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Ïîëåçíîå:

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Êàòåãîðèè:

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Tifereth 19 page





»Wir sind keine Polizisten, und wir halten es nicht für unserer würdig, mit den gewöhnlichen Verhörmethoden vorzugehen. Aber ich glaube auch nicht, dass man den Kräften des Untergrundes mit Menschenopfern beikommt. Hätten sie uns ein Zeichen geben wollen, sie hätten es längst getan. Außer dem Gefangenen wusste noch ein anderer Bescheid, aber der ist verschwunden. Eh bien, heute Abend haben wir die Möglichkeit, diejenigen mit dem Gefangenen zu konfrontieren, die Bescheid wussten und...«, er lächelte und sah Agliè mit halbgeschlossenen Augen unter den buschigen Brauen an,»und sie auch mit uns zu konfrontieren, oder jedenfalls mit einigen von uns... «

»Was wollen Sie damit sagen, Salon?«fragte Agliè mit unsicherer Stimme.

»Wenn Herr Graf erlauben, würde ich das gerne erklären«, sagte Madame Olcott. Sie war es, ich erkannte sie von dem Plakat in der Librairie Sloane. Blasser Teint, in einem grünlichen Kleid, die Haare glänzend von Öl, im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden, die Stimme tief und rau wie bei einem heiseren Mann. Schon in der Buchhandlung war mir dieses Gesicht irgendwie bekannt vorgekommen, jetzt erinnerte ich mich: es war die Druidin, die uns damals in jener Nacht auf der Wiese entgegengelaufen war.»Alex, Denys, bringt den Gefangenen her.«

Sie hatte in herrischem Ton gesprochen, das Raunen im Kirchenschiff schien ihr zuzustimmen, die beiden Riesen gehorchten und übergaben Lorenza zwei Freak Mignons, Agliè hielt die Hände um die Seitenlehnen des Stuhls geklammert und wagte nicht zu widersprechen.

Madame Olcott gab ihren kleinen Monstern ein Zeichen, und zwischen der Statue von Pascal und der Obéissante wurden drei kleine Armstühle aufgestellt, auf denen sie drei Individuen Platz nehmen ließ. Alle drei von dunklem Teint, klein von Statur, nervös, mit großen weißen Augen.»Die Drillinge Fox, Ihr kennt sie gut, Graf. Theo, Leo, Geo, setzt euch und macht euch bereit.«

In diesem Augenblick erschienen die Riesen von Avalon wieder und brachten Jacopo Belbo herein, der ihnen gerade bis an die Schultern reichte. Mein armer Freund, er war aschgrau im Gesicht, seit Tagen unrasiert, die Hände waren ihm auf den Rücken gebunden, sein Hemd stand offen über der Brust Als er an diesen weihrauchgeschwängerten Ort kam, kniff er die Augen zusammen. Er schien sich nicht zu wundern über die Versammlung von Hierophanten, die er da vor sich sah, in den letzten Tagen musste er sich daran gewöhnt haben, auf alles gefasst zu sein.

Allerdings war er nicht darauf gefasst, plötzlich das Pendel vor sich zu sehen, nicht in dieser Position. Doch die beiden Riesen schleppten ihn vor den Stuhl Agliès. Vom Pendel hörte er jetzt nur das leise Sausen, das es hinter ihm machte, wenn es vorbeischwang.

Einen Moment lang drehte er sich um, und da sah er Lorenza. Er fuhr zusammen, wollte sie anrufen, versuchte sich zu befreien, aber Lorenza, die ihn stumpf anstarrte, schien ihn nicht zu erkennen.

Im selben Moment erhob sich aus dem hinteren Teil des Kirchenschiffs, wo die Kasse und die Büchertische waren, ein Trommelwirbel, begleitet von schrillen Flötentönen. Mit einem Schlag öffneten sich die Türen von vier Automobilen, und heraus kamen vier Wesen, die ich ebenfalls schon auf dem Plakat des Petit Cirque gesehen hatte.

Ein Filzhut ohne Krempe, wie ein Fez, weite schwarze, bis zum Hals geschlossene Mäntel: Les Derviches Hurleurs entstiegen den Automobilen wie Auferstandene aus ihren Gräbern und begaben sich an den Rand des Magischen Kreises, wo sie sich niederhockten. Die Flöten im Hintergrund intonierten jetzt eine sanfte Melodie, während die Derwische ebenso sanft die Hände auf den Boden schlugen und den Kopf beugten.

Aus der Kanzel des Breguet‑Flugzeugs erhob sich, wie ein Muezzin auf dem Minarett, ein fünfter Heulender Derwisch und begann zu psalmodieren, in einer mir unbekannten Sprache, seufzend, klagend, mit schrillen Tönen, indes die Trommeln wieder lauter zu wirbeln begannen.

Madame Olcott beugte sich hinter die Gebrüder Fox und flüsterte ihnen etwas ins Ohr. Die drei versanken in ihren Armsesseln, die Hände fest um die Lehnen geklammert, die Augen geschlossen, und begannen zu schwitzen und heftig mit allen Gesichtsmuskeln zu zucken.

Madame Olcott wandte sich an die Versammlung der Würdenträger.»Jetzt werden meine drei braven Brüderchen drei Personen herholen, die Wissende waren.«Sie machte eine Pause, dann verkündete sie:»Edward Kelley, Heinrich Khunrath und...«, erneute Pause,»der Graf von Saint‑Germain.«

Zum ersten Mal sah ich Agliè die Selbstbeherrschung verlieren. Er sprang von seinem Stuhl auf, und schon das war ein Fehler. Dann stürzte er sich der Frau entgegen – beinahe nur zufällig stieß er nicht mit dem Pendel zusammen – und schrie:»Viper, Lügnerin, du weißt genau, dass es nicht sein kann... «Und zu der Menge gewandt:»Schwindel! Betrug! Stoppt sie!«

Aber niemand rührte sich, im Gegenteil, Pierre ging hin, setzte sich auf den Stuhl und sagte:»Bitte sehr, fahren Sie fort, Madame.«

Agliè fasste sich wieder. Er gewann seine Kaltblütigkeit zurück, trat beiseite zwischen die Zuschauer und sagte herausfordernd:»Na los, sehen wir's uns an.«

Madame Olcott hob den Arm, als gäbe sie das Startzeichen zu einem Rennen. Die Musik wurde immer lauter und hektischer, zerfiel in eine Kakofonie von Dissonanzen, die Trommeln wirbelten ohne Rhythmus, die Derwische, die schon begonnen hatten, den Oberkörper vor‑und zurückzubewegen, nach rechts und nach links, sprangen auf, warfen die Mäntel ab und hielten die Arme starr ausgebreitet, als wollten sie zum Fluge abheben. Nach einem Moment der Reglosigkeit begannen sie sich auf einmal wirbelnd um sich selbst zu drehen, wobei sie den linken Fuß als Achse benutzten, das Gesicht hochgereckt, konzentriert und versunken, während ihre plissierten Jäckchen sich glockenförmig zu den Pirouetten erhoben, so dass sie aussahen wie Blumen in einem Wirbelwind.

Inzwischen hatten die drei Fox‑Brüder sich gleichsam zusammengezogen, verkrampft hockten sie auf ihren Stühlen mit angestrengten, verzerrten Gesichtern, als wollten sie den Darm entleeren und könnten nicht, schwer atmend. Die Glut im Kohlebecken war schwächer geworden, und die Akolythen der Madame Olcott hatten alle am Boden stehenden Laternen gelöscht. Die Kirche wurde nur noch von matten Schein der Laternen im Langschiff erleuchtet.

Und langsam, Schritt für Schritt, ereignete sich das Wunder. Auf den Lippen von Theo Fox erschien etwas wie ein weißlicher Schaum, der sich zusehends verdeckte, und ein ähnlicher Schaum erschien mit leichter Verzögerung auf den Lippen seiner zwei Brüder.

»Gut, Brüder, weiter so«, raunte Madame Olcott ihnen ermunternd ins Ohr,»weiter, weiter, strengt euch an, ja, ja, so ist's gut!«

Die Derwische jaulten abgehackt und hysterisch, wackelten mit den Köpfen und drehten sich, stießen hektische Schreie aus, die dann röchelnd verklangen.

Die drei Medien schienen eine Substanz auszuschwitzen, die zuerst gasförmig war und dann immer dichter wurde, wie eine Lava, ein Eiweiß, das langsam körnig wird, der Schwaden stieg und fiel, strich ihnen um die Schultern, die Brust, die Beine, mit gewundenen Bewegungen, die an ein Reptil erinnerten. Ich begriff nicht, ob ihnen das Zeug aus den Poren kam, aus dem Mund, den Ohren oder den Augen. Die Menge drängte sich weiter vor, immer näher zu den drei Brüdern und den Heulenden Derwischen. Ich hatte alle Angst verloren: in der Gewissheit, nicht bemerkt zu werden, trat ich aus meinem Versteck hervor und setzte mich damit noch mehr den Dämpfen aus, die den Kirchenraum füllten.

Rings um die drei Medien lag jetzt ein milchiger Schein mit verschwimmenden Rändern. Die Substanz löste sich langsam von ihnen und nahm amöbenartige Formen an. Aus der Form, die vom ersten der drei Brüder ausging, löste sich eine Art Spitze, die sich hinunterbog und an seinem Körper wieder hinaufstieg, als wäre sie ein Tier, das mit dem Schnabel picken wollte. Vorn an der Spitze bildeten sich zwei Auswüchse, beweglich wie die Fühler einer Schnecke...

Die Derwische hatten die Augen geschlossen und den Mund voller Geifer, und so begannen sie nun, immer noch pirouettierend, im Kreise rings um das Pendel zu tanzen, soweit es der Platz erlaubte, wobei es ihnen wundersamerweise gelang, das schwingende Pendel nicht zu berühren. Immer rasender wirbelnd, warfen sie ihre Hüte fort, um lange schwarze Haare flattern zu lassen, während ihre Köpfe davonzufliegen schienen. Dazu stießen sie lang gezogene Schreie aus, wie damals in Rio, houu houu houuuuu...

Die weißen Gestalten wurden allmählich deutlicher, eine von ihnen nahm vage menschliche Züge an, die andere war noch ein Phallus, eine Flasche, ein Destillierkolben, die dritte verwandelte sich immer klarer zu einem Vogel, einer Eule mit großer Brille und aufgestellten Ohren, der Schnabel gekrümmt wie bei einer alten Naturkundelehrerin.

Madame Olcott befragte die erste Gestalt:»Kelley, bist du's?«Und aus der Gestalt kam eine Stimme. Es war sicher nicht Theo Fox, der da sprach, es war eine ferne Stimme, die mühsam hervorstieß:»Now... I do reveale... a mighty Secret, if you marke it well... «

»Ja, ja«, insistierte die Olcott. Und die Stimme:»This very place is call'd by many names... Earth... Earth is the lowest element of All... When thrice yee have turned this Wheele about... thus my greate Secret I have revealed... «

Theo Fox machte eine Handbewegung, als wollte er um Gnade bitten.»Entspanne dich ein wenig, aber halte es aufrecht«, sagte Madame Olcott zu ihm. Dann wandte sie sich an die Gestalt der Eule:»Du bist Khunrath, ich erkenne dich. Was willst du uns sagen?«

Die Eule schien zu sprechen:»Hallelu‑ja... Hallelu‑ja. Was...«

»Was?«

»Was helffen Fackeln, Licht... oder Briln... so die Leut nit... sehen... wollen...«

»Wir wollen ja«, sagte Madame Olcott.»Sag uns, was du weißt...«

»Symbolen kósmou... ta antra... kaí tōn enkosmíōn... dynámeōn etíthento... hoi theológoi...

Auch Leo Fox war mit seinen Kräften am Ende, die Stimme der Eule wurde immer schwächer. Leo beugte den Kopf zurück und hielt die Gestalt nur noch mühsam aufrecht, doch unerbittlich forderte Madame Olcott ihn zum Durchhalten auf und wandte sich an die dritte Gestalt, die nun ebenfalls anthropomorphe Züge angenommen hatte.»Saint‑Germain, Saint‑Germain, bist du's? Was weißt du?«

Die Gestalt begann eine Melodie anzustimmen. Mit einer Handbewegung gebot Madame Olcott den Musikern, ihren Lärm einzustellen, während die Derwische nicht mehr heulten, aber fortfuhren, immer matter zu pirouettieren.

Die Gestalt sang:»Gentle love this hour befriends me... «

»Du bist es, ja, ich erkenne dich«, sagte Madame Olcott ermunternd.»Sprich, sag uns, wo, was...«

Und die Gestalt:»Il était nuit... La tête couverte du voile de lin... j'arrive… je trouve un autel de fer, j’y place le rameau mystérieux... Oh, je crus descendre dans un abîme... des galeries composées de quartiers de pierre noire... mon voyage souterrain...«

»Fälschung, Fälschung!«schrie Agliè.»Brüder, ihr alle kennt diesen Text, er ist aus der Très Sainte Trinosophie, ich selbst habe das geschrieben, jeder kann's nachlesen, für bloß sechzig Francs!«Er rannte zu Geo Fox und schüttelte ihn am Arm.

»Hör auf, du Betrüger!«schrie Madame Olcott.»Du bringst ihn ja um.«

»Und wenn schon!«schrie Agile und kippte das Medium vom Stuhl.

Geo Fox versuchte, sich an seiner eigenen Sekretion festzuhalten, die er mit sich zu Boden riss, wo sie sich auflöste und zerfloss. Er wälzte sich in dem Geifer, den er weiterhin ausspie, bis er steif wurde und leblos dalag.

»Aufhören, Narr!«schrie Madame Olcott und packte Agliè am Arm. Dann zu den beiden anderen Brüdern:»Haltet durch, meine Kleinen, sie müssen noch einmal sprechen. Kunrath, Khunrath, sag's ihm, sag, dass ihr echt seid!«

Leo Fox versuchte, die Eule wieder einzusaugen, um zu überleben. Madame Olcott trat hinter ihn und presste die Finger an seine Schläfen, um ihn unter ihren Willen zu zwingen. Die Eule bemerkte, dass sie im Verschwinden begriffen war, und wandte sich gegen ihren Erzeuger:»Phy, Phy, Diabolos!«zischte sie und versuchte ihm die Augen auszuhacken. Leo Fox stieß einen erstickten Schrei aus, als hätte man ihm die Kehle durchgeschnitten, und fiel auf die Knie. Die Eule verschwand in einer widerwärtigen Schlickpfütze (pfuii, pfuiii, machte sie), Leo stürzte kopfüber in die Pfütze, erstickte darin und blieb reglos liegen. Die Olcott fuhr wütend zu Theo herum, der tapfer standgehalten hatte:»Sprich, Kelly! Hörst du mich?«

Kelley sagte nichts mehr. Er versuchte, sich von seinem Erzeuger abzulösen, der nun aufbrüllte, als würden ihm die Eingeweide herausgerissen, und mit den Händen ins Leere griff, um zurückzuholen, was er hervorgebracht hatte.»Kelley, denk an deine abgeschnittenen Ohren«, rief die Olcott,»hüte dich, noch einmal falsch zu spielen!«Aber Kelley, dem es nicht gelang, sich von Theo zu trennen, versuchte ihn jetzt zu ersticken. Er war zu einer Art riesigem Kaugummi geworden, den der letzte Fox‑Bruder vergeblich abzuschütteln versuchte. Dann stürzte auch Theo zu Boden, hustete, vermischte sich langsam mit seinem Auswurf, der ihn verschlang, und wälzte sich zappelnd am Boden, als würde er von Flammen verzehrt. Das, was Kelley gewesen war, legte sich über ihn wie ein Schweißtuch, zerfloss dann und ließ ihn leblos am Boden liegen, die andere Hälfte seiner selbst, die Mumie eines von Salon einbalsamierten Kindes. Im selben Augenblick blieben die vier tanzenden Derwische urplötzlich stehen, rissen die Arme hoch, verharrten ein paar Sekunden so, um dann zusammenzubrechen, winselnd wie Welpen, und sich die Hände vors Gesicht zu schlagen.

Agliè hatte sich unterdessen in den Chorumgang begeben, wischte sich den Schweiß von der Stirn mit dem kleinen Taschentuch, das seine Brusttasche zierte, holte zweimal tief Luft und steckte sich eine weiße Pille in den Mund. Dann hob er Ruhe gebietend die Hand.

»Brüder, Ritter. Ihr habt gesehen, was für Erbärmlichkeiten uns diese Frau hat vorsetzen wollen. Besinnen wir uns und kommen wir auf meinen Vorschlag zurück Gebt mir eine Stunde Zeit, den Gefangenen hinüberzubringen.«

Madame Olcott war ausgeschaltet, stumm beugte sie sich über ihre drei Medien in einem fast menschlichen Schmerz. Aber Pierre, der das Schauspiel vom Lehnstuhl aus verfolgt hatte, nahm jetzt die Situation wieder in die Hand.»Non!«sagte er entschieden.»Es gibt nur ein Mittel. Le sacrifice humain! Das Menschenopfer! Her mit dem Gefangenen!«

Hypnotisiert von seiner Energie packten die beiden Riesen Belbo, der die Szene reglos verfolgt hatte, und stießen ihn vor Pierre. Dieser, flink wie ein Taschenspieler, sprang auf, stellte den Stuhl auf den Tisch, schob diesen in die Mitte des Chorraums, packte das Pendel im Fluge und stoppte die Kugel, deren Gewicht ihn ein paar Schritte zurückweichen ließ. Es ging alles im Nu: Als folgten sie einem Plan – und vielleicht hatte es während des Durcheinanders ja wirklich eine Absprache gegeben –, sprangen die beiden Riesen auf den Tisch, hoben Belbo auf den Stuhl, der eine legte das Seil des Pendels zweimal um Belbos Hals, während der andere die Kugel hochhielt, um sie dann vorsichtig auf den Tischrand zu legen.

Bramanti stürzte sich vor diesen Galgen, glühend vor Majestät in seinem scharlachroten Mantel, und psalmodierte:»Exorcizo igitur te per Pentagrammaton, et in nomine Tetragrammaton, per Alpha et Omega qui sunt in spiritual Azoth. Saddai, Adonai, Jotchavah, Eieazereie! Michael, Gabriel, Raphael, Anael. Fluat Udor per spiritum Elohim! Maneat Terra per Adam Iot‑Cavah! Per Samael Zebaoth et in nomine Elohim Gibor, veni Adramelech! Vade retro Lilith!«

Belbo stand aufrecht auf dem Stuhl mit dem Strick um den Hals. Die Riesen brauchten ihn nicht mehr festzuhalten. Wenn er nur eine einzige falsche Bewegung machte, würde er aus dieser labilen Position zu Boden stürzen, und die Schlinge würde ihn erdrosseln.

»Idioten!«schrie Agliè.»Wie bringen wir's jetzt wieder richtig in Gang?«Er dachte nur an die Rettung des Pendels.

Bramanti lächelte.»Machen Sie sich darüber keine Sorgen, Herr Graf. Hier mischen wir nicht Ihre Tinkturen. Dies hier ist das Pendel, wie es von ihnen konzipiert worden ist. Es wird schon wissen, wie es zu pendeln hat. Und in jedem Falle: um eine Kraft zum Handeln zu bringen, ist nichts besser als ein Menschenopfer.«

Bis zu diesem Moment hatte Belbo gezittert. Jetzt sah ich ihn sich entspannen, ich sage nicht, sich beruhigen, aber er betrachtete nun die Szene mit Neugier. Ich glaube, in diesem Moment hatte er, angesichts des Streits zwischen seinen beiden Gegnern, vor sich die verrenkten Körper der drei Medien, rechts und links die noch keuchenden und zuckenden Derwische, dahinter die Insignien der aufgelösten Würdenträger, seine authentischste Gabe wiedergefunden: den Sinn für das Lächerliche.

In diesem Moment, ich bin sicher, beschloss er, sich niemals wieder angst machen zu lassen. Vielleicht gab ihm seine erhöhte Position ein Gefühl der Überlegenheit, während er diese Versammlung von Besessenen betrachtete, die sich da vor ihm eine Fehde wie im Kasperltheater lieferten, während im Hintergrund, fast schon im Eingangsraum, die kleinen Monster, die sich nicht mehr für das Geschehen im Chor interessierten, einander feixend Rippenstöße versetzten, wie Annibale Cantalamessa und Pio Bo.

Nur einmal schaute er besorgt zu Lorenza hinüber, die wieder von den zwei Riesen gehalten wurde und sich in heftigen Zuckungen wand. Sie hatte das Bewusstsein wiedererlangt. Sie weinte.

Ich weiß nicht, ob Belbo beschlossen hatte, ihr seine Angst nicht zu zeigen, oder ob seine Entscheidung nicht eher die einzige Art war, in der er seine Verachtung für diese wüste Horde und seine Überlegenheit ausdrücken konnte. Er stand aufrecht, den Kopf erhoben, das Hemd offen über der Brust, die Hände im Rücken zusammengebunden, stolz, als hätte er niemals Angst empfunden.

Beruhigt durch Belbos Ruhe, jedenfalls resigniert den Stillstand des Pendels hinnehmend, noch immer begierig, das Geheimnis zu erfahren, vermeintlich am Ziel seiner lebenslangen (oder viele Leben langen) Suche, zugleich entschlossen, seine Anhänger wieder in die Gewalt zu bekommen, wandte Agliè sich erneut an Jacopo:»Kommen Sie, Belbo, besinnen Sie sich. Sie sehen doch, Sie befinden sich in einer, um das mindeste zu sagen, unangenehmen Lage. Also hören Sie auf mit Ihrem Theater.«

Belbo erwiderte nichts. Er schaute woandershin, als wollte er diskret ein Gespräch überhören, das ihm zufällig an die Ohren drang.

Agliè insistierte, konziliant, als spräche er mit einem Kind:»Ich verstehe ja Ihre Verärgerung und, wenn Sie gestatten, Ihre Reserve. Ich begreife, dass es Sie anwidert, ein so intimes und eifersüchtig bewahrtes Geheimnis nun einem Pöbel anzuvertrauen, der eben erst ein so wenig erbauliches Schauspiel gegeben hat. Eh bien, Sie können Ihr Geheimnis auch mir ganz allein anvertrauen, flüstern Sie mir's ins Ohr. Ich lasse Sie jetzt heruntersteigen, und ich weiß, dass Sie mir ein Wort sagen werden, ein einziges Wort.«

Und Belbo:»Sie meinen?«

Da wechselte Agliè den Ton. Zum ersten Mal sah ich ihn gebieterisch, priesterlich, hieratisch. Er sprach, als trüge er eines der ägyptischen Gewänder seiner Freunde. Ich bemerkte die Falschheit seines Tons, es schien, als parodierte er diejenigen, denen gegenüber er nie mit seiner nachsichtigen Verachtung gegeizt hatte. Zugleich aber sprach er mit der vollen Autorität seiner neuen Rolle. Aus irgendwelchen besonderen Gründen – denn es konnte nicht unbewusst sein – gab er der Szene einen melodramatischen Anstrich. Wenn er spielte, spielte er gut, denn Belbo schien keinen Betrug zu bemerken und hörte ihm zu, als ob er nichts anderes von ihm erwartet hätte.

»Jetzt wirst du sprechen«, sagte Agliè.»Du wirst sprechen und wirst nicht draußen bleiben in diesem Großen Spiel. Schweigst du, bist du verloren. Sprichst du, hast du teil an dem Sieg. Denn wahrlich, ich sage dir, diese Nacht bist du, bin ich, sind wir alle in Hod, der Sefirah des Glanzes, der Majestät und der Glorie, in Hod, das die zeremoniale und rituelle Magie regiert, in Hod, dem Augenblick, da sich die Ewigkeit auftut. Von diesem Augenblick habe ich jahrhundertelang geträumt. Du wirst sprechen und wirst dich mit den einzigen vereinen, die sich, nach deiner Enthüllung, als Herren der Welt bezeichnen können. Erniedrige dich, und du wirst erhöht werden. Du sprichst, weil ich es dir befehle, du sprichst, weil ich es sage, und meine Worte efficiunt quod figurant! (bewirken, was sie abbilden)«

Da sagte Belbo, nun unbesiegbar: »Ma gavte la nata...«

Agliè, der vielleicht auf eine Weigerung gefasst war, erbleichte ob der Beleidigung.»Was hat er gesagt?«fragte Pierre hysterisch.»Nichts, er wird nicht sprechen«, antwortete Agliè, breitete die Arme aus mit einer halb resignierten, halb herablassenden Gebärde und sagte zu Bramanti:»Er gehört euch.«

Und Pierre, außer sich:»Assez, assez, le sacrifice humain, le sacrifice humain!«

»Ja, sterben soll er, wir finden die Antwort auch so!«kreischte, ebenfalls außer sich, Madame Olcott, die wieder hervorgetreten war und sich nun auf Belbo stürzte.

Fast gleichzeitig bewegte sich Lorenza. Sie riss sich aus dem Griff der Riesen los, stellte sich vor Belbo unter den Galgen, breitete die Arme aus, wie um eine Invasion aufzuhalten, und schrie unter Tränen:»Seid ihr denn alle wahnsinnig geworden, das könnt ihr doch nicht machen!«Agliè, der sich schon zurückziehen wollte, blieb einen Moment wie angewurzelt stehen, dann lief er zu ihr, um sie fortzuziehen.

Danach ging alles blitzschnell. Der Olcott war das Haar aufgegangen, fauchend und flammend wie eine Medusa fuhr sie mit gespreizten Krallen auf Agliè los, zerkratzte ihm das Gesicht und stieß ihn beiseite, Agliè taumelte rückwärts, stolperte über das Kohlebecken, pirouettierte um sich selbst wie ein Derwisch, schlug mit dem Kopf gegen eine Maschine und fiel mit blutüberströmtem Gesicht zu Boden. Im selben Augenblick stürzte sich Pierre auf Lorenza, zog im Sprung den Dolch aus der Scheide, die er vor der Brust trug, doch ich sah ihn jetzt nur von hinten und begriff nicht gleich, was geschah, aber dann sah ich Lorenza vor Belbos Füßen zusammensinken, wachsweiß im Gesicht, und Pierre, der triumphierend die Klinge hochhob und brüllte:»Enfin, le sacrifice humain!«Und zu der Menge im Kirchenschiff gewandt, mit voller Kraft:»I'a Cthulhu! I'a Sha‑t'n!«

Mit einem Schlag geriet die Masse der Zuschauer in Bewegung, einige stürzten und wurden überrannt, andere drohten, die große Cugnot‑Karosse umzustürzen. Ich hörte – zumindest glaube ich es, aber ein so groteskes Detail kann ich mir nicht eingebildet haben – die Stimme von Signor Garamond, der sagte:»Also bitte, Messieurs, ein Minimum an Anstand... «Bramanti kniete vor der Leiche Lorenzas und deklamierte ekstatisch:»Asar, Asar! Wer packt mich am Hals? Wer nagelt mich auf den Boden? Wer sticht in mein Herz? Ich bin unwürdig, die Schwelle des Hauses der Maat zu überschreiten!«

Vielleicht hatte es niemand gewollt, vielleicht sollte das Opfer Lorenzas genügen, doch inzwischen drängten sich die Akolythen in den magischen Kreis, der durch den Stillstand des Pendels zugänglich geworden war, und jemand – ich hätte geschworen, dass es Ardenti war – wurde im allgemeinen Getümmel gegen den Tisch gestoßen, der buchstäblich unter Belbos Füßen verschwand, wegbrach, während das Pendel durch die Wucht des Stoßes plötzlich und heftig zu schwingen begann, sein Opfer mitreißend. Das Seil, vom Gewicht der Kugel gestrafft, zog sich ruckartig wie ein Lasso um den Hals meines armen Freundes zusammen und riss ihn nach hinten in die Luft, und so schwang er am Pendel hängend ins östliche Ende des Chors, machte kehrt und schwang zurück, nun bereits leblos (hoffte ich), mir entgegen.

Die Menge wich übereinanderstolpernd an die Ränder des Kreises zurück, um dem Wunder Platz zu machen. Der Spezialist für die Schwingungen, berauscht von der Wiedergeburt des Pendels, sekundierte seinem Impetus, indem er direkt am Leib des Gehenkten agierte. Die Schwingungsachse bildete eine Diagonale von meinen Augen zu einem der Chorfenster, sicherlich dem mit dem Loch, durch das in wenigen Stunden der erste Sonnenstrahl hereinfallen sollte. Ich sah also Jacopo nicht vor mir pendeln, aber ich glaube, dass dies die Figur war, die er im Raum beschrieb...

Sein Kopf erschien wie eine zweite Kugel, eingefügt am Seil des Pendels zwischen Basis und Aufhängepunkt, und wenn die metallene Kugel nach rechts strebte, neigte sich Belbos Kopf – die andere Kugel – nach links, und umgekehrt. Lange gingen die beiden Kugeln auf diese Weise in entgegengesetzte Richtungen, so dass die Figur, die das Pendel in den Raum säbelte, nicht mehr eine Gerade war, sondern ein dreieckiges Gebilde. Doch während Belbos Kopf dem Zug des gespannten Seils folgte, zeichnete sein Leib – vielleicht zuerst noch im letzten Zucken, dann mit der spastischen Behändigkeit einer hölzernen Marionette – andere Bögen ins Leere, unabhängig vom Kopf, vom Seil und von der Kugel am unteren Ende, die Arme da, die Beine dort –, und mir war, als würde, hätte jemand die Szene mit einer Muybrigde‑Kamera fotografiert, so dass jeder Augenblick als eine räumliche Folge von Positionen auf den Film gebannt worden wäre – also die beiden äußersten Punkte, an denen der Kopf sich bei jeder Schwingung befand, die beiden Punkte des Stillstands der Kugel, die ideellen Schnittpunkte der beiden Seile des Kopfes und der Kugel, beide unabhängig voneinander, und die Punkte dazwischen, markiert von den Enden der Schwingungsebene des Rumpfes und der Beine –, dann hätte, so schien mir, der am Pendel erhenkte Jacopo Belbo den Sefiroth‑Baum ins Leere gezeichnet, hätte mithin in seinem letzten Moment die Geschichte sämtlicher Universen resümiert, hätte in seinem Schwingen und Pendeln die zehn Etappen des Ausströmens und Sich‑Entleerens der Gottheit in die Welt festgehalten.

Dann, während der Mandrake fortfuhr, diese Totenschaukel in Gang zu halten, kam durch ein schauriges Zusammenspiel von Kräften, eine Wanderung von Energien, Belbos Leib zum Stillstand. Er hörte auf zu pendeln, das Seil mit der metallenen Kugel pendelte nur noch unter ihm, während er selbst und der Rest des Seils bis hinauf zum Schlussstein reglos verharrten. So war Belbo, dem Irrtum der Welt und ihrer Bewegung entronnen, nun selbst zum Aufhängepunkt geworden, zum Fixpunkt im Universum, dem Ort, an dem das Gewölbe der Welt sich festhält, und nur unter seinen Füßen schwang die Kugel weiter von einem Pol zum andern, friedlos, während die Erde sich unter ihm wegdrehte, immer neue Kontinente vorweisend – und weder wusste die Kugel zu zeigen, noch würde sie je zu zeigen wissen, wo sich der Nabel der Welt befand.

Während die Meute der Diaboliker, einen Moment lang erstarrt vor dem Wunder, erneut zu lärmen begann, sagte ich mir, dass die Geschichte nun wirklich zu Ende war. Wenn Hod die Sefirah der Größe ist, hatte Belbo seine Größe gehabt. Eine einzige unerschrockene Geste hatte ihn mit dem Absoluten versöhnt.

 

114

 

 

Das ideale Pendel besteht aus einem extrem dünnen Faden, der sich keiner Flexion oder Torsion widersetzt, von einer Länge L, an dessen Baryzentrum eine Masse befestigt ist. Für die Kugel ist das Baryzentrum der Mittelpunkt, für einen menschlichen Körper ist es ein Punkt auf 0,65 seiner Höhe, gemessen von den Füßen aufwärts. Wenn der Gehenkte 1,70 m groß ist, liegt das Baryzentrum 1,10 m über seinen Fußsohlen, und die Länge L enthält diese Höhe. Mit anderen Worten, wenn der Kopf vom Scheitel bis zum Hals 0,30 m lang ist, liegt das Baryzentrum auf der Höhe 1,70 ‑1,10 = 0,60 m unterhalb des Kopfes und 0,60 ‑0,30 = 0,30 m unterhalb des Halses des Gehenkten. Die Periode kleiner Schwingungen des Pendels, wie sie Huygens bestimmt hat, ist gegeben durch:

Date: 2015-12-13; view: 339; Íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ; Ïîìîùü â íàïèñàíèè ðàáîòû --> ÑÞÄÀ...



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