Ãëàâíàÿ Ñëó÷àéíàÿ ñòðàíèöà


Ïîëåçíîå:

Êàê ñäåëàòü ðàçãîâîð ïîëåçíûì è ïðèÿòíûì Êàê ñäåëàòü îáúåìíóþ çâåçäó ñâîèìè ðóêàìè Êàê ñäåëàòü òî, ÷òî äåëàòü íå õî÷åòñÿ? Êàê ñäåëàòü ïîãðåìóøêó Êàê ñäåëàòü òàê ÷òîáû æåíùèíû ñàìè çíàêîìèëèñü ñ âàìè Êàê ñäåëàòü èäåþ êîììåð÷åñêîé Êàê ñäåëàòü õîðîøóþ ðàñòÿæêó íîã? Êàê ñäåëàòü íàø ðàçóì çäîðîâûì? Êàê ñäåëàòü, ÷òîáû ëþäè îáìàíûâàëè ìåíüøå Âîïðîñ 4. Êàê ñäåëàòü òàê, ÷òîáû âàñ óâàæàëè è öåíèëè? Êàê ñäåëàòü ëó÷øå ñåáå è äðóãèì ëþäÿì Êàê ñäåëàòü ñâèäàíèå èíòåðåñíûì?


Êàòåãîðèè:

ÀðõèòåêòóðàÀñòðîíîìèÿÁèîëîãèÿÃåîãðàôèÿÃåîëîãèÿÈíôîðìàòèêàÈñêóññòâîÈñòîðèÿÊóëèíàðèÿÊóëüòóðàÌàðêåòèíãÌàòåìàòèêàÌåäèöèíàÌåíåäæìåíòÎõðàíà òðóäàÏðàâîÏðîèçâîäñòâîÏñèõîëîãèÿÐåëèãèÿÑîöèîëîãèÿÑïîðòÒåõíèêàÔèçèêàÔèëîñîôèÿÕèìèÿÝêîëîãèÿÝêîíîìèêàÝëåêòðîíèêà






Chochmah 12 page





Belbo bat um das Blatt und überflog es.»Aber auch dann kommt nur eine sinnlose Buchstabenfolge heraus: kdruuuth...«

»Natürlich«, sagte der Oberst mit Nachsicht.»Die Templer hatten sich nicht allzu viel Mühe gegeben, aber sie waren auch nicht allzu faul. Diese erste Buchstabenfolge ist ihrerseits eine chiffrierte Botschaft, und hier dachte ich nun sofort an die zweite Serie der zehn kleineren Kryptosysteme. Sehen Sie, für diese zweite Serie benutzte Trithemius drehbare Scheiben, und die des ersten Systems ist diese hier...«

Er zog eine andere Fotokopie aus seiner Mappe, rückte seinen Stuhl an den Tisch und verdeutlichte uns seine Demonstration, indem er die einzelnen Buchstaben mit der Kappe seines geschlossenen Füllfederhalters antippte.

 

Chiffierscheibe

 

aus Trithemius, Clavis Steganographiae, Frankfurt a. M. 1606

 

»Es ist das einfachste System. Beachten Sie nur den äußeren Kreis. Für jeden Buchstaben der Botschaft in Klarschrift nimmt man den Buchstaben, der vorausgeht. Für A schreibt man Z, für B schreibt man A und so weiter. Kinderspiele für einen Geheimagenten heute, aber damals wurde dergleichen als Hexerei angesehen. Zum Dechiffrieren geht man natürlich den umgekehrten Weg und ersetzt jeden Buchstaben des Chiffrierten durch den folgenden. Ich hab's probiert, und sicher war es auch Glück, dass der erste Versuch gleich klappte, aber voila, hier ist die Lösung.«Er schrieb:» Les XXXVI inuisibles separez en six bandes – die sechsunddreißig Unsichtbaren geteilt in sechs Gruppen.«

»Und was heißt das?«

»Auf den ersten Blick nichts. Es handelt sich um eine Art Überschrift oder Präambel zur Konstitution eines Bundes, aus rituellen Gründen in Geheimsprache geschrieben. Für den Rest haben sich unsere Templer, wohl in der Gewissheit, dass sie ihre Botschaft an einem unzugänglichen Ort deponieren würden, mit dem normalen Französisch des vierzehnten Jahrhunderts begnügt. Sehen wir uns nun den zweiten Text an.«

a la... Saint Jean

 

36 p charrete de fein

 

6 … entiers avec saiel

 

P... les blancs mantiax

 

r... s... chevaliers de Pruins pour la... j. nc.

 

6 foiz 6 en 6 places

 

chascune foiz 20 a.... 120 a....

 

iceste est l'ordonation

 

al donjon li premiers

 

it li secunz joste iceus qu i... pans

 

it al refuge

 

it a Nostre Dame de l'altre part de l'iau

 

it a l'hostel des popelicans

 

it a la pierre

 

3 foiz 6 avant la feste... la Grant Pute.

 

»Und das soll die unchiffrierte Botschaft sein?«, fragte Belbo enttäuscht und amüsiert.

»Es ist klar, dass in Ingolfs Abschrift die Pünktchen für unleserliche Wörter stehen, für Stellen, an denen das Pergament zersetzt war... Doch hier nun meine definitive Transkription, in der ich mit Konjekturen, die Sie mir als luzide und unangreifbar zu definieren gestatten werden, den Text in seinem einstigen Glanz, wie man so sagt, wiederhergestellt habe.«

Mit der Geste eines Zauberkünstlers drehte er die Fotokopie um und zeigte uns, was er in Blockschrift auf die Rückseite geschrieben hatte:

A LA (NUIT DE) SAINT JEAN

36 (ANS) P(OST LA) CHARRETTE DE FOIN

6 (MESSAGES) ENTIERS AVEC SCEAU P(OUR) LES BLANCS MANTEAUX

R(ELAP)S(I) CHEVALIERS DE PROVINS POUR LA (VEN)J(A)NC(E)

6 FOIX 6 EN 6 PLACES

CHACUNE FOI 20 A(NS FAIT) 120 A(NS)

CECI EST L'ORDONNATION:

AU DONJON LES PREMIERS

IT(ERUM) LES SECONDS JUSQU'A CEUX QUI (ONT?) PAINS

IT(ERUM) AU REFUGE

IT(ERUM) A NOTRE DAME DE L'AUTRE PART DE L'EAU

IT(ERUM) A L'HOTEL DES POPELICANS

IT(ERUM) A LA PIERRE

3 FOIX 6 AVANT LA FETE (DE) LA GRANDE PUTAIN.

Übersetzt:

in der Johannisnacht

36 Jahre nach dem Heuwagen

6 Botschaften intakt mit Siegel

für die Weißen Mäntel (= die Tempelritter)

relapsi aus Provins für die (= bereit zur) Rache

6 mal 6 an 6 Orten

jedes Mal 20 Jahre macht 120 Jahre

dies ist der Plan:

zum Donjon (gehen) die ersten

wiederum (= nach weiteren 120 Jahren) die zweiten bis zu denen mit Broten

wiederum (dito) zum Refugium

wiederum zu Notre Dame auf der anderen Seite des Flusses

wiederum zur Herberge der Popelicans

wiederum zum Stein

3 mal 6 (= 666) vor dem Fest der Großen Hure

»Dunkler als die schwärzeste Nacht«, sagte Belbo.

»Sicher, das muss alles erst noch interpretiert werden. Aber Ingolf hat es gewiss verstanden, so wie ich es verstanden habe. Es ist weniger dunkel, als es scheint, wenn man die Geschichte des Ordens kennt.«

Pause. Der Oberst bat um ein Glas Wasser, dann griff er wieder zu seinem Füllfederhalter und hob an, uns den Text zu erläutern, Zeile für Zeile.

»Also: in der Johannisnacht, sechsunddreißig Jahre nach dem Heuwagen. Die zur Fortführung des Ordens bestimmten Templer fliehen vor der Verhaftung im September 1307, auf einem Heuwagen. Damals rechnete man das Jahr von Ostern bis Ostern. Also endet das Jahr 1307 bei dem, was nach unserem Kalender Ostern 1308 wäre. Jetzt rechnen Sie sechsunddreißig Jahre nach dem Ende von 1307 (also nach unserem Ostern 1308), und Sie kommen auf Ostern 1344. Das angegebene Datum ist also unser Jahr 1344. Die Botschaft wird im Boden der Krypta in einem kostbaren Behälter deponiert, sozusagen als Grundsteindokument, als notarielle Beurkundung eines Ereignisses, das an jenem Ort stattgefunden hat, nach der Konstitution des geheimen Ordens in der Johannisnacht, also am 23. Juni 1344.«

»Warum erst 1344?«

»Ich nehme an, in den Jahren von 1307 bis 1344 hat der geheime Orden sich reorganisiert und auf das Projekt gewartet, dessen Start das Pergament beglaubigt. Er musste warten, bis sich die Wogen gelegt hatten und die Fäden zwischen den in fünf bis sechs Ländern verstreuten Templern wieder geknüpft waren. Andererseits haben die Templer genau sechsunddreißig Jahre gewartet, nicht fünfunddreißig oder siebenunddreißig, weil offensichtlich die Zahl sechsunddreißig für sie einen mystischen Wert hatte, wie uns ja auch die chiffrierte Botschaft bestätigt. Die Quersumme von sechsunddreißig ist neun, und ich brauche Ihnen die tieferen Bedeutungen dieser Zahl nicht zu erklären.«

»Darf ich?«Es war die Stimme von Diotallevi, der hinter uns eingetreten war, auf Katzenpfoten wie die Templer von Provins.

»Ein gefundenes Fressen für dich«, sagte Belbo und stellte ihn vor. Der Oberst schien nicht besonders gestört, im Gegenteil, er machte eher den Eindruck, als wünschte er sich ein möglichst großes und aufmerksames Publikum. Er setzte seine Interpretation fort, und Diotallevi lief das Wasser im Munde zusammen vor diesem Schlemmermahl an Zahlenmystik. Reinste Gematrie.

»Wir kommen zu den Siegeln: sechs intakte Dinge mit einem Siegel. Ingolf findet ein Etui, offensichtlich verschlossen mit einem Siegel. Für wen ist es versiegelt worden? Für die Weißen Mäntel, also die Templer. Nun finden wir in der Botschaft ein r, dann fehlen ein paar Buchstaben, dann ein alleinstehendes s. Ich lese das als relapsi. Warum? Wir alle wissen, dass die relapsi die geständigen Täter waren, die ihr Geständnis widerrufen hatten, und diese ›Rückfälligen‹ haben eine nicht unbedeutende Rolle im Prozess der Templer gespielt. Die Templer von Provins bekennen sich stolz zu ihrer Natur als relapsi. Sie sind diejenigen, die sich von der infamen Komödie des Prozesses lossagen. Also, hier ist die Rede von Rittern aus Provins, die sich ›rückfällig‹ zu etwas bereit erklären. Wozu? Die wenigen Buchstaben am Ende der Zeile legen das Wort ›vainjance‹ nahe: vengeance, Rache.«

»Rache wofür?«

»Meine Herren! Die gesamte Templermystik, vorn Prozess bis heute, dreht sich um den Plan einer Rache für Jacques de Molay. Ich halte nicht viel von den Riten der Freimaurer, aber selbst sie, eine bürgerliche Karikatur der Tempelritterschaft, sind noch ein, wenn auch degenerierter, Reflex davon. Und einer der Rittergrade in der Freimaurerei nach schottischem Ritus ist der des Ritters Kadosch, nach dem hebräischen Wort für Rache.«

»Okay, die Templer sinnen also auf Rache. Und weiter?«

»Wie viel Zeit wird dieser Racheplan in Anspruch nehmen? Die chiffrierte Botschaft hilft uns, die unchiffrierte zu verstehen. Verlangt werden sechs Ritter sechsmal an sechs verschiedenen Orten, sechsunddreißig geteilt in sechs Gruppen. Dann heißt es: jedes Mal zwanzig, und hier ist etwas nicht klar, aber in Ingolfs Abschrift sieht es aus wie ein a. Jedes Mal zwanzig Jahre, habe ich daraus deduziert, und sechsmal zwanzig macht hundertzwanzig. Wenn wir den Rest der Botschaft betrachten, finden wir eine Liste von sechs Orten oder sechs Aufgaben, die erfüllt werden müssen. Von einer ›Ordonation‹ ist die Rede, einem Plan, einem Projekt, einem Vorgehen, das befolgt werden muss. Und es heißt, dass die ersten zu einem ›Donjon‹ gehen sollen, also zu einer Burg, die zweiten zu einem anderen Ort, und so weiter bis zum sechsten. Infolgedessen sagt uns das Dokument, dass es noch sechs andere versiegelte Dokumente geben muss, verstreut über diverse Punkte, und es scheint mir evident, dass die Siegel eines nach dem anderen erbrochen werden sollen, im Abstand von jeweils hundertzwanzig Jahren...«

»Aber warum jedes Mal zwanzig Jahre?«fragte Diotallevi.

»Nun, diese Ritter der Rache sollen alle hundertzwanzig Jahre eine Mission an einem bestimmten Ort erfüllen. Es handelt sich um eine Form von Stafettenlauf. Klar ist, dass nach der Johannisnacht 1344 sechs Ritter aufbrechen und sich jeder an einen der sechs im Plan vorgesehenen Punkte begeben. Aber der Hüter des ersten Siegels kann schlechterdings nicht hundertzwanzig Jahre lang weiterleben. Die Sache ist daher so zu verstehen, dass jeder Hüter eines jeden Siegels zwanzig Jahre im Amt bleiben soll, um dann das Kommando an einen Nachfolger zu übergeben. Zwanzig Jahre ist ein vernünftiger Zeitraum, sechs Hüter pro Siegel, jeder zwanzig Jahre im Dienst, gewährleisten, dass im hundertzwanzigsten Jahr der sechste Siegelbewahrer, sagen wir: eine Instruktion lesen und sie dem ersten Bewahrer des zweiten Siegels übergeben kann. Deshalb spricht die Botschaft im Plural: Die einen dahin, die andern dorthin... Jeder Ort soll sechsmal innerhalb von hundertzwanzig Jahren sozusagen kontrolliert werden. Rechnen Sie nun das alles zusammen: vom ersten bis zum sechsten Ort sind es fünf Übergaben, je eine nach hundertzwanzig Jahren, macht sechshundert Jahre. Addieren Sie sechshundert zu 1344, und herauskommt 1944. Was auch durch die letzte Zeile bestätigt wird. Deren Bedeutung ganz sonnenklar ist«

»Nämlich?«

»Die letzte Zeile heißt: ›dreimal sechs vor dem Fest (der) Großen Hure.‹ Auch hier ein Zahlenspiel, denn die Quersumme von 1944 ist genau achtzehn. Achtzehn ist dreimal sechs, und diese neue wunderbare Zahlenkoinzidenz suggeriert den Templern eine weitere höchst subtile Anspielung. 1944 ist das Jahr, in dem der Plan sich erfüllen soll. In Hinblick worauf? Nun, natürlich auf das Jahr Zweitausend! Die Templer glauben, dass am Ende des zweiten Jahrtausends ihr Jerusalem kommt, ein irdisches Jerusalem, das Anti‑Jerusalem. Man verfolgt sie als Häretiker? Wohlan, aus Hass auf die Kirche identifizieren sie sich mit dem Antichrist. Bekanntlich ist die Zahl 666 in der gesamten okkulten Tradition die Zahl des Großen Tieres. Das Jahr Sechshundertsechsundsechzig, das Jahr des Tieres, ist das Jahr Zweitausend, in welchem die Rache der Templer triumphieren wird, das Anti‑Jerusalem ist das Neue Babylon, und deshalb ist 1944 das Jahr des Festes der Grande Pute, der Großen Hure von Babylon, von der die Apokalypse spricht! Die Anspielung auf die Zahl 666 ist eine Provokation, eine trotzige Kriegergeste. Ein Bekenntnis zur eigenen Andersartigkeit, würde man heute sagen... Schöne Geschichte, nicht wahr?«

Er sah uns mit feuchten Augen an, und feucht glänzten auch seine Lippen und sein Schnurrbart, indes seine Hände zärtlich über den Ordner strichen.

»Okay«, sagte Belbo,»hier werden die Etappen eines Plans skizziert. Aber worin besteht er?«

»Sie fragen zu viel. Wenn ich das wüsste, hätte ich es nicht nötig, meinen Köder auszuwerfen. Aber eines weiß ich: dass in dieser Zeitspanne etwas passiert sein muss und dass der Plan nicht erfüllt worden ist, andernfalls würden wir es, mit Verlaub gesagt, wissen. Und ich kann mir auch denken, warum: 1944 war ein schwieriges Jahr, die Templer konnten schließlich nicht ahnen, dass da ein Weltkrieg im Gange sein würde, der alle Kontakte erschwerte.«

»Entschuldigen Sie, wenn ich mich einmische«, sagte Diotallevi,»aber wenn ich recht verstehe, kommt nach der Öffnung des ersten Siegels die Dynastie seiner Hüter nicht zum Erlöschen. Sie geht weiter bis zur Öffnung des letzten Siegels, wenn alle Repräsentanten des Ordens präsent sein müssen. Somit hätten wir jedes Jahrhundert, beziehungsweise alle hundertzwanzig Jahre, immer sechs Siegelbewahrer an jedem Ort, also zusammen sechsunddreißig.«

»Genau«, sagte Ardenti.

»Sechsunddreißig Ritter für jeden der sechs Orte macht zusammen 216, die Quersumme ist 9. Und da es sich um sechs Jahrhunderte handelt, multiplizieren wir 216 mit 6 und kommen auf 1296, eine Zahl, deren Quersumme 18 ist, also dreimal sechs, 666.«Diotallevi wäre vermutlich zur arithmetischen Neubegründung der Universalgeschichte fortgeschritten, wenn Belbo ihn nicht gestoppt hätte mit einem Blick, wie ihn eine Mutter ihrem Kind zuwirft, wenn es etwas Ungehöriges tut. Doch der Oberst erkannte in Diotallevi einen Erleuchteten.

»Großartig, was Sie mir da demonstrieren, Herr Doktor! Sie wissen, dass neun die Anzahl der ersten Ritter war, die den Kern des Templerordens in Jerusalem konstituierten!«

»Der Große Name Gottes, wie er im Tetragrammaton ausgedrückt ist«, sagte Diotallevi,»hat zweiundsiebzig Lettern, und sieben plus zwei macht neun. Aber ich will Ihnen noch mehr sagen, wenn Sie erlauben. Nach der pythagoreischen Tradition, welche die Kabbala aufgreift (oder von welcher sie inspiriert wird), ergibt die Summe der ungeraden Zahlen von eins bis sieben sechzehn, und die Summe der geraden Zahlen von zwei bis acht ergibt zwanzig, und zwanzig plus sechzehn macht sechsunddreißig.«

»Mein Gott, Herr Doktor«, rief bebend der Oberst,»ich wusste es doch, ich wusste es! Sie bestätigen mich. Ich bin der Wahrheit nahe!«

Mir war nicht ganz klar, inwieweit Diotallevi aus der Arithmetik eine Religion machte oder aus der Religion eine Arithmetik, und vermutlich war beides der Fall: ich hatte vor mir einen Atheisten, der die Entrückung in höhere Himmel genoss. Er hätte ein Fanatiker des Roulette werden können (und das wäre besser für ihn gewesen), aber er wollte lieber ein ungläubiger Rabbi sein.

Ich weiß nicht mehr genau, was geschah, aber Belbo intervenierte mit seinem gesunden piemontesischen Menschenverstand und brach den Zauber. Dem Oberst blieben noch ein paar Zeilen zu interpretieren, und wir alle waren neugierig auf seine Deutung. Und es war bereits sechs Uhr abends. Sechs, dachte ich, das heißt auch achtzehn...

»Okay«, sagte Belbo.»Also immer sechsunddreißig pro Jahrhundert, rüsten die Templer sich Schritt für Schritt, um den Stein zu entdecken. Aber worum handelt es sich bei diesem Stein?«

»Wohlan, es handelt sich selbstredend um den Gral.«

 

20

 

 

Das Mittelalter wartete auf den Helden des Gral und darauf, daß das Haupt des Heiligen Römischen Reiches ein Inbild und eine Manifestation des»Königs der Welt«selber werde... daß der unsichtbare Kaiser auch der manifestierte sei und das Zeitalter der Mitte... auch die Bedeutung eines Zeitalters des Zentrums habe... Das unsichtbare und unverletzliche Zentrum, der Souverän, der wiedererwachen muß, ja selbst der rächende und wiederherstellende Held sind keine Phantasien einer mehr oder minder toten Vergangenheit, sondern die Wahrheit derer, die heute als einzige sich mit Recht lebendig nennen können.

Julius Evola, Il mistero del Graal, Rom, Edizioni Mediterranee, 1983, Kap. 23 und Epilog

 

»Sie meinen, da spielt auch der Gral mit rein«, erkundigte sich Belbo.

»Natürlich. Und das meine nicht nur ich. Über die Sage vom Gral brauche ich mich hier nicht zu verbreiten, ich spreche mit gebildeten Leuten. Es geht um die Ritter der Tafelrunde, um die mystische Suche nach jenem wundertätigen Gegenstand, der für einige der Kelch war, der das Blut Christi auffing, nach Frankreich gelangt durch Joseph von Arimathia, für andere ein Stein mit geheimnisvollen Kräften. Oftmals erscheint der Gral als gleitendes Licht... Er ist ein Symbol, das für eine immense Kraft steht, für eine ungeheure Energiequelle. Er gibt Nahrung, heilt Wunden, blendet, streckt nieder... Ein Laserstrahl? Mancher hat an den Stein der Weisen gedacht, den die Alchimisten suchten, doch selbst wenn es so wäre, was war der Stein der Weisen anderes als das Symbol einer kosmischen Energie? Die Literatur darüber ist endlos, aber es lassen sich unschwer einige unbestreitbare Merkmale ausmachen. Wenn Sie den Parzival des Wolfram von Eschenbach lesen, werden Sie sehen, dass der Gral darin so erscheint, als würde er in einer Burg der Templer gehütet! War Wolfram ein Eingeweihter? Ein Unvorsichtiger, der etwas ausgeplaudert hat, was er besser verschwiegen hätte? Doch nicht genug damit. Definiert wird dieser von den Templern gehütete Gral wie ein vom Himmel gefallener Stein: lapis exillis. Man weiß nicht recht, ob das ›Stein vom Himmel‹ (ex coelis) heißen soll, oder ob es von ›Exil‹ kommt. In jedem Fall ist es etwas, das von weither kommt, und manche haben gemeint, es könnte ein Meteorit gewesen sein. Was uns betrifft, ist die Sache klar: ein Stein. Was immer der Gral auch gewesen sein mag, für die Templer symbolisiert er den Gegenstand oder das Ziel des Plans.«

»Entschuldigen Sie«, sagte ich,»aber nach der Logik des Dokuments müssten die Ritter sich doch zum sechsten Treffen bei oder auf einem Stein einfinden, nicht einen Stein finden.«

»Auch dies wieder eine höchst subtile Ambivalenz, eine weitere leuchtende mystische Analogie! Gewiss ist das sechste Treffen auf einem Stein geplant, und wir werden noch sehen, auf welchem, aber auf diesem Stein, wenn die Weitergabe des Plans und die Öffnung der sechs Siegel vollendet ist, werden die Ritter erfahren, wo sie den wahren Stein finden können! Was im Übrigen ja das Wortspiel Christi ist: Du bist Petrus, und auf diesem Stein... Auf dem Stein werdet ihr den STEIN finden.«

»So muss es sein«, sagte Belbo.»Bitte, fahren Sie fort. Casaubon, unterbrechen Sie nicht immerzu. Wir sind begierig, den Rest zu hören.«

»Also«, sagte der Oberst.»Die evidente Bezugnahme auf den Gral hat mich lange glauben lassen, dass der Schatz ein immenses Lager an radioaktivem Material sei, womöglich von einem andern Planeten gefallen. Nehmen Sie nur zum Beispiel, in der Sage, die mysteriöse Wunde des Amfortas... Als wäre er ein Radiologe, der sich zu lange den Strahlungen ausgesetzt hat.. Und tatsächlich darf man sie nicht berühren. Warum nicht? Bedenken Sie, welche Erregung die Templer empfunden haben müssen, als sie ans Tote Meer gelangten – teeriges, schweres Wasser, auf dem man wie ein Korken schwimmt, und es hat heilende Kräfte... Sie könnten in Palästina ein Uranlager entdeckt haben, sie könnten begriffen haben, dass es sich nicht sofort ausbeuten ließ. Die Beziehungen zwischen dem Gral, den Templern und den Katharern sind von einem verdienstvollen deutschen Offizier wissenschaftlich erforscht worden, ich spreche von Otto Rahn, einem Obersturmbannführer der SS, der sein Leben damit verbracht hat, in großer Strenge über die europäische und arische Natur des Grals nachzudenken – ich will nicht sagen, wie und warum er sein Leben 1939 verlor, aber es gibt Leute, die versichern... eh bien, kann ich vergessen, was Ingolf widerfahren ist? Rahn zeigt uns die Beziehungen zwischen dem Goldenen Vlies der Argonautensage und dem Gral... kurzum, es ist evident, dass eine Verbindung zwischen dem mystischen Gral der Sage, dem Stein der Weisen (lapis!) und jener immensen Kraftquelle besteht, auf welche die Getreuen Hitlers an der Schwelle des Krieges und noch bis zum letzten Atemzug hofften. Beachten Sie auch, dass in einer Version der Sage die Argonauten eine Schale erblicken, eine Schale, sage ich, die über dem Weltenberg mit dem Lichterbaum schwebt! Die Argonauten finden das Goldene Vlies, und ihr Schiff wird in die strahlende Milchstraße des südlichen Sternhimmels verzaubert, wo sie mit dem Kreuz, dem Triangel und dem Altar Zeugnis von der Lichtnatur des Ewigen Gottes ablegen. Das Triangel versinnbildlicht die göttliche Trinität, das Kreuz das göttliche Liebesopfer, und der Altar ist der Tisch des Abendmahles, auf dem der Kelch der Wiedergeburt stand. Kein Zweifel, der keltisch‑arische Ursprung all dieser Symbole ist unverkennbar!«

Der Oberst schien von derselben heroischen Exaltation ergriffen, die seinen Obersturmunddrang oder wie zum Teufel das hieß in den Opfertod getrieben hatte. Man musste ihn auf den Boden der Realität zurückholen.

»Was schließen Sie daraus?«, fragte ich.

»Junger Mann, sehen Sie's nicht mit eigenen Augen? Man hat vom Gral als einem Luziferischen Stein gesprochen und ihn in Zusammenhang mit der Figur des Baphomet gebracht. Der Gral ist eine Energiequelle, die Templer sind die Hüter eines energetischen Geheimnisses, und nun entwerfen sie ihren Plan. Wo werden sie ihre geheimen Sitze einrichten? Hier, meine Herren«– der Oberst sah uns mit komplizenhafter Miene an, als säßen wir in einer Verschwörerrunde –,»ich hatte eine Spur, eine falsche, aber nützliche. Ein Autor, der irgendwo ein Geheimnis aufgeschnappt haben musste, Charles‑Louis Cadet‑Gassicourt (und wie sich's trifft, stand sein Opus in Ingolfs Bibliothek), schreibt 1797 ein Buch, Le tombeau de Jacques Molay ou le secret des conspirateurs a ceux qui veulent tout savoir, in dem er behauptet, Molay habe, ehe er starb, vier geheime Logen gegründet, in Paris, in Schottland, in Stockholm und in Neapel. Diese vier Logen hätten sämtliche Monarchen vernichten und die Macht des Papstes zerstören sollen. Kein Zweifel, Gassicourt war ein exaltierter Träumer, aber ich bin von seiner Idee ausgegangen, um herauszufinden, wo die Templer wirklich ihre geheimen Sitze etablieren konnten. Ich hätte die Rätsel der Botschaft nicht lösen können, wenn ich nicht eine Leitidee gehabt hätte, das ist klar. Aber ich hatte eine, nämlich die auf zahllosen Evidenzen begründete Überzeugung, dass der templerische Geist seiner Inspiration nach keltisch war, druidisch, er war der Geist des nordischen Ariertums, das die Tradition mit der Insel Avalon identifiziert, dem Sitz der wahren hyperboreischen Kultur. Sie werden wissen, dass diverse Autoren die Insel Avalon mit dem Garten der Hesperiden gleichgesetzt haben, mit der Ultima Thule und dem Kolchis des Goldenen Vlieses. Nicht zufällig war der größte Ritterorden in der Geschichte der Orden vom Goldenen Vlies. Womit klar wird, was sich in dem Wort ›Donjon‹ verbirgt. Es ist die Nordische Burg, in der die Templer den Gral hüteten, vermutlich der sagenhafte Montsalvat.«

Er hielt einen Augenblick inne. Er wollte, dass wir ihm an den Lippen hingen. Wir hingen.

»Kommen wir zum zweiten Befehl: die Siegelbewahrer sollen dahin gehen, wo sich der oder diejenigen befinden, die etwas mit Broten machen. An sich ist die Angabe klar: der Gral ist der Kelch mit dem Blute Christi, das Brot ist der Leib Christi, der Ort, wo das Brot gegessen wurde, ist der Ort des Letzten Abendmahls, also Jerusalem. Undenkbar, dass die Templer sich dort unten, auch nach der Rückeroberung durch die Sarazenen, nicht eine geheime Basis gesichert hatten. Offen gestanden, zu Anfang hatte mich dieses jüdische Element in einem Plan, der ganz unter dem Zeichen der arischen Mythologie steht, einigermaßen verwirrt. Dann habe ich darüber nachgedacht und mir gesagt: Wir sind es, die Jesus noch immer als einen Ausdruck der jüdischen Religiosität betrachten, weil die römische Kirche es uns so lehrt. Die Templer wussten sehr wohl, dass Jesus ein keltischer Mythos ist. Der ganze Bericht der Evangelien ist eine hermetische Allegorie – Wiederauferstehung nach Verwesung in den Eingeweiden der Erde undsoweiter undsofort. Christus ist nichts anderes als das Elixier der Alchimisten. Andererseits wissen alle, dass die Trinität ein arischer Begriff ist – und sehen Sie, deswegen steht die ganze Templerregel, diktiert von einem Druiden wie Bernhard von Clairvaux, unter dem Zeichen der Dreizahl.«

Der Oberst trank einen weiteren Schluck Wasser. Seine Stimme war heiser.»Kommen wir nun zu der dritten Etappe: das Refugium. Es ist Tibet.«

»Und wieso Tibet?«

»Nun, vor allem, weil Wolfram von Eschenbach am Ende erzählt, dass die Templer Europa verließen und den Gral nach Indien verbrachten. Zur Wiege des arischen Geschlechts. Das Refugium ist Agarttha. Sie werden doch sicher schon von Agarttha gehört haben, dem Sitz des Königs der Welt, der unterirdischen Stadt, von der aus die Herren der Welt den Gang der Menschheitsgeschichte beherrschen und lenken. Die Templer haben sich eins ihrer Zentren direkt an den Wurzeln ihrer Spiritualität geschaffen. Kennen Sie die Beziehungen zwischen dem Reich von Agarttha und der Synarchie?«

»Ehrlich gesagt, nein... «

»Na, ist auch besser so, es gibt Geheimnisse, die tödlich sein können. Aber schweifen wir nicht ab. Auf jeden Fall wissen alle, dass Agarttha vor sechstausend Jahren gegründet wurde, zu Beginn der Epoche des Kali‑Yuga, in der wir heute noch leben. Die Aufgabe der Ritterorden war seit jeher, den Kontakt zu diesem geheimen Zentrum zu halten, die aktive Kommunikation zwischen der Weisheit des Orients und der Weisheit des Okzidents zu sichern. Und somit ist klar, wo das vierte Treffen stattfinden soll, nämlich in einem anderen druidischen Heiligtum, in der Stadt der Jungfrau, das heißt der Kathedrale von Chartres. Chartres liegt von Provins aus gesehen auf der anderen Seite des Hauptflusses der Ile de France, der Seine.«

Wir konnten unserem Gesprächspartner nicht mehr folgen:»Was hat denn Chartres mit Ihrer keltisch‑druidischen Linie zu tun?«

»Woher, glauben Sie wohl, kommt die Idee der Jungfrau?

Die ersten Jungfrauen, die in Europa auftauchen, sind die schwarzen Jungfrauen der Kelten. Bernhard von Clairvaux lag einmal als junger Mann in der Kirche von Saint Voirles auf den Knien vor einer schwarzen Jungfrau, und sie presste aus ihrer Brust drei Milchtropfen, die auf die Lippen des künftigen Gründers der Templer fielen. Daher die Romane über den Gral, als Deckmantel für die Kreuzzüge, und die Kreuzzüge, um den Gral wiederzufinden. Die Benediktiner sind die Erben der Druiden, das weiß doch jeder.«

»Aber wo sind diese schwarzen Jungfrauen dann geblieben?«

»Sie wurden aus dem Weg geräumt von denen, die daran interessiert waren, die nordische Tradition zu verdunkeln und die keltische Religiosität in die mediterrane Religiosität zu überführen, indem sie den Mythos der Maria von Nazareth erfanden. Und wo man sie nicht verschwinden lassen konnte, wurden sie verwandelt und denaturiert, wie die zahlreichen schwarzen Madonnen, die man noch immer dem Fanatismus der Massen darbietet. Doch wenn man die Bilder der Kathedralen richtig liest, wie es der große Fulcanelli getan hat, sieht man, dass diese Geschichte in klaren Lettern erzählt wird, und in klaren Lettern wird auch das Verhältnis dargestellt, das die keltischen Jungfrauen mit der alchimistischen Tradition templerischen Ursprungs verbindet, die aus der schwarzen Jungfrau das Symbol der Urmaterie macht, an welcher die Sucher nach jenem Stein der Weisen arbeiten, der, wie wir sahen, nichts anderes ist als der Gral. Und überlegen Sie einmal, woher wohl jenem anderen großen Erben der Druiden, dem Propheten Mohammed, die Inspiration zu dem schwarzen Stein von Mekka gekommen ist.. In Chartres hat man die Krypta zugemauert, die in jenen unterirdischen Raum führt, wo sich die ursprüngliche heidnische Statue noch befindet, aber wer gut sucht, kann in der Kathedrale noch eine schwarze Jungfrau finden, Notre‑Dame du Pilier, skulptiert von einem noch onanistisch geprägten Kanonikus. Die Statue hält den magischen Zylinder der großen Odinspriesterinnen in der Hand, und zu ihrer Linken ist der magische Kalender dargestellt, auf dem einst – ich sage einst, denn diese Skulpturen haben sich leider nicht vor dem Vandalismus der orthodoxen Kanoniker retten können – die heiligen Tiere Odins zu sehen waren: der Hund, der Adler, der Löwe, der Weiße Bär und der Werwolf. Andererseits ist es keinem Erforscher der gotischen Esoterik entgangen, dass es dort – ich spreche noch immer von Chartres – auch eine Statue gibt, die den Kelch des Grals in der Hand trägt. Ach, meine Herren, wenn man die Kathedrale von Chartres noch zu lesen wüsste, ohne den Touristenführern katholisch‑apostolisch‑römischer Provenienz zu folgen, aber mit dem Vermögen zu sehen, ich meine mit den Augen der Tradition zu sehen, ich sage Ihnen, die wahre Geschichte, die jene Festung Ereks erzählt... «

Date: 2015-12-13; view: 334; Íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ; Ïîìîùü â íàïèñàíèè ðàáîòû --> ÑÞÄÀ...



mydocx.ru - 2015-2024 year. (0.005 sec.) Âñå ìàòåðèàëû ïðåäñòàâëåííûå íà ñàéòå èñêëþ÷èòåëüíî ñ öåëüþ îçíàêîìëåíèÿ ÷èòàòåëÿìè è íå ïðåñëåäóþò êîììåð÷åñêèõ öåëåé èëè íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ - Ïîæàëîâàòüñÿ íà ïóáëèêàöèþ