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Die erste Schau 5 page





Vorwärts genötigt und mit meinen Gedanken beschäftigt, schritt ich durch mehrere Gemächer, an deren Aussehen ich mich wegen ihrer farblosen Gleichgültigkeit nicht mehr erinnern kann.

Dann aber sah ich mich plötzlich in einem Raum allein gelassen, der wohl orientalisches Gepräge trug, denn er wies die verschwenderische Fülle mehr oder weniger kostbarer Asienteppiche, mehrerer Ottomanen und jeden Schritt verschluckender Felle und Pelze, so daß er mehr einem Zelt als dem Zimmer einer deutschen Dutzendvilla glich, aber das Eigentümliche des Raumes wäre damit noch keineswegs bezeichnet gewesen.

Waren es die schwarzfleckigen Waffen, die allenthalben aus den Raffungen der Gewebe hervorstarrten? Waffen, denen man sofort ansah, daß sie kein Tapezierer da hingesteckt hatte, um zu "dekorieren", sondern an denen sichtbar und spürbar der Blutrost und der bitterliche Geruch des furchtbaren Gebrauchs haftete, – Waffen, von denen der fernsummende Lärm nächtlichen Verrates, unbarmherzigen Schlachtens, grausamen Marterns der Opfer ausging?

Oder war es die befremdende Sachlichkeit eines mächtigen, die eine Wand fast völlig füllenden Büchergestells, das mit Bänden in uraltem Leder und Pergament vollgestopft, zuoberst ein paar schwarze Bronzen trug: spätantike, halbbarbarische Götterköpfe, aus deren obsidianschwarz patinierten Gesichtern onyx- und mondsteinfarben eingelegte Edelsteinaugen mit dämonisch packendem Glanz wie lauernd niederfunkelten?

Oder war es?...

In der Ecke, gerade mir im Rücken, als bewache er die Tür, durch die ich eingetreten war: ein altarartiger Aufbau, marmorschwarz und von mattem Goldlack schimmernd. Darüber das nicht viel über einen Meter hohe Steinbild einer nackten Göttin aus schwarzem Syenit; soviel ich sehen konnte: eine möglicherweise ägyptisierte, übrigens gräkopontische Darstellung der löwenhäuptigen Sechmet – der Isis. Das bös lächelnde Katzengesicht von unheimlich lebendigem Ausdruck; der Realismus des überaus fein und kunstreich durchbehandelten Frauenkörpers bis zum Obszönen deutlich. Als Attribut in der linken Hand der Katzengöttin: ein ägyptischer Frauenspiegel. – Die rechte Hand, zum Griff gekrümmt, war leer. Sie umschloß einstmal offenbar ein zweites, verlorengegangenes Attribut.

Das für seinen barbarisch-thrakischen Ursprung selten schöne und künstlerisch vollendete Werk genauer zu betrachten wurde mir unmöglich gemacht, denn die Fürstin stand plötzlich neben mir; – sie war geräuschlos, wie einer ihrer kurdischen Lemuren, aufgetaucht aus irgendeinem der Teppichvorhänge, die die Wände ringsum bedeckten.

"Schon wieder der Kenner bei der Kritik?" gurrte ihre Stimme in meinem Ohr.

 

Ich fuhr herum.

Assja Chotokalungin versteht sich anzuziehen! Sie trug ein kurz geschnittenes Kleid nach der letzten Mode, aber es wäre mir nicht möglich gewesen zu bestimmen, welche Stoffart diese Wirkung von schwärzlich glänzender Bronze auch nur annähernd hätte hervorbringen können; für Seide zu stumpf, für Tuch zu metallisch. Einerlei: sie sah aus die die Katzengöttin da vor uns, in durchscheinende Metallhäute gekleidet, bei jeder ihrer Bewegungen die prachtvollen Formen der steinernen Göttin heimlich ausdeutend und in unausdenkbar ahnungsvolles Leben übersetzend.

 

 

"Ein Lieblingsstück meines verstorbenen Vaters", gurrte sie. – "Der Ausgang vieler seiner Studien – und auch der meinigen. Ich bin eine dankbare Schülerin des Fürsten geworden."

 

 

Ich brachte einiges Lobende, einiges Nichtsagend-Bewundernde vor über die Statue, über die gelehrten Kenntnisse ihrer Besitzerin, über die eigenartig faszinierende Stimmung, die von dem Kunstwerk ausginge, – und dabei sah ich immer das lächelnde Gesicht der Fürstin vor mir und empfand: außerdem noch etwas Unbestimmtes, eine quälende, dumpfe, halbe Erinnerung, die ich unterm Sprechen in klares Bewußtsein zu zwingen mich abmühte und die mir schattenhaft und ungreifbar immer wieder an den Augen vorbeihuschte wie grauer Rauch... Ich fühlte nur: dieser Wunsch nach Erinnerung hing mit der fatalen Statue zusammen. Zerstreut heftete sich mein Blick mit hartnäckigem Saugen immer wieder darauf; was alles ich inzwischen aber der unverwandt lächelnden Fürstin ins Gesicht stammelte, das weiß ich nicht mehr.

 

Sie jedenfalls nahm mich sofort auf das allerliebenswürdigste beim Arm und überschüttete mich mit halb spöttischem, halb freundlichen Vorwürfen wegen meines so ungebührlich verspäteten Besuches. Keine Spur dabei von einem nachträgerischen Gemahnen an jene unerquickliche Szene, die sich einstmals zwischen uns abgespielt hatte. Es schien für sie vergessen, oder so, als habe sie das nie für Ernst genommen – nie für etwas anderes genommen als für scherzhaftes Geplänkel. Sie schnitt mir schließlich auch jeden Versuch, mich wegen meines damaligen Benehmens zu entschuldigen, mit rascher, anmutiger Gebärde ab:

"Nun sind Sie also endlich hier. Endlich sind Sie, mein spröder Gönner, doch ein wenig mein Gast. Und ich hoffe, Sie werden dieses Haus nicht eher verlassen, als bis Sie sich von den bescheidenen Eigenschaften meiner Person ein hinlängliches Bild gemacht haben. – Natürlich haben Sie mir auch mitgebracht, worum ich Sie bat. Oder?" – und sie lachte über ihren Scherz.

 

Wahnsinn! Sie ist also doch wahnsinnig! zuckte es mir durch den Sinn: schon wieder diese Anspielung auf die verdammte Lanzenspitze! – – "Lanzenspitze?" – mein Kopf fuhr mir wie gerissen herum, und ich starrte auf die rechte, zum Griff gekrümmte, leere Hand der schwarzen Statue auf dem Altar hinter mir. Die Katzengöttin! Sie ist die Herrin des Symbols, das mir so hartnäckig abverlangt wird! – Ahnungen, wirre Versuche, zu kombinieren, blitzschnell vorüberhuschende Einfälle und Sachverhalte miteinander zu verknüpfen, wirbelten in mir auf. Ich stammelte:

 

 

"Was hat die Statue einst in der Hand gehalten? Sie wissen es; natürlich wissen Sie es, – und in der Tat, es brennt mich geradezu, es von Ihnen zu erfahren..."

"Aber natürlich weiß ich es!" war die lachend gegebene Antwort. "Interessierte es Sie so sehr? Es wird mir eine Freude sein, Ihnen mit meinen geringen archäologischen Kenntnissen dienen zu dürfen. Wenn Sie also gestatten, werde ich Ihnen sofort ein kleines Privatkolleg lesen. Wie... ein deutscher Professor...!" – die Fürstin lachte ihre perlende Tonleiter und klatschte dann nach orientalischer Art kaum hörbar in die Hände. Sofort stand ein kalmückischer Diener stumm wie ein Automat in der Türöffnung. Ein Wink, und der gelbe Geist war von seinem Platz wieder verschwunden, wie aufgeschluckt von der warmen Dämmerung, die überall von den Teppichen hing.

Diese seltsam leuchtende Dämmerung! Jetzt erst fiel mir auf, daß das Zeltzimmer ohne Fenster, somit ohne irgendeine wahrzunehmende Lichtquelle war. ich fand die Zeit nicht, mich zu vergewissern, woher diese sanfte, wie von abendlicher Sonne rötlich vergoldete Beleuchtung in den Raum kommen mochte. Flüchtig dachte ich, es sei da irgendwo eine starke blaue elektrische Tageslichtlampe versteckt, wie Photographen sie haben; und es müsse sich mit ihrem Licht irgendwie der Schein von schwächeren Rot- und Gelblichtönen mischen, wodurch dieser Eindruck von warmem Abenddämmer hervorgebracht wurde. Und dabei bemerkte ich, wie sich ganz allmählich ein fortdauernder Wechsel in dieser Beleuchtung vollzog und das rötliche Licht einem tieferen grünlichen Schimmer wich; bisweilen wars mir, als passe er sich geradezu der Stimmung an, die sich ebenso unmerklich zwischen der Fürstin und mir, langsam wechselnd, entfaltete. – – – Es mag das wohl Einbildung gewesen sein.

Der dunkellivrierte Diener in seinen tadellosen hohen Lackschaftstiefeln, in denen die bauschigen Hosen staken, kehrte geräuschlos wieder. Er trug ein silbernes Tablett mit silbernen Schalen, schwarz tauschiert; "Persische Arbeit", stellte ich fest. Darin lag allerlei Konfekt.

Im nächsten Augenblick war der Mongole wieder wie fortgewischt; zwischen mir und der Fürstin standen die Schalen auf niedrigem Taburett, und ich sah mich genötigt, zuzugreifen.

 

Nun bin ich kein besonderer Freund von Süßigkeiten; eine Zigarette wäre mir lieber gewesen, wenn schon die Bewirtungsszene unumgänglich war. Ich griff also ein wenig widerstrebend nach dem klebrigen orientalischen Zeug und kaute eine solche überkandierte Sache hinunter, indessen die Fürstin ohne Umschweife begann:

"Ich soll also wirklich allen Ernstes dozieren, verehrter Freund? Soll Ihnen von der pontischen Isaïs erzählen? – Man nennt die Göttin nämlich in jenen Landstrichen Isaïs, müssen Sie wissen, nicht Isis!... Das setzt Sie in Erstaunen?"

 

 

"Isaïs?" – entfuhr es mir; ich glaube vielmehr, ich habe das Wort geschrien; ich war aufgesprungen und starrte die Fürstin an. Sie legte aber sachte die Hand auf meine Hüfte und zog mich auf meinen Sitz zurück.

 

"Nun, das ist nichts weiter als eine vilgärgriechische Abwandlung des Namens Isis und hat mit gelehrten Entdeckungen durchaus nichts zu tun, wie Sie anscheinend denken. Die Göttin hat ja mit ihren wechselnden Kultorten und Verehrern auch mannigfache Namensänderungen mitmachen müssen, nicht wahr? Die schwarze Isaïs zum Beispiel, die Sie dort sehen..." – die Fürstin deutete auf die Statue.

Ich nickte nur. Ich konnte nur murmeln: "Ausgezeichnet!"

Wahrscheinlich bezog die Fürstin meinen Ausruf auf die Belehrungen, ich meinte aber die soeben genossene Süßigkeit; Bittermandelmischung wohl; dem Gaumen eines Mannes jedenfalls angenehmer als das gewöhnliche fade Geschleck. Ich griff unaufgefordert in die Schale vor mir und führte ein zweites Stück zum Munde.

Indessen sprach die Fürstin weiter:

"Die schwarze Isaïs hat allerdings andere – sagen wir: andere kultische Bedeutung als die Isis der Ägypter. Die Isis ist im Mittelmeergebiet zur Venus, zur Muttergöttin, zur Beschützerin aller kinderliebenden, zeugungsfrohen Weltbürger geworden, wie ja allgemein bekannt. Unsere pontische Isaïs dagegen ist mit ihren Freunden erschienen..."

Hier blendete mich die Helle des Wiedererinnerns dermaßen, daß ich kaum die Worte finden konnte, um auszurufen:

"Sie ist mir erschienen im Kellergewölbe des Doktors Hajek in Prag, als ich mit Kelley und Jane den Grünen Engel beschwor! Sie war es, die über dem Brunnen der unermeßlichen Tiefe schwebte als ein prophetisches Bild meiner kommenden Leiden, als die bittere Botin der Liebe zu meinem Haß gegen Kelley, zu meinem Haß gegen alles, was mir je teuer war!!"

 

Die Fürstin neigte sich vor:

"Wie interessant! Sie ist Ihnen also wirklich schon einmal erschienen, die Göttin der schwarzen Liebe? – Nun, dann verstehen Sie gewiß desto leichter, was ich Ihnen von der schwarzen Isaïs zu berichten hätte; vor allem nämlich, daß die Göttin im Reiche des anderen Eros herrscht, dessen Größe und Gewalt keiner ahnt, der die Weihen des Hasses nicht in sich erfahren hat."

Gierig fuhr meine Hand in die silberne Schale; ich spürte einen unbezwinglichen Heißhunger nach diesem bittersüßen Konfekt unwiderstehlich Macht über mich gewinnen. Und dann – schiens mir nur so, oder war es Wirklichkeit: das Licht im Raum war plötzlich seltsam grün. Mir war, als säße ich plötzlich unter Wasser, tief auf Meeresgrund oder in einem unterirdischen See, in einem urlange versunkenen Schiff oder einer Insel auf dem Grunde des Ozeans. – Und in diesem Augenblick wußte ich wieder: mag das alles zusammenhängen, wie es will, mag es ein Durchscheinen der schwarzen Isaïs durch den Leib einer irdischen Frau, einer noch so leibhaftigen kaukasischen Fürstentochter, sein: diese Frau da vor mir ist die schwarze Isaïs, die Feindin John Dees, die Erzfeindin meines Geschlechtes, die Zerstörerin der Bahn, die emporführt ins Übermenschentum. – – Und ein eiskaltes Haßgefühl stieg mir durch die Wirbelsäule zum Hinterhaupt hinauf. Ich dachte an Jane, blickte die Fürstin an, und ein wütender Abscheu befiel mich.

 

Die Fürstin mußte wohl fühlen, was sich in meinem Innern begab, denn sie sah mir fest ins Auge und sagte halblaut:

"Ich glaube, Sie sind ein gelehriger Schüler, mein Freund; Sie begreifen rasch; es ist ein Vergnügen, Sie zu unterrichten."

"Ja, ich habe begriffen und wünsche zu gehen!" sagte ich kalt.

"Wie schade! Gerade jetzt könnte ich Ihnen so manchen Aufschluß geben, verehrter Freund!"...

"Es ist mir alles aufgeschlossen. Es genügt mir. Ich... hasse Sie!!" unterbrach ich mich.

 

Die Fürstin sprang auf.

"Endlich! Das ist das Wort eines Mannes! Jetzt wird der Sieg vollkommen sein!"...

Eine unbegreifliche Erregung, die ich kaum zu bemeistern vermochte, machte mir das Sprechen schwer. Ich hörte mich selbst und meine Stimme klang heiser vor Haß:

"Mein Sieg ist: Sie trotz allem durchschaut zu haben. Sehen Sie dorthin!" – ich deutete auf die steinerne Katzengöttin – "das sind Sie selbst! Das ist Ihr Gesicht, wie es in Wahrheit ist! Das ist Ihre Schönheit und das ganze Geheimnis! Und der Spiegel und die fehlende Lanze in diesen Händen, das sind die Zeichen Ihrer höchst primitiven Macht: Eitelkeit und Verlockung, das tausendmal und bis zum Überdruß getändelte Spiel mit den vergifteten Geschossen des Kupido!"

 

Während ich dies und vieles andere der Art in verwirrtem Zorn hervorstieß, war die Fürstin mit dem Ausdruck größter Aufmerksamkeit und mit allen Zeichen sachlicheifrigen Bejahens meiner Behauptungen neben die schwarze Statue der Katzengöttin getreten und nahm, als wolle sie zu genauestem Vergleich auffordern, mit rascher geschmeidiger Anmut ebendieselbe Haltung an wie das Steinbild. Lächelnd gurrte sie:

"Sie sind nicht der erste, mein Freund, der mir die Schmeichelei sagt, es bestehe eine gewisse Ähnlichkeit zwischen diesem ehrwürdigen Kunstwerk und mir – –"

Ich ließ die letzten Zügel der Rücksicht fallen:

 

"Ja, in der Tat! Bis in die schamlosen Einzelheiten dieses Katzenkörpers habe stimmt die Ähnlichkeit, Gnädigste!"

 

Ein spöttisches Lächeln, ein Biegen, ein schlangenförmiger Ruck des Leibes, und die Fürstin stand nackt neben der Steinstatue. Ihr Gewand schien vom Teppich schimmernd emporzuschäumen wie die uralte Meermuschel der Aphrodite.

"Nun, mein Schüler, haben Sie recht? Bestätigt sich Ihre Mutmaßung? Darf ich mir schmeicheln, Ihren Erwartungen – ich darf vielleicht sagen: Ihren Hoffnungen – zu entsprechen? Sehen Sie: In diese linke Hand nehme ich nun den Spiegel –"

 

sie griff mit rascher Bewegung nach einem ovalen Gegenstand, der auf dem Schrein gelegen haben mußte, und hielt mir für einen Augenblick einen bronzegrünen antiken Metallspiegel entgegen –:

"den Spiegel, dessen Bedeutung Sie übrigens recht oberflächlich zu kennzeichnen beliebten. Der Spiegel in der Hand der Göttin ist durchaus nicht ein Zeichen der weiblichen Eitelkeit, sondern, wenn Sie das verstehen können, ein Zeichen für die Richtigkeit aller menschlichen Vervielfältigung im Seelischen sowohl wie im Körperlichen. Er ist ein Symbol des Irrtums, der jedem Zeugungstrieb zugrunde liegt. – Und nun, sehen Sie, fehlt auch mir, auf daß die Ähnlichkeit mit dem Bilde der Gottheit vollkommen sei, nur noch die Lanzenspitze in der rechten Hand. Die Lanze, um die ich Sie so oft schon bat!... Sie würden beträchtlich irren, wenn Sie meinen sollten, sie sei das Attribut des kleinbürgerlichen Amors. Eine solche Geschmacklosigkeit dürften Sie mir übrigens nicht zumuten. Was die unsichtbare Lanze ist, das, hoffe ich, werden Sie heute noch, verehrter Freund, an sich erfahren dürfen – –."

 

Mit vollendeter Sicherheit schritt die Fürstin aus dem Ring ihres am Boden rundum gebauschten Gewandes. Ihr wundervoll ebenmäßiger, hellbronzefarbener Körper, den kaum ein Zeichen schon erfahrener Liebkosung einer jungfräulichen Straffheit beraubt zu haben schien, behauptete sich mit Recht als das schönere Kunstwerk neben der steinernen Isaïs. Ein wilder Duft, so schien es mir, stieg aus den Gewändern am Boden; das Parfüm, das ich kannte und das nun anfing, meine sowieso schon überreizten Sinne vollends zu betäuben. Ich brauchte kein weiteres Zeugnis mehr, daß hier der Kampf um die Probe meiner Kraft, die Entscheidung über die Echtheit meines Berufenseins und über mein ganzes Schicksal auf mich zutrat.

 

Leicht an die dunkle Kante des hohen Bücherschranks gelehnt, stand jetzt die Fürstin mit der völlig freien, unnachahmlichen Grazie unschuldig tierhafter Bewegtheit und fuhr fort, mit ruhiger, wundervoll weicher Stimme zu erzählen von dem alten Kult der pontischen Isaïs, wie er sich bei einer geheimen Sekte der Mithraspriesterschaft entwickelt hatte.

 

 

"Jane! Jane!" rief ich stumm in mich hinein und versuchte, meine Ohren dem dunklen Wohllaut der in sachlichem Vortrag sich ergehenden Stimme neben mir zu verschließen. Das Bild Janes schien mir in einem grünlichen Lichtschein zu schweben; es nickte mir mit traurigem Lächeln zu; es verschwamm und verzitterte in ziehendem, grünem Wasser. – Sie ist wieder "drüben", wie jetzt auch ich, auf dem grünen Grund... schoß mirs durch den Sinn; aber ich verlor die Vision vor meinen Augen, und Assja Chotokalungins wunderbar vollkommene körperliche Nähe, ihre klar und gemessen fortfließende Rede nahmen mich wieder gefangen.

Sie sprach jetzt von den Mysterien des pontischen Geheimkultes, der dieser schwarzen Isaïs gewidmet war und die Priester zwang, nach unausdenklichen Orgien der geistigen Introversion, sich in Frauenkleider zu hüllen, der Göttin von links mit der weiblichen Natur ihres Leibes zu nahen und ihr das Bewußtsein ihrer männlichen Natur zu opfern. Nur entartete Schwächlinge, denen darum auch jede weitere Einweihung, jede fernere Entwicklung auf dem Wege der Jüngerschaft versagt blieb, opferten ihr männliches Prinzip im Rauschtaumel des Ritus an ihrem Körper selbst. Diese Verstümmelten blieben für immer im Vorhof des Tempels, und manche, die später, ernüchtert und von den Ahnungen der höheren Wahrheit heimgesucht, den Fehler ihrer voreiligen Raserei mit Entsetzen erkannten, endeten im Selbstmord, und ihre Larven, ihre Gespenster, bildeten die dienende Lemurengefolgschaft – den Sklavenstaat der Herrin drüben in Ewigkeit.

 

"Jane! Jane!!" fing ich wieder an, um Hilfe in mich hineinzubeten, denn ich fühlte, wie mir ein innerer Halt hinschwand, als brenne ein Rebpfahl mit senkrecht aufstechender Flamme, um dein ein traubenschwer reifender Weinstock gerankt ist...

Vergebens die Anrufung. Ich fühlte deutlich: Jane war weit, unendlich weit von mir; vielleicht lag sie im Tiefschlaf, selbst hilflos und entrückt und abgeschnitten von jeder irdischen Verbindung mit mir.

 

In diesem Augenblick faßte mich ein wütender Zorn auf mich selbst an. "Schwächling! Feigling!! Kastrat wohl gar schon? Wert, wie ein thrazischer Korybant zu enden?! Raff dich auf! Selber stelle dich auf deine eigene Kraft und dein eigenes Bewußtsein. Selbstbewußtsein ist das Prinzip, um das es in diesem satanischen Kampf geht! Selbstbewußtsein soll dir geraubt werden! Selbstbewußtsein nur kann dich retten und kein Gebet zur Mutter – zum Weib in anderer Offenbarung ihres Wesens, sonst wirft sie dir Weiberkleider über, und Priester der Katzengöttin bleibst du so oder so!" – –

 

 

Ich hörte Assja Chotokalungin ruhig weitersprechen:

"Ich hoffe, es ist mir gelungen, deutlich zu machen, daß es im Kulte der pontische Isaïs vor allem darauf ankam, die Priesterneophyten unbarmherzig auf die Stärke ihres unerschütterlichen Selbstbewußtseins zu prüfen, nicht wahr? Liegt doch diesem Myteriumsbekenntnis der große Gedanke zugrunde, daß nicht die selbstverräterische Preisgabe des tierisch fortzeugenden Eros, sondern allein der Haß der Geschlechter gegeneinander, der das Geschlechtsmysterium selber ist, die Erlösung der Welt, die Vernichtung des Demiurgen bewirken kann. – Die Anziehung, der jeder gemeine Mensch von seinem Geschlechtspol her zu unterliegen bereit ist und die er in verächtlich beschönigender Lüge mit dem Wort 'Liebe' bezeichnet, ist das widerwärtige Mittel des Demiurgen, durch das er den ewigen Pöbel der Natur am Leben erhält, so lehrt die geheime Weisheit des Isaïskults. Darum ist 'Liebe' pöbelhaft: denn 'Liebe' raubt dem Manne wie dem Weibe das heilige Prinzip ihrer Selbstheit und stürzt sie beide in die Ohnmacht einer Vereinigung, aus der es für die Kreatur kein anderes Erwachen mehr gibt als das Wiedergeborenwerden in die niedrige Welt, aus der sie gekommen ist und immer wiederkommt. Liebe ist gemein; edel allein ist der Haß!" – –

 

die Augen der Fürstin brannten mir entgegen und zündeten in meinem Herzen wie der elektrische Funken im Dynamit.

Haß! – Haß durchfuhr mich mit der Weißglut der Stichflamme gegen Assja Chotokalungin. Sie stand nackt, gereckt wie eine Riesenkatze zum Sprung, ein sachtes, undeutbares Lächeln um den Mund, vor mir und schien zu lauschen.

 

 

Mühsam bezwang ich das Toben in meiner Brust und gewann die Herrschaft über meine Zunge wieder. Ich konnte nur flüstern: "Haß! Das ist die Wahrheit, Weib! Könnte ich nur sagen, wie ich dich hasse!"

 

 

"Haß!" flüstert sie lüstern. "Haß! Das ist schön. – Endlich, mein Freund, auf dem rechten Weg! Hasse mich! Aber ich spüre nur lauwarme Ströme..." – ein rasend machendes Lächeln der Geringschätzung lief über ihr Gesicht.

 

"Her zu mir!" schrie ich; meine Kehle gehorchte kaum.

Ein wollüstiges Zucken überlief das Fell, das glatte süchtige Fell der Weibskatze vor mir:

 

"Was willst du mir tun, mein Freund?"

"Würgen! Erwürgen will ich dich, Mörderin, Blutkatze, Teufelsgöttin!" – mein Atem ging keuchend; Ringe, Klammern legten sich mir schließlich beengend um Brust und Hals; ich fühlte: wenn ich jetzt nicht sofort das Geschöpf vor mir da vertilge, so kam Vernichtung über mich.

 

"Du fängst an, mich zu genießen, mein Freund; ich beginne es zu spüren", hörte ich Worte aus ihrem Munde hauchen.

Ich wollte auf sie zuspringen; ich merkte, es war mir nicht möglich; meine Füße wuchsen in den Boden hinein; also: Zeit gewinnen, meine Nerven beruhigen, Kraft sammeln! Da trat die Fürstin mit weichem Ruck einen Schritt auf mich zu.

"Jetzt noch nicht, mein Freund..."

"Warum nicht?" tobte und brüllte aus mir eine kaum hörbare Stimme, die heiser war vor sinnloser Wut und... Begier.

"Du hassest mich noch nicht genug, mein Freund!" gurrte die Fürstin.

Da schlug mein Paroxysmus des Abscheus und des Hasses ganz plötzlich um in eine tief aus meinem Innern aufkriechende elende, jämmerliche Angst, und ich schrie mit ebenso plötzlich befreiter Kehle:

 

"Was willst du von mir, Isaïs?"

 

Ruhig antwortete das nackte Weib, wie mit sanfter Überredung ihrer Stimme dämpfend:

 

"Dich auslöschen aus dem Buche des Lebens, mein Freund!"

Da überschlug sich die Angst in mir zu neu aufloderndem Hohn und Übermut; es übertäubte dieses Gefühl der Sicherheit in mir die drohende Kälte der Lähmung; ich höhnte, auflachend:

"Mich?! Ich werde dich ausrotten, du – du Weib aus dem Blute der geschlachteten Katzen! Nicht mehr ruhen werde ich; nicht mehr abspringen werde ich, nicht mehr loslossen deine Schweißspur, die du ziehst, du vom Jäger schon angeschossene Pantherin! Und Haß und Verfolgung und Herzschuß dir, Raubtier, wo ich doch aufstöbere, wo immer ich dich treffe!"

 

Langsam saugenden Blickes nickte mir die Fürstin zu.

Ich verlor für die unennbar kurze Dauer einer Ewigkeit das Bewußtsein. – – –

Als ich mich mit unbeschreiblicher Kraftanstrengung aus diesem Zustand lähmender Lethargie wieder emporriß, stand die Fürstin nicht mehr wie zuvor nackt zwischen Altaraufbau und Bücherschrank, sondern sie lag vielmehr angekleidet, leicht aufgestützten Armes, auf dem Diwan und machte soeben eine lässige bestätigende Bewegung in der Richtung gegen die Türe hinter mir.

Unwillkürlich fuhr ich herum.

Zweierlei erfaßte ich mit ein und demselben Blick:

Im Türrahmen stand, gekleidet in die Livree der Fürstin, totenbleich und stumm, wie alle diese Lakaien hier, mit erloschenem Blick unter fast geschlossenen Augen: – mein Vetter John Roger...

Das lodernde Entsetzen muß mir wie Elmsfeuer über dem Kopf aufgeflackert sein. Ich hörte einen halben, gewürgten Schrei aus mir herausbrechen; suchte einen Halt für meine vom Schwindel gepackten Füße; sah nochmals mit aufgerissenen Augen zur Türe: ich muß wohl einer Täuschung meiner überreizten Sinne zum Opfer gefallen sein: der Diener, der immer noch dort stand, war zwar in der Tat ein blonder, großer Mensch – ein Europäer jedenfalls, ein deutscher Diener offenbar unter diesem unheimlichen Gesindel von Asiaten hier, – aber mein Vetter John Roger, von einer geringfügigen Ähnlichkeit abgesehen, – – war das – doch wohl – nicht.

Und dann sah ich noch etwas; zuerst, weil mich der Schreck über den Diener noch allzu sehr im Banne hielt, mit einer Art bloß dumpfen Feststellen: die schwarze Statue der gräkopontischen Isaïs hielt in ihrer rechten zugekrümmten Steinhand das Bruchstück einer schwarztauschierten Lanze...

 

Ich machte ein paar Schritte auf den Altar zu und sah deutlich, daß der kurz abgebrochene Schaft der Lanzenspitze, wie diese selbst, aus schwarzem Syenit gearbeitet war, – nicht anders als die Statue selber. Stein war mit Stein verwachsen und alles aus einem Stück Stein gehauen, als ob das Attribut niemals in der Hand der Göttin gefehlt hätte... Erst als mir gewiß war, daß ich mich nicht täuschen könnte, kam es mir mit dem Nackendruck einer von hinten zupackenden Faust wieder zum Bewußtsein: die Statue hatte zuvor nichts in ihrer griffbereiten Hand gehalten! Wie kam jetzt die Lanzenspitze in diese schwarze Steinfaust?!

Es blieb mir aber keine Zeit zu fernerem Besinnen.

Die Meldung des Dieners, von der Fürstin zustimmend entgegengenommen, betraf einen Besuch, der draußen warte. An mein Ohr drang die weiche Stimme Assjas:

 

"Was hat Sie nur so schweigsam gemacht, verehrter Freund? Seit Minuten starren Sie vor sich hin und schenken meinen unendlich sorgfältigen Ausführungen über thrazische Lokalkulte nicht die geringste Beachtung mehr? Ich spreche immer weiter in der eitlen Anmaßung, interessant zu dozieren wie ein deutscher Professor, und Sie schlafen mitten im Kolleg ein?! Hören Sie, mein Freund, ist das artig?"

Date: 2015-09-05; view: 250; Нарушение авторских прав; Помощь в написании работы --> СЮДА...



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