten vor dem Mund, einer mit dem Pergament des Kaisers. An jeder Straßenecke Fanfarenstöße und Verlesung des kaiserlichen Gnadenbriefes für den neuen Freiherrn des Reiches: "Sir" Edward Kelley aus Engelland.

Von den Altanen und aus den hohen, kühn gekragten Fenstern der Adelsburgen herab: neugierige Gesichter, undurchdringlich verschlossen von bleichem Hochmut, oder durchzuckt von höhnischem Spott, leise vorsichtig bewegt von unhörbaren Bemerkungen mokanter Bosheit.

Ich sehe dem Trubel aus einem Fenster des Nostizschen Palais zu. Trübe Gedanken hängen wie schwerfeuchte Nebel undurchdringlich über meiner Seele. Umsonst, daß mein edler Wirt, zu dem ich mit Doktor Hajek geladen bin, mir Schmeicheleien sagt über den echten Stolz meines alten Adels, der es verschmähte, theatralische Titel aus noch so hohen Händen entgegenzunehmen. Mir ist alles einerlei. Mein Weib Jane ist untergegangen und verloren im grünen Abgrund...

 

Ein neues seltsames Bild: der hohe Rabbi Löw steht, wie er gern tut, mit seinem langen Leib an die Wand gelehnt, die Hände flach im Rücken gegen die Mauer gespreizt, in dem kleinen Stübchen in der Alchimistengasse vor Kaiser Rudolf, der im Sessel versunken liegt. Zu Füßen des Rabbis liegt schläfrig und katzenfromm des Kaisers Berberlöwe: der Rabbi und der Katzenkönig sind gute Freunde. Ich sitze an dem kleinen Fenster, vor dem die Bäume kahl zu werden beginnen. Mein streifender Blick sieht drunten durch das entlaubte Gebüsch zwei riesenhafte schwarze Bären, die zottigen Köpfe schnuppernd erhoben, mit rotgesperrten Rachen heraufblinzeln. – –

 

 

Rabbi Löw hat ruckartig die eine Hand von der Wand weg und hinter seinem auf und ab schwankenden Rücken hervorgezogen. Er hat das " glass " ergriffen, das ihm der Kaiser hingehalten hat, und schaut lange auf die kristallflächige Kohle. Dann geht sein Kopf in die Höhe, daß unter dem weißen Bart der knöchrige Adamsapfel hervortritt, und sein Mund scheint rund und lautlos zu lachen:

"In einen Spiegel sieht man nichts anderes als sich selbst! Wer sehen will, der sieht, was er will sehen in der Kohle, denn das eigene Leben in ihr ist längst verbrannt."

Der Kaiser fährt auf:

"Wollet Ihr sagen, Freund, das ' glass ' sei ein Betrug? Ich selber habe..."

Der alte Jude rührt sich nicht von seiner Wand. Er schaut zur nahen Zimmerdecke hinauf und schüttelt den Kopf:

"Ist Rudolf ein Betrug? Rudolf ist geschliffen zur Majestät wie ein ' glass '; ringsum hart geschliffen, also kann er spiegeln die ganze Vergangenheit des Heiligen Römischen Reiches. Er hat aber kein Herz: nicht die Majestät und nicht die Kohle."

 

Mir geht ein Schnitt durch die Seele. Ich schaue den hohen Rabbi an und fühle das Opfermesser an meiner Kehle...

 

Keine Not herrscht mehr im gastlichen Hause Doktor Hajeks. Gold strömt von allen Seiten zu. Rosenberg sendet für die Gnade, einer Sitzung Kelleys beiwohnen zu dürfen, in der der Grüne Engel erscheinen soll, Geschenke über Geschenke von verschwenderischer Pracht, von unschätzbarem Wert. Der alte Fürst ist bereit, nicht nur seine Güter, sondern sein ganzes armes altes Leben den Offenbarungen des neuen Tempels, der "Loge vom Westlichen Fenster", zum Opfer darzubringen.

Also darf er mit uns hinab in den Keller des Doktors Hajek steigen. –

Die düstere Sitzung beginnt. Alles ist wie einst. Nur Jane fehlt. Ich ersticke schier vor würgender Erwartung. Nun ist der Augenblick gekommen; nun soll mir der Engel Rede stehen für das Menschenopfer, das ich ihm dargebracht habe!

Rosenberg bebt an allen Gliedern; er betet ununterbrochen leise vor sich hin.

Kelley ist auf seinem Sitz. Er fällt in Verzückung.

 

Jetzt ist er fort. an seiner Stelle glüht grün der Engel auf. Die Erhabenheit der Erscheinung wirft Rosenberg zu Boden. Sein Schluchzen wird hörbar:

"Ich bin gewürdigt worden... ich bin ge... würdigt wo... worden..."

Das Schluchzen geht in Wimmern über. Der alte Fürst liegt im Staub und babbelt wie ein kindisch gewordener Greis.

Der Engel wendet sein eisiges Auge auf mich. Ich will zu ihm reden, aber die Zunge klebt mir am Gaumen. Ich kann den Anblick nicht ertragen. Ich nehme alle Kraft zusammen; ich raffe mich auf – einmal – zweimal – – umsonst! Der steinerne Blick lähmt mich... lähmt... mich... vollends.

 

Der Engel redet aus der Ferne zu mir:

 

"Deine Nähe ist mir nicht lieb, John Dee! Deine Unbotmäßigkeit ist nicht weise, dein Löken gegen die Prüfung ist nicht fromm! Wie soll das Werk aller Werke gelingen, wie soll das Heil sich erfüllen, solang der Lehrling Unheilsames im Herzen trägt? Schlüssel und Stein dem Gehorsam! Warten und Verbannung dem Ungehorsam! Harre in Mortlake meiner, John Dee!"

 

Tierkreiszeichen am Himmel? Was deuten Sie mir? Ein drehendes Rad? – Ja, ich begreife: Jahre, Jahre, Jahre sinds, die da vorübergleiten: Zeit, Zeit! Dann: öde Brandruinen ringsum.

 

Geschwärtzte Mauern durchschreite ich, von denen faule Tapeten herabklatschen. Über ehemalige Turmschwellen stolpert mein Fuß, von denen nicht mehr zu sagen ist, aus welchem Raum in welchen Raum sie mich, den einst fröhlichen Herrn des Schlosses, geleitet haben. Nein: nicht sagen kann ich, daß ich gehe; ich schleiche nur, schlurfe so müde, so müde, so müde.

 

Ich klettere eine halbverbrannte Holzstiege empor. Splitter und rostige Nägel reißen mir am zerschlissenen alten Rock. Ich betrete eine muffige Küche, – die Küche, in der ich einst Gold gemacht habe! Senkrecht gestellte ausgetretene Backsteine bilden den Fußboden. In der Ecke ein Herd, darauf eine Schüssel, aus der einst meine Hunde getrunken haben, eine trübe Milch darin und daneben ein vertrocknetes Stück Brot. – – Abgedeckt ist der Raum gegen den freien Himmel mit einer schrägen Bretterlage, durch deren Ritzen der kalte Herbstwind hereinwinselt. Das ist Schloß Mortlake, das sie hinter mir verbrannt haben, als ich vor fünf Jahren nach Prag zog zu Kaiser Rudolf.

Date: 2015-09-05; view: 255; Нарушение авторских прав; Помощь в написании работы --> СЮДА...



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